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Leerstand in Deutschland: Zwischen Wohnungsnot und versteckten Chancen

Lesezeit: 4 min
23.03.2024 14:22
Mit 1,7 Millionen leeren Wohnungen kämpft Deutschland gegen die Wohnungsnot. Erfahren Sie, was „Leerstand" wirklich bedeutet und wie die Politik eingreift.

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Laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) stehen in Deutschland gut 1,7 Millionen Wohnungen leer. Eine gute Nachricht, mag man meinen, in Anbetracht von 600.000 fehlenden Wohnungen und gebrochenen Bauversprechen der Regierung. „Leer“ bedeutet allerdings nicht verfügbar. Was sich hinter dieser Zahl verbirgt, lesen Sie hier.

Was bedeutet „Leerstand“?

Der Deutschlandatlas definiert „leer stehende“ Immobilien als solche, die weder vermietet sind, noch vom Eigentümer selbst bewohnt werden. Alles an Ferien- und Freizeithäusern fällt nicht in diese Kategorie. Leerstand wird in zwei Formen aufgeteilt: Fluktuationsleerstand und struktureller Leerstand. Bei Fluktuationsleerstand handelt es sich um eine kurzzeitige Situation, in welcher Alt- und Neu-Mieter sich nicht überschneiden. Ab drei Monaten handelt es sich dagegen um einen strukturellen Leerstand. Hier werden externe Gründe – entweder auf Vermieter- oder auf Substanzseite – für den Leerstand genannt. Laut der letzten Messung des BBSR im Jahr 2018 können 1,7 Millionen demnach als leer stehend bezeichnet werden. Das entspricht 4,2 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes in Deutschland.

Warum stehen Wohnungen leer?

Wie in so vielen Situationen ist Geld ein bedeutender Faktor in der Entscheidung, eine Wohnung leer stehen zu lassen. Seit 15 Jahren steigen die Mietpreise in Deutschland stetig, aggressiv und scheinbar unaufhaltbar. In Berlin zum Beispiel stiegen die Mieten zwischen 2009 und 2023 um 112 Prozent. Banal gesagt lohnt es sich seit einigen Jahren, den Markt zu beobachten und eine ruhige Kugel zu schieben. Wohnraum ist eine unerschöpfliche und immer notwendige Ressource. Es kann sich demnach lohnen zu warten, bis der Markt explodiert, um höhere Mieten oder einen attraktiveren Verkaufspreis zu verlangen.

Auch in strukturschwachen Regionen kommt Leerstand öfter vor. Da hier keine so bedeutender Mietnachfrage besteht wie in Ballungsgebieten, kann es für Eigentümer schwer sein, angemessene Mieten zu erlangen. Deswegen entscheiden sich manche dazu, die Wohnung stattdessen leer zu lassen, um Abnutzung aus dem Weg zu gehen und auf rosigere Zeiten zu warten.

Auf der anderen Seite des Arguments, das Geld: Wohnungen müssen einen gewissen Mindestzustand haben, um vermietet zu werden. Ist dieser nicht gegeben, bleibt der Eigentümer auf der Immobilie „sitzen“. Renovierungen und Sanierungen sind kostspielig und, mit Blick auf den aktuellen Material- und Handwerkermangel, eine langwierige Herausforderung. So entscheiden sich manche Eigentümer dazu, die Wohnung „verkommen“ zu lassen.

So geht die Politik geht gegen Leerstand vor

Mit Hinblick auf den enormen – und stetig wachsenden – Wohnungsmangel in Deutschland ergibt sich die Frage: Wieso greift die Politik nicht ein? Leer stehende Wohnungen stellen ein Problem für die Gemeinheit dar; schließlich müssen die Eigentümer irgendwo wohnen – und „besetzen“ damit den bereits knapp bemessenen Wohnraum doppelt.

Die Antwort darauf: In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az.: VIII ZR 93/10) wurde entschieden, dass es dem Mieter selbst überlassen bleibt, „wo er seinen Lebensmittelpunkt begründet“. Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund (DMB) sagt dazu: „Ich darf dort (in der Wohnung) alles machen, was mit Wohnen zu tun hat. Auch Nicht-Wohnen.“ Die einzige Voraussetzung, um dieses Mietrecht beizubehalten ist, wenig überraschend, dass die Miete weiterhin zuverlässig gezahlt werden muss.

