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Kommentar

Iran-Konflikt: Israels mutmaßlicher Angriff und Teherans Machtspiele

Ein möglicher israelischer Luftangriff gegen den Iran kennzeichnet die bisherige Spitze der Eskalation im Nahostkonflikt. Dennoch bleibt das Hauptproblem bestehen. Ein Kommentar.
22.04.2024 14:20
Lesezeit: 4 min
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Iran-Konflikt: Israels mutmaßlicher Angriff und Teherans Machtspiele
Irans Religionsführer, Ali Chamenei, besucht eine Drohnen- und Raketenausstellung (Foto: picture alliance/dpa/AP). Foto: -

Der mutmaßliche Luftschlag Israels gegen den Iran in der vergangenen Woche markiert eine weitere Eskalationsstufe im ohnehin angespannten Verhältnis zwischen beiden Staaten. Obwohl die Führung in Teheran versucht, seine Niederlage gegenüber Israel herunterzuspielen, und nicht weiter reagieren will, lässt sich die erstmalige direkte militärische Konfrontation beider Seiten nicht mehr rückgängig machen.

Der Angriff Israels auf eine Luftwaffenbasis in Isfahan, unweit iranischer Atomanlagen, sendet auch eine klare Botschaft: Israels militärische Schlagkraft geht über die eigenen Grenzen hinaus und kann im Notfall potenziell Atomanlagen sowie andere wichtige Infrastruktur des Regimes treffen.

Forderungen im Inland

Die Mehrheit der Bevölkerung im Iran hat in den vergangenen Jahren ständig bei den Anti-Regime-Protesten durch ihre Parolen signalisiert: Der Staat, wenn es überhaupt noch einer ist, soll sich auf inländische Probleme konzentrieren und die feindseligen Ambitionen sowie das „Widerstand“-Schauspiel gegen Israel in der Region unterlassen. Der historische Konflikt dort kann militärisch nicht gelöst werden.

Viele Menschen im Iran und ihre im Ausland lebenden Verwandten verbrachten die vergangenen Tage unter erheblichem psychischem Druck, geprägt von der Angst vor einem möglichen Krieg.

Die Machthaber in Teheran müssen vor diesem Hintergrund endlich erkennen: Weder der Terror von Organisationen wie der Hamas noch die Waffenlieferungen, die aufgrund von Israels Luftschlägen dagegen massive Verluste für den Iran verursachen, können humane Bedingungen für die Menschen in den palästinensischen Gebieten schaffen.

Trotz der angeblich zurückhaltenden Vergeltungsmaßnahmen Israels steht nun die internationale Gemeinschaft weiterhin unter Druck, auf die zunehmenden Spannungen zu reagieren und einen möglichen Krieg im Nahen Osten zu vermeiden. Politiker aus der EU, den USA, China und sogar Russland versuchen, in ihren Stellungnahmen auf Deeskalation zu setzen. Sie können aber nicht lange ignorieren, dass es sich um ein islamistisches Regime handelt, das weder die Forderungen seiner Bevölkerung noch internationale Appelle zur Unterlassung der Feindschaft gegen Israel ernst nimmt. Dessen Führung hat zudem ein grundsätzliches Problem mit der westlichen Zivilisation und dem jüdischen Staat.

Sobald der internationale Druck auf das Regime wächst, aktivieren die Mullahs ihre Kontakte zu den USA, um durch angebliche Atomverhandlungen die internationale Gemeinschaft zu beschwichtigen. Doch diese überholte Taktik und der Selbstbetrug des Westens bezüglich dieses Regimes im Iran sollten ein Ende finden. Die islamistische Führung hat gelernt, große Krisen zu nutzen, um ihre Macht zu erhalten und zu festigen.

Neuausrichtung in gesetzlichen Maßnahmen

Neben der Eskalation des Konflikts mit Israel verschärft die islamistische Führung die Unterdrückung der Bevölkerung, unter anderem durch eine verstärkte Präsenz der sogenannten Sittenpolizei auf den Straßen.

