Finanzen

Goldrausch: Warum der Goldpreis immer weiter steigt und deutsche Anleger ausgerechnet jetzt verkaufen

Lesezeit: 4 min
19.03.2024 16:01
Der Goldpreis eilt von einem Rekordhoch zum nächsten – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo die Zinsen besonders hoch sind. Ebenfalls mysteriös: Deutsche Anleger beteiligen sich nicht am Kaufrausch, sondern verkaufen zunehmend ihre Gold-Bestände.
Goldrausch: Warum der Goldpreis immer weiter steigt und deutsche Anleger ausgerechnet jetzt verkaufen
Goldanleger sind aktuell im Kaufrausch, das gelbe Edelmetall steckt in einem waschechten Bullenmarkt. (Bild: iStock.com, Beautifulblossom)
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Goldrausch: Der Goldpreis ist im Höhenflug und eilt von Rekord zu Rekord. Zurzeit notiert das gelbe Edelmetall bei um die 2160 Dollar je Feinunzen (rund 31,1 Gramm). Das ist etwas niedriger als der letzte Woche im Tagesverlauf markierte Höchstpreis von 2195 Dollar. „Die Goldpreise haben zumindest mal die Pausentaste gedrückt“, kommentierten Experten der Postbank.

Schon seit mehreren Wochen geht es mit dem Goldpreis steil nach oben. Seit Mitte Februar steht ein Plus von knapp 10 Prozent zu Buche. Befeuert wird die Goldrally von Spekulationen auf Zinssenkungen der Notenbanken im laufenden Jahr. Da eine Anlage in Gold keine Rendite im Sinne von laufenden Erträge abwirft, erhöhen fallende Kapitalmarktzinsen die Goldnachfrage.

Das gelbe Edelmetall erwies sich dabei im letzten Jahr trotz steigender Zinsen als überraschend stabil. Weil bei hohen Zinsen die Opportunitätskosten des Haltens von Gold sehr viel höher sind als bei niedrigen Zinsen, muss Gold in jedem Zinserhöhungszyklus federn lassen. Das war diesmal nicht anders – mit Tiefstpreisen bei 1630 Dollar im Herbst 2022. Eigentlich war zu erwarten, dass das Edelmetall länger auf diesem Niveau verharrt, aber 2023 wurde ein äußerst starkes Jahr für Gold. Und 2024 setzt sich der Aufwärtstrend bislang explosiv fort.

Zentralbanken und Safe-Haven-Käufe stützen Goldpreis

Die Zinspolitik in den USA ist entscheidend für den Goldpreis. Nach einer Reihe von enttäuschenden Konjunkturdaten und angesichts der weiter rückläufigen PCE-Inflation verstärkt sich die Spekulation auf baldige Zinssenkungen durch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Außerdem verdichteten sich zuletzt Hinweise, dass auch die Europäische Zentralbank im Juni die Zinsen wieder senken dürfte. Die EZB hat angekündigt, die Spanne zwischen dem Einlagenzins von 4,0 Prozent und dem Hauptrefinanzierungssatz (Leitzins) von 4,5 Prozent von 50 auf 15 Basispunkte senken zu wollen. Dies soll binnen sechs Monaten geschehen und impliziert eine baldige Leitzins-Senkung.

Die Erwartungen an kommende Zinssenkungen sind aktuell der wichtigste, aber nicht der einzige Preistreiber. So war etwa die Nachfrage der Zentralbanken im vergangenen Jahr wieder sehr hoch und erreichte laut dem Branchenverband „World Gold Council“ (WGC) mit netto 1.037 Tonnen beinahe das im Jahr 2022 markierte Rekordvolumen von 1.082 Tonnen. Dieser Trend setzt sich im laufenden Jahr fort, im Januar kamen 39 Tonnen hinzu.

„Die Zentralbanken - und besonders die chinesische Zentralbank - waren auch zu Jahresbeginn auf der Käuferseite“, sagt Alexander Zumpfe vom Edelmetallhändler Heraeus. Die größten Käufer unter den Zentralbanken waren in absteigender Reihenfolge die Türkei (12 Tonnen), China (10 Tonnen) und Indien (9 Tonnen). Die chinesische Notenbank kaufte auch im Februar mit 11 Tonnen kräftig zu.

Der Goldschmuck-Bedarf blieb 2023 hingegen konstant mit weltweit rund 2.100 Tonnen. Zuletzt war die hier die Nachfrage aus China wieder massiv angestiegen. Auch die Investment-Nachfrage im Reich der Mitte ist stark. Chinesen haben im Januar und Febraur große Mengen des Edelmetalls aus Hongkong importiert.

Ein weiterer bedeutender Faktor ist denn auch die starke geopolitische Nachfrage durch Privatanleger. Gold hat einen Ruf als Inflationsschutz und sicherer Hafen in wirtschaftlichen und politischen Krisenzeiten. Die Dauerkonflikte in der Ukraine und im Gaza-Streifen sorgten in den letzten Monaten für kontinuierliche Goldkäufe durch verunsicherte Anleger.

Deutsche Anleger werden zu Goldverkäufern

Nach Einschätzung von Heraeus profitiert Gold auch von einer euphorischen „Kauf-Alles“-Stimmung an den Finanzmärkten. „Rekordhochs sowohl bei defensiven (Gold) als auch spekulativen (Aktien/ Krypto) Vermögenswerten deuten darauf hin, dass die Goldpreis-Rallye nicht einfach nur das Ergebnis einer Stimmung ist, die gestiegene Risiken reflektiert“, heißt es in einem Marktbericht des Edelmetallhauses. Zudem dürfte das Anlagephänomen „FOMO“ (Fear of Missing Out), also die Angst vor entgangenen zukünftigen Kursgewinnen, eine Rolle spielen.

