Wirtschaft

Scholz' baldige China-Reise: Wirtschaftshoffnungen im Schatten geopolitischer Spannungen

Bundeskanzler Olaf Scholz soll bald nach China reisen, konfrontiert mit Unternehmensklagen über Marktzugang und der Angst vor geopolitischer Eskalation.
05.04.2024 15:21
Aktualisiert: 05.04.2024 15:21
Lesezeit: 3 min
Scholz' baldige China-Reise: Wirtschaftshoffnungen im Schatten geopolitischer Spannungen
Xi Jinping (rechts), Präsident von China, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der "Großen Halle des Volkes" (Archivbild) in Peking: Bundeskanzler Scholz soll auf seiner baldigen Reise Firmensorgen und politische Spannungen ins Gepäck packen (Foto: picture alliance/dpa). Foto: Kay Nietfeld

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz Ende kommender Woche mit einer Wirtschaftsdelegation nach China reist, hat er auch die Sorgen der Firmen im Gepäck. Denn so sehr die chinesische Seite derzeit im Ringen um ausländische Investitionen freundliche Signale an die Europäer sendet und so sehr deutsche Firmen weiter am China-Geschäft interessiert sind - die Liste der Klagen ist lang. Sie reicht nach Aussagen von Wirtschaftsvertretern gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters mittlerweile von Marktzugangsbeschränkungen in China über rechtliche Unsicherheit, die Sorge vor einer politischen Eskalation um Taiwan bis zum Vorwurf des unfairen Wettbewerbs auf Drittmärkten.

Gerade deshalb sei es gut, dass der Kanzler nun nach China reise, sagt etwa Daniel Marek, Vorstandsmitglied der German Asia-Pacific Business Association (Ostasiatischer Verein/OAV), zu Reuters. In der Wirtschaftsdelegation sind nach Reuters-Informationen unter anderem die Chefs großer Konzerne wie Siemens, Bayer, Mercedes, BMW, Merck, DHL, ThyssenKrupp sowie des schwäbischen Anlagenbauers Voith dabei. „Als wichtigster Handelspartner ist China ein bedeutender Lieferant für viele Vorprodukte und Rohstoffe, aber auch ein wichtiger Absatzmarkt für deutsche Produkte“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben, zu Reuters.

Geopolitische Sorgen führen zu lokaler Produktion

Doch ein Unsicherheitsfaktor für die Unternehmen sind die geopolitische Lage und etwa die Spannungen zwischen China und den USA. „Die deutschen Unternehmen betrachten den weltweit zunehmenden Protektionismus mit großer Sorge“, warnt Wansleben mit Blick auf eine Fragmentierung der Weltwirtschaft. In China sorgten sich mit 71 Prozent weit überdurchschnittlich viele deutsche Unternehmen darum. „In keinem anderen Land wird dieses Risiko annähernd so oft genannt“, fügt er hinzu. Hintergrund sind Befürchtungen, dass China sich das als abtrünnige Provinz angesehene Taiwan gewaltsam einverleiben und damit eine weltweite Sanktionspolitik auslösen könnte.

„Die deutschen Unternehmen betreiben bereits seit geraumer Zeit ein verstärktes Risikomanagement“, betont der DIHK-Hauptgeschäftsführer deshalb. Zum einen werde das Geschäft noch stärker lokalisiert, also zum Beispiel in China für den chinesischen Markt produziert. „Im Fall einer Eskalation kann man den Markt von dort aus weiter bedienen.“ Zum anderen würden sich viele Betriebe nach anderen Beschaffungs- und Absatzmärkten außerhalb Chinas umschauen und dort investieren.

Genau diese verstärkte lokale Produktion in China ist laut einer neuen Anlayse der Commerzbank Research der entscheidende Grund, wieso die deutschen Exporte nach China zuletzt gefallen sind. Trotz der Strategie des „de-risking“ sind deshalb auch die Investitionen einiger Unternehmen in China jüngst gewachsen.

„Es gibt keine Gleichbehandlung“

Aber auch unterhalb der geopolitischen Ebene gibt es erhebliche Kritik. „Solange im chinesischen Recht - anders als etwa in Deutschland - zwischen ausländischen und chinesischen Firmen unterschieden wird, kann es keine wirkliche Gleichbehandlung geben,“ sagt Ulrich Ackermann, Außenwirtschaftschef des Maschinenbauverbands VDMA, zu Reuters.

