Weltwirtschaft

Strategien gegen Embargo: Wie Russland die EU-Sanktionen umgeht

Lesezeit: 3 min
09.03.2024 16:12
Trotz 13 EU-Sanktionspaketen findet Russland Wege, diese zu umgehen – von der Nutzung von Drittländern bis hin zu Kryptowährungen. Ist das von Russland besonders clever? Oder ist der Westen einfach nicht in der Lage, wirksame Sanktionen zu verhängen?
Strategien gegen Embargo: Wie Russland die EU-Sanktionen umgeht
Wladimir Putin, Präsident von Russland, bei einem Staatsbesuch im Iran. Beide Länder versuchen systematisch, die Sanktionen des Westens zu umgehen (Foto: dpa).
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Die Europäische Union (EU) hat bisher 13 Sanktionspakete gegen Russland auf den Weg gebracht, um auf politische und militärische Spannungen im Zusammenhang mit der Ukraine zu reagieren. Doch Russland hat vielseitige Strategien entwickelt, um die Sanktionen zu umgehen und seine Wirtschaft zu schützen. Dieser Artikel bietet einen Einblick in die Methoden, die Russland anwendet, um die Sanktionen der EU zu umgehen.

Nach Angaben des Ifo-Instituts in München sind innerhalb Deutschlands besonders ostdeutsche Unternehmen sowie Firmen im Verarbeitenden Gewerbe von den Sanktionen gegen Russland betroffen. Diese Beeinträchtigungen, die auch zum Teil mittelständische Unternehmen betreffen, resultieren aus den umfassenden Handelsbeschränkungen, die durch die gegenseitig auferlegten Sanktionen zwischen der EU und Russland entstanden sind.

Umleitung über Drittländer

Die Umleitung von Waren und Kapital über Drittländer ist eine häufig genutzte Methode zur Umgehung von Sanktionen. Länder, die nicht von den EU-Sanktionen betroffen sind, fungieren als Zwischenhändler für russische Produkte, die in die EU importiert oder aus ihr exportiert werden. Dies ermöglicht es Russland, trotz bestehender Handelsbeschränkungen mit den EU-Märkten zu interagieren.

Besonders Kasachstan, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei und China haben in diesem Zusammenhang an Bedeutung gewonnen. Eine Studie des Ifo-Instituts und Econpol (European Network for Economic and Fiscal Policy Research) zeigt, dass diese Länder vermehrt für die russische Wirtschaft wichtige Technologien und Güter aus EU-Staaten importieren.

Tarnfirmen und Kryptowährungen

Russische Unternehmen gründen Tarnfirmen in verschiedenen Ländern, um die Identität der eigentlichen Akteure zu verbergen. Dadurch führen sie auch Handels- oder Finanztransaktionen durch, die sonst blockiert oder eingeschränkt wären. Die EU hat spezifische Maßnahmen gegen solche Unternehmen ergriffen, offenbar (noch) ohne Wirkung.

Kryptowährungen bieten zudem eine Plattform für anonyme Transaktionen und ermöglichen den Transfer von Vermögenswerten über Grenzen hinweg, ohne auf traditionelle Bankkanäle angewiesen zu sein.

Russland passt auch seine Logistik- und Transportwege an, um den Handel mit sanktionierten Gütern über weniger streng kontrollierte Länder oder Routen fortzusetzen. Es sucht nach alternativen Finanzsystemen und -institutionen, die nicht von den EU-Sanktionen betroffen sind. Moskau versucht auch, den US-Dollar im internationalen Handel durch andere Währungen zu ersetzen.

Diplomatische Bemühungen und Technologietransfer

Durch bilaterale Abkommen stärkt Russland seine Handelsbeziehungen, erschließt neue Märkte für Exporte und mildert die wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen. Investitionen in Eigenentwicklung und inländischen Technologietransfer verringern die Abhängigkeit von importierter Technologie.

In Reaktion auf westliche Sanktionen adaptiert Russland Strategien - ähnlich denen der regierenden Islamisten im Iran. Außerdem entwickelt Russland alternative Finanzsysteme, stärkt die heimische Produktion und setzt auf strategische Partnerschaften sowie fortschrittliche Technologien. Diese Maßnahmen fördern wirtschaftliches Wachstum und internationale Kooperationen mit Russland. Es offenbart sich, dass die Putin-Regierung über viel Expertise beim Umgehen von Sanktionen verfügt.

Russland-Sanktionen: Anpassung gegen Umgehung

Die Vielfalt der Methoden, mit denen Russland auf EU-Sanktionen reagiert, unterstreicht die Komplexität und Herausforderungen bei der Durchsetzung internationaler Sanktionen. Die EU und ihre Partnerstaaten wie die USA kündigen regelmäßig an, dass sie die Sanktionen verschärfen und Umgehungswege schließen wollen, doch Russlands Anpassungsfähigkeit bleibt eine Herausforderung.

In Deutschland ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für die Überwachung und Durchsetzung von Russland-Sanktionen zuständig. Die Behörde hat bereits mitgeteilt, die Durchsetzung der Sanktionen zu verbessern und Umgehungsversuche effektiver zu bekämpfen.

Wen die EU-Sanktionen gegen Russland treffen

Die EU hat bisher nach eigenen Angaben über 1.900 Individuen und Entitäten sanktioniert. Dazu gehören unter anderem die russische Führung, hochrangige Beamte, Militärpersonal, Kommandeure der Wagner-Gruppe, prominente Geschäftsleute und Oligarchen, pro-kreml- und anti-ukrainische Propagandisten, sowie Akteure im russischen Militär- und IT-Sektor.

Die Sanktionen gegen Russland beinhalten die Einfrierung von Konten in EU-Banken und Reisebeschränkungen innerhalb der EU, einschließlich der Blockierung von mindestens 24 Milliarden Euro an privaten Vermögenswerten. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, Personen und Organisationen, die den Krieg gegen die Ukraine unterstützen oder daran beteiligt sind, zu sanktionieren.

Im Dezember 2023 führte der Rat der Europäischen Union erstmalig Sanktionen gegen sechs Individuen und fünf Organisationen aus dem Iran ein. Es war als Reaktion auf die militärische Unterstützung für Russlands Krieg in der Ukraine durch das islamistische Regime in Teheran gedacht. Diese Sanktionen beinhalteten Vermögenssperren und Reiseverbote, speziell um auf die Bereitstellung von Drohnen für militärische Zwecke zu reagieren.

Effektivität der EU-Sanktionen

Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) verzeichnet Russlands Wirtschaft derzeit ein Wachstum: Dies wird durch Militärausgaben und Sozialtransfers angetrieben, was den Konsum und die Produktion steigert. Dennoch bestehe die Gefahr einer Überhitzung und steigender Inflation. Die Isolation vom Finanzsystem und der begrenzte Zugang zu Technologie könnten das Wachstum beeinträchtigen. Der IWF hat seine Prognose für 2024 auf 2,6 Prozent angehoben, prognostiziert jedoch für 2025 ein Wachstum um 1,1 Prozent aufgrund des Verlusts hochqualifizierter Arbeitskräfte.

Die Effektivität der Sanktionen gegen Russland im Hinblick darauf, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden, steht vor diesem Hintergrund weiterhin vor Herausforderungen. Kürzlich schrieb betonte die niederländische Zeitung „de Volkskrant“ in diesem Zusammenhang die Bedeutung der europäischen Rüstungsproduktion: „Der Krieg kann nur auf dem Schlachtfeld gewonnen werden - und das auch nur, wenn Europa in der Lage ist, genügend Waffen zu produzieren.“

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet seit 1. März bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.


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