Die Bundesregierung hält die Gasversorgungslage weiterhin für angespannt. Man beabsichtige derzeit nicht, die seit Sommer 2022 geltenden Alarmstufe des Notfallplans Gas zu beenden, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Die Gasversorgungslage sei im Vergleich zum Vorkrisenniveau weiterhin angespannt. Auch die Inbetriebnahme des umstrittenen Rügener Terminals für Flüssigerdgas (LNG) sei "als wesentliche und notwendige Versicherung gegen eine mögliche Gasverknappung oder gar einen Gasmangel erforderlich", heißt es in der Antwort an den AfD-Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Wirtschaftsexpertin: "Gasnotfallplan aufheben"
Aus Sicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sich die Lage auf dem Gasmarkt hingegen entspannt. Eine Gasmangellage, mit der der beschleunigte Ausbau von LNG-Infrastruktur gerechtfertigt werde, sei zu keinem Zeitpunkt eingetreten, hieß es kürzlich vom DIW. Der geplante Ausbau von LNG-Importkapazitäten sei in diesem Umfang nicht mehr nötig. DIW-Expertin Claudia Kemfert hatte den Funke-Zeitungen gesagt, es sei "an der Zeit, den Gasnotfallplan aufzuheben".
Aktuell sind die Gasspeicher in Deutschland zu knapp 70 Prozent gefüllt. Angesicht der Tatsache, dass der Winter vorrüber ist, ist dieser Wert normal und nicht besorgniserregend. Im Herbst 2023 war die Lage trotz Füllständen bis zu 99 Prozent noch anders. Man konnte nicht wissen, wie mild der Winter werden würde. "Selbst wenn die Gasspeicher erneut vollständig vor dem Winter befüllt werden, könnte die Gasnachfrage bei extrem kalten Temperaturen und aktuellem Verbrauchsverhalten vermutlich nicht mehr vollständig gedeckt werden.", hieß es damals in eine Mitteilung der Initiative Energien Speichern (INES).
Habeck gibt sich entspannt
Die Alarmstufe beschreibt eine erhebliche Verschlechterung der Versorgungslage mit Erdgas. Indikatoren dafür sind etwa das Fehlen oder die gravierende Reduzierung von Erdgasströmen, langanhaltende sehr niedrige Erdgasspeicherfüllstände, extreme Wetterverhältnisse bei gleichzeitig sehr hoher Nachfrage, eine hohe Gefahr langfristiger Unterversorgung oder EU-Staaten, die Deutschland um Gaslieferungen ersuchen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte jedoch kürzlich im Bundestag gesagt: "Die Energieversorgung ist sicher, die Speicher auch Ende des zweiten Winters sind voll". Die Gaspreise hätten sich zuletzt auf dem Niveau von Anfang 2022 vor dem russischen Angriff auf die Ukraine befunden. Tatsächlich haben sich die europäischen Gaspreise entspannt. Die Energiekrise wurde im Herbst 2021 durch Engpässe auf den Strom-, Öl- und Gasmärkten ausgelöst und durch den Beginn des Ukrainekriegs und die nachfolgende Entscheidung, auf russisches Gas zu verzichten, massiv verschärft. Die Preise waren zwischenzeitlich förmlich explodiert. Danach kam es langsam zu einer Normalisierung, getrieben durch rückläufige Gaspreise auf den Weltmärkten.
Probleme auf EU-Ebene
Holm kritisierte das Festhalten an der Alarmstufe und am Rügener LNG-Terminal: "Es werden extrem kostspielige Überkapazitäten geschaffen, die auch noch die Umwelt und den wichtigen Tourismus auf Rügen gefährden." Das Terminal soll in Kürze betriebsbereit sein. Ende letzten Jahres hatte der Bund dem Projektträger und Gasnetzbetreiber Gascade 1,4 Milliarden Euro versprochen, um die Finanzierung des Terminals sicherzustellen.
In der Antwort auf die Anfrage des AfD-Abgeordneten verweist der Bund darauf, dass auf EU-Ebene weiterhin von gravierenden Schwierigkeiten bei der Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit ausgegangen werde. Dem Terminal-Standort Mukran auf Rügen komme insbesondere aufgrund der Einspeisemöglichkeit im Osten Deutschlands "eine hohe Bedeutung für die nationale und europäische Energieversorgung zu."
Befürworter des Terminals hatten wiederholt auf die Anbindung auch etwa östlicher und südlicher Nachbarn verwiesen. Die Bundesnetzagentur verweist darauf, dass bei einem Stopp verbleibender russischer Gaslieferungen nach Südosteuropa diese Staaten in einer Mangellage über Deutschland mitversorgt werden müssten. In Österreich etwa stammten nach Angaben der dortigen Regierung im Dezember 2023 weiterhin 98 Prozent der Gasimporte aus Russland. (mit Material von dpa)