Vielleicht kommt Ihnen diese Situation bekannt vor – Sie haben einen gewissen Geldbetrag über und wollen diesen möglichst rentabel an der Börse investieren. Nach einiger Zeit von der Recherche bemerken Sie aber, dass das schwieriger ist als gedacht. Schuld daran sind oft die vielen sich bietenden Möglichkeiten, die wiederum einhergehen mit unterschiedlichen Chancen und Risiken. Ihnen fällt auf, dass eine Strategie her muss, die Ihre individuellen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Doch welche Herangehensweisen kommen dabei infrage?
Die bekannten Anlagestrategien im Überblick
Buy-and-Hold: Inspiriert von Börsenlegende Warren Buffett erfreut sich die Buy-and-Hold-Strategie auch heute noch großer Beliebtheit vorrangig unter langfristig ausgerichteten Investoren. Im Kern geht es bei ihr um die Ermittlung des sogenannten inneren Wertes einer Aktie. Die in Betracht gezogenen Unternehmen müssen hohe Qualitätsanforderungen erfüllen. Gekauft wird, wenn das Wertpapier unterbewertet ist. Zu einem Verkauf kommt es, sobald eine Überbewertung vorliegt. Das Timing für den Ein- oder Ausstieg in eine Investition spielt bei Anhängern dieser Herangehensweise keine große Rolle, da die kurzfristigen Kursschwankungen ihrer Ansicht nach ohnehin nicht prognostiziert werden können und der Anlagehorizont teilweise auf mehrere Jahrzehnte ausgelegt ist. Damit der Zinseszinseffekt bestmöglich genutzt werden kann, reinvestieren viele Buy-and-Hold-Verfechter erhaltene Dividenden konsequent in ihre Anlagen.
Für wen sich Buy-and-Hold eignet: Dieser Ansatz sollte insbesondere dann in die Überlegungen zur Wahl einer passenden Anlagestrategie einbezogen werden, wenn der kontinuierliche Vermögensaufbau im Fokus steht. Dies ist zum Beispiel im Zusammenhang mit der persönlichen Altersvorsorge oder der Finanzierung der Ausbildung für die Kinder der Fall. Da Zeit bei Buy-and-Hold eine wichtige Komponente darstellt, können gerade junge Anleger profitieren. Auch Investoren, die zwar die Chance auf überdurchschnittliche Renditen haben wollen, ohne sich dafür täglich mit den Märkten zu beschäftigen, sind bei Buy-and-Hold gut aufgehoben.
Growth: Wem Rendite bei der Geldanlage wichtiger als Sicherheit ist, sollte sich die Growth-Strategie einmal näher ansehen. Dieser Ansatz rückt die Wachstumsaussichten eines Unternehmens in den Vordergrund. Fundamentale Kennzahlen wie der Gewinn oder eine hohe Eigenkapitalquote sind für Growth-Investoren nachrangig. Da hier wie erwähnt die Zukunftserwartungen im Fokus stehen, können Unternehmen mitunter sehr hohe Kurs-Gewinn- beziehungsweise Kurs-Buchwert-Verhältnisse aufweisen und objektiv zu hoch bewertet erscheinen. Um herauszufinden, welche Aktien ein hohes Wachstumspotenzial haben, sehen sich Anwender der Growth-Strategie oftmals die vergangene Entwicklung des Unternehmens an. Hierbei werden unter anderem die Umsätze im Zeitverlauf betrachtet. Eine wichtige Aufgabe kommt darüber hinaus der Beurteilung des Geschäftsmodells sowie dessen Innovationskraft zu. Schließlich geht es bei diesem Ansatz darum, Unternehmen zu identifizieren, die künftig zu den Gewinnern am Markt gehören.
Für wen sich Growth eignet: Das Risiko ist bei Growth-Strategien nicht zu unterschätzen. Vor allem, wenn sich Erwartungen nicht oder nur unzureichend erfüllen, hat dies oftmals Verluste für die Aktionäre eines Unternehmens zur Folge. Dieser Ansatz sollte also grundsätzlich nur von erfahreneren Anlegern verfolgt werden, die zudem eine hohe Risikotoleranz mitbringen. Für den langfristigen und stetigen Vermögensaufbau ist die zuvor beschriebene Buy-and-Hold-Strategie vielversprechender. Als Renditeturbo kann aber ein Teil des für Investments vorgesehenen Kapitals auch in Growth-Aktien angelegt werden.
