Politik

Deutschlands Kliniken vor dem Umbau: Lauterbach erwartet Dynamik ab Herbst

Lesezeit: 3 min
11.04.2024 17:23  Aktualisiert: 11.04.2024 17:23
Die Krankenhauslandschaft in Deutschland soll umgebaut werden. Im Mai soll es mit Online-Infos zu jeder Klinik losgehen. Doch die große Reform ist noch nicht beschlossen - nicht alle sind mit den Plänen Karl Lauterbachs zufrieden.
Deutschlands Kliniken vor dem Umbau: Lauterbach erwartet Dynamik ab Herbst
Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, gibt am Rande der Spitzengespräche zur geplanten Krankenhausreform eine Pressekonferenz in seinem Ministerium. (Foto: dpa)
Foto: Kay Nietfeld

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Patienten bekommen es laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ab Herbst 2024 schrittweise mit einer deutlich spezialisierteren Kliniklandschaft in Deutschland zu tun. Dann werde es eine „starke Dynamik" geben, sagte Lauterbach jetzt in Berlin. Lauterbach äußerte sich zum Auftakt einer Reihe von Gesprächen zur geplanten Klinikreform mit kommunalen Spitzenverbänden, Selbstverwaltung und Ländern. Der Minister zeigte sich zuversichtlich, dass der Zeitplan für das gesundheitspolitische Großprojekt gehalten werde.

Ab Mai: Per Klick zur Klinik

Ab Mai könnten Versicherte mit dem neuen Online-Klinik-Atlas recherchieren, welcher Eingriff in ihrer jeweiligen Region in welcher Klinik wie häufig vorgenommen werde. Über Komplikationsraten werde dort in einem nächsten Schritt informiert, so Lauterbach. Der Bundesrat hatte das entsprechende Gesetz zum Aufbau eines staatlichen Online-Atlas im März passieren lassen. Das neue „Transparenzverzeichnis" soll als interaktives Portal verständlich über das jeweilige Angebot an den gut 1700 Kliniken in Deutschland Auskunft geben.

Im April: Klinikreform auf Zielgeraden

Die eigentliche Klinikreform will Lauterbach möglichst am 24. April durchs Bundeskabinett bringen. In der aktuell laufenden Abstimmung innerhalb der Regierung gehe es noch um „sehr viele juristische Punkte", die bei dieser großen Reform geprüft werden müssten. Für 17. April ist noch einmal ein Bund-Länder-Treffen zu dem Projekt geplant. Die Länder hatten zuletzt Klarheit für ihre Klinik-Planungen angemahnt. Das Gesetz für den Online-Klinik-Atlas hatte der Bundesrat erst im zweiten Anlauf durchgehen lassen, nachdem er es zunächst in den Vermittlungsausschuss mit dem Parlament geschickt hatte.

„Der Bundesgesundheitsminister läuft Gefahr, die Krankenhausreform mit vollem Tempo an die Wand zu fahren", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Brysch kritisierte, dass Lauterbach an heute fehlender Koordination zwischen Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern in den Kliniken nichts ändern wolle. Einzelne Länder hingegen forderten vor allem mehr Geld vom Bund noch in diesem Jahr.

Weiteres frisches Geld sieht Lauterbach im Moment aber nicht als nötig an, um ungeordnetes Kliniksterben abzuwenden. „Wir werden kein dramatisches Krankenhaussterben bekommen." Vergangenes Jahr habe es 33 Insolvenzverfahren gegeben. Sieben von 1720 Kliniken hätten schließen müssen. Unterm Strich gebe es nach wie vor deutlich zu viele Krankenhäuser. Für sie fehle längerfristig Personal und Geld. Diese Kliniken seien aber auch nicht dauerhaft alle nötig. Ein rasches Kliniksterben hingegen werde durch jüngst beschlossene Milliardenhilfen und Refinanzierung von Lohnsteigerungen verhindert. Insgesamt sei ein Rückbau aber nötig, so Lauterbach. Zu diesem werde es kommen.

Ab Herbst 2024: Mehr Klinik-Transparenz

Noch im laufenden Jahr bekommen die Länder laut Lauterbach ein neues Instrument für die Krankenhausplanung, und zwar zur Folgenabschätzung. Abgeschätzt werden sollen beispielsweise die Folgen, wenn an bestimmten Häuser einzelne Leistungsangebote gestrichen werden. Dafür sei Deutschland in 84.000 Zellen je 1000 Einwohner eingeteilt worden. Ein Beispiel: Damit könne etwa geprüft werden, wie viele Häuser in einer Region Wirbelsäulenchirurgie anböten, wo das für die Sicherstellung der Versorgung nötig sei - und ob ein Wegfall dieses Angebots in vertretbarer Entfernung ausgeglichen wird.

Lauterbachs Erwartungen sind hoch: Mit den neuen Informationen über das gesamte Spektrum der Leistungen der Krankenhäuser - sortiert nach sogenannten Leistungsgruppen - gebe es ab Herbst „eine Riesentransparenz". Bisher sei das Krankenhaussystem in Deutschland im Blindflug gefahren worden - für rund 90 Milliarden Euro Behandlungskosten pro Jahr. Nun werde es erstmals Planung aufgrund solider Daten geben. Länder, Kommunen, Träger könnten sehen, wo sich Investition oder Kooperation lohnten oder wo auf Angeboten verzichtet werden sollte. „Wir werden einen drastischen Umbau sehen."

Konzentration komplizierter Therapien

Ziel dahinter seien „Strukturverbesserungen", sagte Lauterbach. „Die Hälfte der Krankenhäuser in Deutschland hat weniger als 150 Betten." Kleinere Häuser würden - wo nötig - durch ein geändertes Finanzierungssystem am Netz gehalten. Spitzenmedizin könne es hier nur zum Beispiel für kleinere chirurgische Eingriffe, innere Medizin, Geburtshilfe oder Notfallversorgung geben - aber nicht für komplizierte Krebsmedizin. Bei komplexen planbaren Eingriffen wird es den Plänen zufolge viel mehr Konzentration geben.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
22.12.2024

Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...