Das bedeutet aber nicht, dass Leerstand – sowohl von Städten als auch von Individuen – einfach so hingenommen wird. 2016 enteignet das Bezirksamt Hamburg einen Immobilienbesitzer, der sich seit Jahren weigert, die sechs leer stehenden Wohnung in seinem Haus zu vermieten. Zuvor verhängte Strafen im Wert von insgesamt 18.000 Euro wurden vom Eigentümer ignoriert.

In diesem Fall wurde zum ersten Mal das 2013 angepasste Hamburger Wohnraumschutzgesetz (HmWoSchG) angewendet. Dieses setzte einen Treuhänder „zur Wiederherstellung des Wohnraums für Wohnzwecke“ ein und erzwang so eine Vermietung, sowie notwendige Renovierungsarbeiten am Objekt. Die Stadt Hamburg setzt sich darüber hinaus für eine Entspannung des Wohnungsmarktes ein. Der Paragraph 9 des HmWoSchG besagt, dass eine Wohnung, die vier Monate lang ohne Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten leer steht unter dem Gebot der „Zweckentfremdung“ enteignet werden darf.

Landau in der Pfalz führt 2023 eine Leerstandsteuer für verfallene Immobilien ein. Die Stadt geht davon aus, dass aktuell zwischen 500 und 1.000 Wohnungen im Stadtgebiet leer stehen – dagegen wird nun strikt vorgegangen. Die neue Satzung, die im Januar 2024 für fünf Jahre in Kraft tritt, verbietet einen Leerstand von mehr als sechs Monaten – diese gilt auch für jene, die ihre Wohnungen in Landau für Ferien und Freizeit verwenden. Eine Verlängerung der Frist ist nur mit einer expliziten Genehmigung möglich.

Wie kann Leerstand vermieden werden?

2024 lohnt sich Leerstand für niemanden mehr. Eigentümer, die es darauf ankommen lassen, zahlen hohe Strafen oder riskieren, dass ihre Immobilie enteignet wird. Der bereits bis zum Reißen angespannte Wohnungsmarkt in Deutschland kann sich Leerstand schlichtweg nicht leisten.

Umso wichtiger ist es, brauchbaren Wohnraum zu schützen und zu pflegen.

Zustand

Die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Immobilie ist auf der Seite des Eigentümers. Der Zustand der Immobilie ist der hervorstechende Grund für langfristigen Leerstand. Deswegen sind regelmäßige Arbeiten am Objekt unabdingbar. Diese Arbeiten sind kostspielig, keine Frage, aber es gibt staatliche geförderte Programme, welche diese Kosten reduzieren, zum Beispiel durch die Unterstützung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Ausstattung

Auch wenn ein Vermieter in der Regel keine Küche zur Verfügung stellen muss, so ist es empfehlenswert. Schließlich braucht jeder Mieter braucht eine Küche. Natürlich können auch nur die notwendigen Anschlüsse und der Raum zur Verfügung gestellt werden. Doch die Zusatzarbeit – und die Kosten – die hier auf den Mieter zukommt, macht das Objekt weniger attraktiv. Wer sich über Abnutzungen der Küchengeräte sorgt, kann eine explizite Behandlungsklausel in den Mietvertrag integrieren. So wird der Wert der Geräte und der Wohnung auch nach langfristiger Benutzung nicht geschmälert.

Mietrahmen

Vermietung raubt Zeit und Nerven. Insbesondere mit der Sorge von Leerstrand im Nacken lohnt sich die Zusammenarbeit mit einem Makler. Dieser kennt den Markt nicht nur bestens, sondern versteht es auch, die Immobilie bestens in Szene zu setzen. So kann sich der Eigentümer entspannt zurückziehen.

Kampf gegen den Leerstand

Bauministerin Klara Geywitz (SPD) kündigt an, 2024 Leerstand bundesweit in Angriff zu nehmen. Insbesondere abseits von Ballungsgebieten sollen Lösungen gefunden werden, um Leerstand einzudämmen. Um das zu schaffen, muss der Staat mit Eigentümern zusammenarbeiten – Wege finden, um Sanierungen zu erleichtern und untragbare Geldgier zu bestrafen. Die aktuelle Prognose erwartet, dass die Leerstandsquote weiterhin steigt. Ob Maßnahmen wie Leerstandssteuern und die gezielte Enteignung von Objekten zu Erleichterung führen, bleibt abzuwarten.


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