Big Data und KI halten bereits Einzug in alle Branchen. Wo können Unternehmen schon heute von diesen Technologien profitieren? Was sind die häufigsten Herausforderungen bei der Umstellung auf ein datengesteuertes Unternehmen?
Wie Künstliche Intelligenz bereits die Unternehmenswelt verändert
Für die einen ist es eine neue Pandorakiste, für die anderen der heilige Gral. Generative künstliche Intelligenz (KI) hat die Bühne im vergangenen Jahr mit einem großen Paukenschlag in Form von ChatGTP betreten und seitdem rollt der Stein des KI-Wissens unaufhaltsam. KI-Werkzeuge sind mächtig und in der Lage, Geschäftsprozesse massiv zu unterstützen, wenn sie richtig zum Einsatz kommen. Unternehmen tun Gutes daran, sich damit auseinanderzusetzen. Es gibt bereits zahlreiche vielversprechende KI-Projekte von Großkonzernen bis hin zu kleinen Startups.
- Zalando nutzt generative KI in Form von „Algorithmic Fashion Companion“, um seinen Kunden bei der Kleiderauswahl zu helfen. Der Versandhandel Otto verbessert mit den Algorythmen seinen Onlinehandel, insbesondere die Anzahl der Retouren. Dafür kommt ein Deep-Learning-Algorithmus zum Einsatz, der die Vorhersagen über das, was Menschen kaufen möchten, verbessert. Das Programm schafft mit 90-prozentiger Genauigkeit vorauszusagen, was in den nächsten 30 Tagen verkauft werden wird.
- Der Versicherungsriese Allianz nutzt die KI in seinem sogenannten „Defendant Hub“. Er hilft bei der Bearbeitung von Schadensfällen der Stufe 3 und kann mit der Datenverarbeitung Erkenntnisse für die Zukunft gewinnen.
- Auf Tuchfühlung mit KI kommen Kunden mit der speziellen Zahnbürste „Genius X“ von Braun. Sie erkennt anhand von Sensoren wie der Nutzer seine Zähne putzt und kann daraus Ratschläge generieren, um den Putzvorgang zu verbessern.
- Tools von Firefly unterstützen kreative Köpfe allein durch Textbefehlen bei der Bearbeitung von Bildern.
- WTS Advisory entwickelt gerade eine Art „Accounting Wiki“ auf Basis einer eigenen Infrastruktur und GPT 4.0. Das Modell wird mit eigenem Accounting Know-how angereichert ohne dabei, laut eigenen Aussagen, den Datenschutz außer Acht zu lassen. „Aktuell erzielt unser WTS-GPT bereits über 90 Prozent gute bis sehr gute Ergebnisse - so können wir unsere Mandanten effizienter und kostengünstiger beraten“, erklärt Franziska Zimmermann, Head of Business Development bei WTS Advisory, das neue Produkt.
- Start-ups wie CID.com nutzen Algorithmen, um die Lieferketten großer Konzerne per Künstlicher Intelligenz zu überwachen. Wie das funktioniert, zeigt auch das Unternehmen Prewave aus Österreich. Es arbeitet mit einem Sprachmodell und kann Gesagtes in über 50 Sprachen verstehen und Auswerten. Die Software durchsucht Berichte von über knapp eine Millionen Firmen auf der Welt und filtert Hinweise auf Verstöße unterschiedlicher Arten heraus. Dadurch können die Risiken in den Lieferketten besser überwacht werden. Mit Aufkommen des neuen Lieferkettengesetzes sind so auch neue Geschäftsmodelle entstanden.
KI in allen Unternehmensbereichen zugegen
Diese Beispiele zeigen, wie KI bereits in die Unternehmenswelt in der einen oder anderen Art und Weise vorgedrungen ist. Glaubt man den Aussagen der Forscher, so wird KI der nächste große Meilenstein in der Entwicklung der Menschheit, ähnlich der Erfindung der Elektrizität. Prognosen zufolge wird es ab 2035 keinen Arbeitsplatz mehr ohne KI-Beteiligung geben. Es gibt kaum ein Bereich, wo KI nicht zum Einsatz kommen könnte. Von Restaurants (Automatisierung von Bestellprozessen), Baugewerbe (Grafikvirtualisierung) bis hin zu Transportfahrzeugen (autonomes Fahren). Generative KI-Tools können mehr oder weniger in alle Unternehmensbereiche eingesetzt werden, was die Arbeitsbereiche demokratisiert. Ob Marketing, Finanzsektor, Fertigung oder Personalwesen, jeder Bereich kann mit KI mittlerweile optimiert werden. Unternehmenslenker stehen immer öfter vor der Frage, wie sie die generative KI im eigenen Unternehmen einsetzen können und wollen. Es geht um strategische Entscheidungen mit weitreichenden Folgen.
Wer KI für seine individuellen Prozesse im Unternehmen nutzen möchte, der kommt um den Einsatz von eigenem Datenmaterial oftmals nicht herum. Unternehmen benötigen hierbei eine Infrastruktur, die den Mehrwert ihrer Daten maximiert, ohne die Sicherheit zu beeinträchtigen. Doch das Trainieren von KI-Modellen ist teuer und energieintensiv. Beim Training des GPT-3-Modells von OpenAI wurden gigantische 1.287 Megawattstunden Strom verbraucht und mehr als 4 Millionen US-Dollar verschlungen. Viele Unternehmen können es sich schlichtweg nicht leisten, brauchen aber auch nicht immer universell erfasste Informationsdaten.