Bei Gold-ETFs zeigt sich allerdings kein Bullenmarkt. Seit mehr als einem Jahr verlieren goldgedeckte ETFs netto Anlegergeld – im Februar gemäß Zahlen von WGC minus 2,9 Milliarden Dollar. Normalerweise kommt es in einer Rally zu deutlichen Zuflüssen.

Ebenfalls mysteriös: Deutsche Anleger haben ihre Gold-Investitionen 2023 drastisch zurückgefahren und scheinen Anfang 2024 sogar netto Gold abzustoßen. Deutschland gilt als das Land der Goldanleger schlechthin. Aber in letzter Zeit waren die Deutschen mehrheitlich auf der Verkäuferseite. „Die Verkäufer dominieren jetzt den Markt“, berichtet Benjamin Summa vom Goldhandelsunternehmen Pro Aurum gegenüber der FAZ. Und Degussa-Chef Christian Rauch sagt: „Wir haben selten so viel Altgold angekauft wie in den letzten Wochen und Monaten.“

Mögliche Erklärungen gibt es viele: Zum Beispiel notwendige Liquidität für die teuren Immobilien-Sanierungen, die jetzt auf viele Bürger zukommen. Zudem haben sich deutsche Anleger 2022 zu mitunter deutlich günstigeren Preisen massiv mit Gold eingedeckt – der Bedarf nach weiteren Käufen zu Rekordpreisen könnte so überschaubar sein, dass letztlich die Verkäufe überwiegen. Und zum gegenwärtigen Zeitpunkt können antizyklische Gewinnmitnahmen durchaus Sinn machen. Nach einem Jahr Haltedauer sind Verkaufsgewinne bei Gold steuerfrei.

Wer hat Recht: Die Goldbullen oder die Skeptiker?

Wie üblich, haben die Großbanken ihre Goldprognosen an die jüngsten Entwicklungen angepasst und sehen den Unzenpreis im Jahresverlauf zwischen 2.200 und 2.500 Dollar.

Rohstoffexpertin Thu Lan Nguyen von der Commerzbank rechnet auf längere Sicht nicht mit einem deutlichen Rückfall des Goldpreises, auch wenn sie kurzfristige Gewinnmitnahmen nach der Rekordjagd nicht ausschließt. Das Aufwärtspotential sei aber begrenzt. „Wir heben unsere Goldpreisprognose für Ende dieses Jahres und Ende nächsten Jahres daher nur von 2100 Dollar je Feinunze auf 2200 Dollar an.“

Warnende Worte gibt es von Barclays. Für deren Aktien- und Derivate-Analysten Stefano Pascale ist die jüngste Goldrally eine der größten Aufwärtsbewegungen in den letzten 50 Jahren der Historie des gelben Edelmetalls, wie er in einem Interview mit Yahoo Finance ausführt. Die Beharrlichkeit und Stärke der Hausse sei beeindruckend. Aber Pascale zufolge manifestiert sich darin auch ein hohes Volumen an „Short Coverings“ (Glattstellung von Leerverkaufs-Positionen am Terminmarkt) durch Fonds und Spekulanten.

Außerdem sei ein Goldpreisanstieg von 10 Prozent eine typische Marktreaktion auf die ersten Zinssenkungen der US-Zentralbank. Es ist demnach also möglich, dass der Goldpreis aktuell sozusagen der Zukunft vorausgelaufen ist.

Die Worte des Barclays-Strategen sollten Edelmetall-Anleger aufhorchen lassen. Es prallen momentan zwei Standpunkte aufeinander. Die These der Goldbullen lautet: Wenn sich der Goldpreis in der Hochphase der Zinswende so gut halten konnte, wie wird es dann erst bei erneuten geldpolitischen Lockerungen aussehen? Unterdessen fragen sich die Skeptiker: Wieviel von den Zinssenkungen wurde jetzt schon vorweggenommen und gibt es überhaupt noch Aufwärtspotential?

Ein neuer Megazyklus ist möglich

Der Goldpreis verläuft stets in längeren Zyklen, das muss Goldinvestoren bewusst sein. Ein Blick auf die historischen Bandbreiten ist also wichtig. Das gelbe Edelmetall steckte fast vier Jahre in einer Zone zwischen grob 1.700 und 2.000 Dollar fest. Nun konnte sich Gold fast vier Monate lang über der wichtigen Marke von 2.000 Dollar behaupten.

Experten sind generell zuversichtlich, dass sich der Goldpreis langfristig auf diesem Niveau halten kann. Wir könnten nun am Anfang eines neuen Megazyklus stehen. Die nächste Zielzone läge dann bei um die 2.500 bis 3.000 Dollar. Dafür ist aber ein nachhaltiger Ausbruch aus alten Bandbreiten nötig.

Es ist auch denkbar, dass der Goldpreis auf dem aktuellen Niveau stagniert oder wieder Richtung 2.000 Dollar fällt. Einzig ein noch viel stärkerer Einbruch erscheint uns im gegenwärtigen geld- und geoplitischen Umfeld als sehr unwahrscheinlich.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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