Die Reaktionen auf diese Entwicklungen, insbesondere aus den USA, deuten derzeit auf Neuigkeiten hin: Angeregt durch die Anliegen der iranisch-amerikanischen Gemeinschaft haben US-Politiker neue Regelungen entwickelt, um das Regime in Teheran sowohl für seine Menschenrechtsverletzungen als auch für seine mangelnde internationale Verantwortlichkeit zur Rechenschaft zu ziehen: Kürzlich haben das Repräsentantenhaus und der Senatsausschuss für Auswärtige Beziehungen in den USA Gesetzesentwürfe auf den Weg gebracht, die auf die Bestrafung der iranischen Machthaber wegen ihrer Menschenrechtsverstöße abzielen: Der „Mahsa Amini Human Rights and Security Accountability Act“ ist nach der jungen Frau benannt, deren mutmaßlicher Totschlag im Gewahrsam der iranischen Sittenpolizei weltweit für Aufsehen sorgte. Es soll führende Politiker und Militärs im Iran direkt zur Rechenschaft ziehen.

Der betreffende Gesetzesentwurf wurde zunächst im September 2023 mit 401 Ja-Stimmen und drei Nein-Stimmen angenommen. Die demokratischen Senatoren des Senatsausschusses für Auswärtige Beziehungen forderten jedoch Änderungen.

Der Beschluss des US-Repräsentantenhauses soll zunächst vom Senat genehmigt und dann vom US-Präsidenten unterzeichnet werden, um in Kraft zu treten.

Zeichen für Gerechtigkeit und Verantwortung

Die neuen Maßnahmen in den USA fokussieren sich auf diejenigen Entscheidungsträger, die für Unterdrückungen und militärische Maßnahmen im Ausland verantwortlich sind. Diese legislativen Schritte sind von internationaler Bedeutung, weil sie das Regime dort treffen sollen, wo es am meisten schmerzt: bei dem Obersten Führer und den internationalen Beziehungen der politischen Führung.

Die harte Unterdrückung von Protesten in Iran, einschließlich Massenverhaftungen und Gewalt gegen Demonstranten, wird im betreffenden Beschluss kritisiert. Das US-Repräsentantenhaus fordert darin die Regierung auf, die iranische Führung für Menschenrechtsverletzungen und den Export von Terrorismus zur Rechenschaft zu ziehen und die Bestrebungen der Bevölkerung nach Grundrechten zu unterstützen.

Die US-Gesetzgeber haben mit diesen Maßnahmen ein klares Signal gesendet: Internationale Vergehen und Menschenrechtsverletzungen werden schwere Konsequenzen nach sich ziehen.

Dieser Schritt ist auch in der Hinsicht wichtig, dass eine echte Deeskalation im Nahen Osten nur dann erreicht werden kann, wenn die Hauptentscheidungsträger der aktuellen Politik im Iran Konsequenzen spüren.

Strategiewechsel dringender denn je

Lange Zeit haben westliche Politiker bei den Wirtschaftssanktionen und weiteren Strafmaßnahmen lediglich Personen, Institutionen und Einheiten berücksichtigt, die Anweisungen der Machthaber ausgeführt haben. Die jüngste Neuausrichtung in den USA könnte jedoch eine effektivere Methode präsentieren, um das iranische Regime zu zwingen, seine Haltung zu überdenken. Indem die Maßnahmen gezielt die politische und militärische Führung adressieren, die sowohl für interne Repressionen als auch für Waffenlieferungen und Operationen in der Region verantwortlich ist, üben sie direkten Druck auf die oberste politische Ebene in Teheran aus.

Die neuen Maßnahmen der USA könnten, ein Modell für den Umgang mit Staaten mit repressiven Regierungen bieten, wenn sie in Kraft treten und effektiv umgesetzt werden. Es bleibt abzuwarten, ob sie auch eine Wirkung auf Teherans Verhalten gegenüber Israel haben werden. Im Nahostkonflikt ist jedoch offensichtlich, dass Israel weiterhin auf intensivere und verschärfte Gegenmaßnahmen setzt, während das Regime in Teheran im Rahmen seines Machtspiels die Destabilisierungsversuche durch Stellvertretergruppen in Israels Nachbarländern fortsetzt.

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Farhad Salmanian

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.

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