Unternehmen wie Databricks arbeiten daran, solche Probleme zu lösen. Im März 2023 veröffentlichten sie „Dolly“, ein Open-Source-Chatmodell, dass Open-Source-Code und -Daten verwendet, aber auch eine kommerzielle Nutzung erlaubt. Der Trainingscode, der Datenbestand und die Modellgewichtungen für Dolly wurden für alle öffentlich zugänglich gemacht. Unternehmen können so, ihre eigenen Daten mit den bereits vorhandenen kombinieren, um personalisierte Anwendungen zu erstellen, die weder ihr geistiges Eigentum noch Unternehmensinformationen gefährden.
Eigentlich führt fast kein Weg mehr an KI vorbei und Unternehmen bräuchten früher oder später ein eigenes KI-Team, um ein ganzheitliches Verständnis für die Umsetzung von KI zu gewährleisten, denn es ist eine Schlüsseltechnologie. Zwar nutzen laut dem Statistischen Bundesamt bereits 12 Prozent der Unternehmen KI, doch vor allem kleinere Unternehmen tun sich mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz noch sehr schwer. Es mangelt an Wissen über KI und wie es im eigenen Unternehmen zum Einsatz gebracht werden kann. Vorsicht ist auf jeden Fall berechtigt geboten, denn die falsche Nutzung der neuen Technologie birgt auch Wettbewerbsrisiken in sich.
„Die Entwicklung ist nicht frei von Herausforderungen“, weiß Adam Reinheimer, Vorstandsvorsitzender von Secnaut. Viele Unternehmen betrachten KI eher als modisches Schlagwort denn als fundierte Technologie. Es mangelt an realistischen Anwendungsszenarien, einem tiefgehenden Verständnis für die Möglichkeiten und Grenzen von KI, rechtlicher Sicherheit im Umgang mit KI-Systemen, sowie an qualifizierten Fachkräften. Hinzu kommt die Schwierigkeit, an qualitativ hochwertige Daten für das Training der KI-Systeme zu gelangen. Diese Faktoren bilden zusammen ein komplexes Feld, in dem Unternehmen navigieren müssen, um das Potenzial der KI voll auszuschöpfen.“
Regulatorische Bedenken bremsen Unternehmen bisher aus
Mehr als die Hälfte der Unternehmenslenker (51 Prozent) fürchten sich aktuell noch vor den rechtlichen Folgen. Zimmermann kann das nur bestätigen. “Das Problem, das so gut wie alle Unternehmen aktuell mit KI-Modellen haben ist, dass es zu viele Restriktionen und Unklarheiten gibt, z.B. beim Thema Datenschutz oder wem die Rechte an KI generierten Texten und Bildern gehören“, sagt sie. „Um auf Nummer sicher zu gehen, entschließen sich Unternehmen lieber ihre eigenen KI-Modelle zu entwickeln.“ Nutzen Unternehmen bereits bestehende Modelle haben sie keine Kenntnisse über Daten, Gewichtungen oder Algorithmen, die zur Anwendung kommen. Dazu kommt die Gefahr, dass sich die Trainingsdaten jederzeit ändern können. Daher verbot bspw. Samsung seinen Mitarbeitern den Einsatz von ChatGPT, nachdem sie es zum Arbeiten an vertraulichen Codes verwendet hatten. Andere Unternehmen haben ebenfalls Verbote oder Beschränkungen erlassen.
Für die kommende Jahre sieht Zimmermann das Thema „KI-Governance“ und „KI-Guidelines“ daher als große Herausforderung. Es gebe oft noch keine Vorgaben in Unternehmen, wie und welche KI die Mitarbeitenden nutzen dürfen. Daher gehöre für sie das Thema „KI-Kompass“ mit zu den heißesten Themen auf jeder Unternehmensagenda im Jahr 2024.
Die Gefahren, die mit Aufkommen von Modellen wie ChatGPT entstehen, führen dazu, dass Unternehmen in Zukunft generell aufpassen müssen, welche Daten sie online stellen. Schnell gelangen sonst Unternehmensdaten in die generative KI, die dort nichts verloren haben.
Der Countdown läuft bereits
Mit der Verbreitung von KI-Technologien und den daraus resultierenden Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und unserer Arbeitswelt, kommen weitere Aspekte auf. Es stellen sich Fragen bezüglich Ethik und Risiken. Die Politik ist bestrebt, einen Rahmen zu schaffen, der bestimmte Grundsätze beim Einsatz der Technologien gewährleistet. Denn KI-Technologien ermöglichen Lösungen für eine Vielzahl von Problemen. Zugleich gilt es aber zu klären, wie künstliche Intelligenz so entwickelt werden kann, dass die Nutzer möglicher negativer Auswirkungen entgegentreten können. Unternehmen wie Anthropic geben daher dem KI-Sprachmodell konkrete Werte und Prinzipien vor, die eingehalten werden müssen. Ein solcher Ansatz leitet Modelle dazu an, Verfassungsnormen umzusetzen und diskriminierende Ausgaben zu unterbinden.
Es steht viel auf dem Spiel. "Wie wir heute mit neuen, zukunftsweisenden Technologien umgehen, entscheidet über unsere digitale Zukunft und Souveränität. Nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa“, sagte Dr. Ralf Wintergerst im Herbst vergangenen Jahres dem Publikum auf der Big-Data.AI and Quantum Summit-Veranstaltung in Berlin. Die Uhr tickt und das Wettrennen hat bereits begonnen. Nur wer Kompetenzen in der neuen Technologie entwickelt, wird von ihr profitieren.