Dividenden: Steht nicht die Entwicklung des Kurses, sondern vielmehr die Dividende eines Unternehmens im Mittelpunkt, handelt es sich um eine Dividendenstrategie. Dabei werden von den Investoren gezielt solche Firmen gesucht, die einen großen Teil ihres Gewinns an die Aktionäre ausschütten beziehungsweise die eine hohe Dividendenrendite vorweisen. Solche Firmen haben meist eine starke Marktmacht und gelten als wirtschaftlich sehr solide. Manchmal ist auch von den sogenannten Dividenden Aristokraten die Rede. Das sind Unternehmen, die ihre Dividenden über viele Jahre stetig gesteigert haben. Beispiele sind hier der Getränkehersteller Coca-Cola, die Fast-Food-Kette McDonald’s, Exxon Mobil oder der Pharmariese Eli Lilly zu nennen. Mittlerweile gibt es auch spezielle ETFs, die aus solchen Dividenden-Aristokraten bestehen und deren Wertentwicklung nachbilden.
Für wen sich Dividenden eignen: Die Anwendung einer dividendenbasierten Strategie kann dann Sinn machen, wenn Anleger bereit sind, sich aktiv mit der Auswahl von Aktien zu beschäftigen. Das wiederum beansprucht mitunter viel Zeit. Damit mit dieser Herangehensweise eine nennenswerte Rendite erzielt werden kann, ist außerdem eine vergleichsweise hohe Anfangsinvestition vonnöten. Da es selbst bei Dividenden Aristokraten nie eine hundertprozentige Garantie für zukünftige Ausschüttungen gibt, ist auch dieser Ansatz mit einem gewissen Risiko behaftet. Als Maßnahme für einen regelmäßigen Cashflow ist die Dividenden Strategie durchaus passend.
Size: Blue Chips, also große börsennotierte Konzerne wie etwa Apple oder Microsoft, stehen im Zentrum der Size-Strategie. Anleger setzen dabei darauf, dass solche Unternehmen an der Börse aufgrund ihrer konstant hohen Erträge nur geringen Kursschwankungen unterliegen und das Investment somit einen insgesamt stabilen Wert beibehält. Die Corona-Pandemie hat allerdings gezeigt, dass auch Blue Chips in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten deutlich an Wert verlieren können. Gleichzeitig waren sie es auch, die nach einer solchen Talfahrt besonders schnell zu alter Stärke zurückgefunden haben. Positiv an der Size-Strategie sind zudem die Dividenden, die vor allem von großen etablierten Konzernen in regelmäßigen Abständen gezahlt werden. Eine Garantie sowohl für die zügigen Erholungen nach Krisen als auch für ausgeschüttete Dividenden gibt es für Investoren jedoch nicht.
Für wen sich Size eignet: Sicherheitsbewusste Anleger dürften sich bei diesem Ansatz wohl fühlen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Kursschwankungen bei Blue Chips geringer ausfallen als bei vielen kleineren Unternehmen. Des Weiteren greifen institutionelle Investoren für ihre Fonds ebenfalls häufig auf große multinationale Konzerne zurück und behalten diese Positionen auch in schwierigen Zeiten bei. Negativ angemerkt werden muss jedoch, dass das Wertsteigerungspotenzial und die Wachstumsaussichten bei Firmen wie Coca-Cola oder Allianz begrenzt sind. Anleger, die stärker auf Rendite achten, sind demnach beispielsweise beim oben beschriebenen Growth-Ansatz besser aufgehoben.
Weitere Anlagestrategien in der Übersicht
Neben den bereits vorgestellten Herangehensweisen existieren noch jede Menge anderer Ansätze, die zwar auch bekannt, unter Investoren aber weniger verbreitet als die vorgenannten sind. Exemplarisch dafür sollen nachfolgend die Smart-Beta-Strategie sowie die Low-Volatility-Strategie beleuchtet werden.