Politische Einflussnahme könne es jederzeit geben. Ganze Marktsegmente könnten wegbrechen, wenn die Führung in Peking einheimischen Firmen das Geschäft zuschieben wolle. „Der Kanzler sollte schon gegenüber China einfordern, dass das zugesagte 'Level Playing Field' für Firmen jetzt wirklich eingehalten wird“, mahnt OAV-Vorstand Marek.

Angst vor Chinas Überkapazitäten

Dazu kommt angesichts der Schwäche der chinesischen Inlandsnachfrage, dass China Güter ins Ausland umlenkt. Die EU-Kommission hat gerade ein Anti-Dumping Verfahren gegen die chinesische Solarindustrie eingeleitet. „China versucht Überkapazitäten auf Weltmärkte zu drücken - mit Subventionen bis hinunter auf die Städteebene“, sagte VDMA-Vertreter Ackermann. US-Finanzministerin Janet Yellen äußerte bei ihrem Besuch in China ebenfalls Sorgen über die umstrittene Exportoffensive.

Zwar seien Exportüberschüsse nicht automatisch „Überkapazitäten“, heißt es warnend in deutschen Wirtschaftskreisen. Aber wo Subventionen der Grund für konkurrenzlos billige Preise chinesischer Anbieter seien wie etwa im Eisenbahn- oder Solarsektor, müssten diese beendet werden. Falls China nicht einlenke, sei es „völlig in Ordnung“, wenn die EU sich wehre, etwa mit Anti-Dumping-Maßnahmen.

Mehr informelle Hemmnisse

Der Diebstahl geistigen Eigentums oder die für ausländische Firmen schwer überschaubare Patentflut gelten weiter als Probleme auf dem chinesischen Markt. Aber es gibt auch neue Phänomene: So sei die chinesische Seite bei der Abschottung des Marktes fintenreicher geworden, verlautet aus den Kreisen weiter. „Tatsächlich hat China in den vergangenen 15 bis 20 Jahren wie versprochen viele formale Zugangsbarrieren abgebaut“, betont ein Wirtschaftsvertreter, der namentlich nicht genannt werden will. Die Negativliste für Bereiche, in denen ausländische Firmen aktiv werden dürfen, ist etwa deutlich geschrumpft. „Aber gleichzeitig nehmen informelle Marktzugangshemmnisse zu.“

So klagen deutsche Firmen über „buy chinese“-Aufforderungen an örtliche und regionale Behörden. Probleme gibt es verstärkt bei der Produktzulassung: Diese werde teilweise verschleppt, um chinesischen Konkurrenten einen Vorsprung zu geben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Monopol auf Seltene Erden wankt – doch der Westen zahlt den Preis
31.05.2025

China kontrolliert die Welt der Seltenen Erden – und lässt Konkurrenz nur zu ihren Bedingungen zu. Neue Minen entstehen, doch ihre...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fetter Profit in Sicht – oder frisst Trump Novo Nordisk auf?
30.05.2025

Novo Nordisk träumt von einer Gewinnverdopplung mit Abnehmspritzen – doch Billigkopien, Trump-Zölle und eine wacklige Pipeline könnten...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche Urlauber auf Platz eins in Griechenland
30.05.2025

Sonne satt, blauer Himmel, Strand und Meer - deutsche Touristen lieben Griechenland. Für Hellas sind sie die größte und wichtigste...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Osttechnik unter Westregie: Wie Multicar im Hako-Verbund zur Hightech-Marke wurde
30.05.2025

Sie fegen, sie wischen, sie räumen: Die orangefarbenen Mini-Lkw von Multicar sind aus deutschen Kommunen kaum wegzudenken. Dass sie heute...

DWN
Politik
Politik Deutschland vor dem Absturz – Kann Merz die Wirtschaft noch retten?
30.05.2025

Die deutsche Wirtschaft taumelt – Investitionen versanden in Bürokratie, Fachkräfte fehlen, die Industrie verliert an Schlagkraft....