Smart-Beta: Als Alternative zwischen klassischen passiven Indexfonds und aktiv gemanagten Fonds haben sich mittlerweile Smart-Beta-ETFs etabliert. Sie sollten die Vorteile beider Welten in einem kombinieren, also die niedrigen Gebühren herkömmlicher ETFs einerseits und die angestrebte Überrendite aktiv gemanagter Fonds andererseits. Zur Erreichung des ersten Ziels, der geringen Kosten, wird bei Smart-Beta-ETFs auf einen Fondsmanager verzichtet. Damit eine höhere Rendite als bei Standard-ETFs realisiert werden kann, bedienen sich die Smart-Beta-Varianten einer ganzen Reihe von unterschiedlichen Strategien. Bekannt sind dabei vor allem:
- Gleichgewichtung: Hierbei sollten alle Unternehmen eines Indizes, unabhängig von ihrer Marktkapitalisierung, zu gleichen Teilen erworben werden. Große Konzerne sind damit im Vergleich zum Standard-ETF weniger und kleine Unternehmen dafür stärker berücksichtigt. Die Diversifikation, beispielsweise über verschiedene Branchen, bleibt durch diese Modifikation erhalten.
- Dividenden: Als weitere Möglichkeit erfreuen sich Smart-Beta-ETFs, die dividendenstarke Unternehmen eines Indizes höher gewichten, großer Beliebtheit. Das kann besonders in einem Niedrigzinsumfeld Sinn ergeben. Es muss aber beachtet werden, dass hierdurch auch Klumpenrisiken entstehen können, da einige Branchen wie die Automobilindustrie traditionell höhere Dividenden ausschütten als beispielsweise Technologieunternehmen.
Low-Volatility: Der Grundgedanke hinter Low-Volatility-Strategien besteht darin, Wertpapiere mit unterdurchschnittlichen Wertschwankungen zu erwerben. Diese sollen in schwierigen Phasen weniger an Wert verlieren. Im Gegenzug wird in Kauf genommen, dass die Zuwächse in Aufwärtstrends niedriger als im Marktdurchschnitt ausfallen. Dieser Ansatz spielt insbesondere bei der Risikosteuerung von Gesamtportfolios eine bedeutende Rolle. Auch für Börsenneulinge und konservative Anleger ist es eine Überlegung wert. Gleichzeitig muss bedacht werden, dass auch Low-Volatility-Strategien während der Corona-Pandemie empfindliche Verluste hinnehmen mussten.
Zusätzliche Faktoren bei der Auswahl einer Anlagestrategie
Nicht nur die Investmentansätze an sich, sondern auch die individuellen Rahmenbedingungen der Sparer müssen beachtet werden, wenn es zur Auswahl einer Anlagestrategie kommt. In diesem Zusammenhang sind besonders die untenstehenden Aspekte von Relevanz.
Risikobewusstsein: Im Vorfeld einer Investition zu wissen, wie risikofreudig oder risikoavers man ist, kann enorm wichtig werden. Gerade dann, wenn sich eine Anlage anders entwickelt als erwartet, kommt es darauf an, die Nerven zu behalten und keine unüberlegten Entscheidungen zu treffen. Das persönliche Risikobewusstsein lässt sich beispielsweise anhand von standardisierten Fragenkatalogen einschätzen, wie sie regelmäßig auch von Anlageberatern genutzt werden.
Zieldefinition: Ein regelbasiertes Vorgehen bei der Geldanlage ist gut, gleichzeitig sollte aber auch klar sein, was man mit den Investments erreichen möchte. Sollen die Kapitalerträge vielleicht für die Altersvorsorge oder die Ausbildung der Kinder herangezogen werden? Nur wenn das Ziel feststeht, kann auch die Strategie danach ausgerichtet beziehungsweise gegebenenfalls dahingehend geändert werden.
Finanzielle Situation: Abschließend wohl eine der wichtigsten Fragen überhaupt. Kann man es sich leisten, Geld anzulegen oder stehen unmittelbare finanzielle Verpflichtungen dem entgegen? Bevor investiert und in diesem Kontext eine Strategie gewählt wird, müssen zuerst bestehende Schulden getilgt werden. Grundsätzlich sollte immer nur der finanzielle Überschuss angelegt werden.