Die internationalen Aktienmärkte standen bereits seit Monatsbeginn unter Druck, angesichts schwindender Zinssenkungshoffnungen und steigenden Konfliktpotenzials im Nahen Osten. Wirklich Fahrt nahm deren Abwärtsbewegung jedoch erst in Folge des iranischen Angriffs auf Israel auf. Die im Raum stehende israelische Antwort belastete die Märkte dann im Verlauf der gesamten vergangenen Woche und entlud sich nach erfolgtem Gegenschlag zunächst in weiteren tiefen Kursabschlägen.
Mit zunehmender Gewissheit über den eher gesichtswahrenden Charakter der Militäraktion beruhigte sich das Geschehen auch an den Aktienmärkten. Im Rohstoffsektor reagierten naturgemäß insbesondere der Edelmetall- und Energiesektor. Sich an dieser Stelle vermindernde Risikoprämien spiegeln die Einschätzung der Marktteilnehmer auf einen glimpflichen Ausgang des Säbelrasselns wider.
Ebenfalls zu der Nervosität beigetragen haben uneinheitliche Wirtschaftsdaten aus China. Zwar lag das Wachstum der chinesischen Wirtschaft im ersten Quartal über den Erwartungen, dies ist jedoch größtenteils auf die Stärke in den ersten beiden Monaten des Jahres zurückzuführen. Nun lässt der starke Start der chinesischen Wirtschaft in das Jahr 2024 bereits wieder nach. So brachen die Einzelhandelsumsätze ein und auch die Industrieproduktion blieb im März hinter den Schätzungen zurück, was auf einen schwierigeren Weg in der Zukunft hindeutet. Auch beim Rückgang der Verkäufe von Eigenheimen zeigt sich keinerlei Verbesserung.
Weitere Eskalation unerwünscht
Nachdem der freitägliche israelische Angriff am Wochenende keine Fortsetzung fand, scheint der Kreis auf dieser Bühne geschlossen und keine unmittelbare Gefahr mehr für eine Ausweitung des Konflikts zu bestehen. Dieser dürfte sich zukünftig wieder auf die israelisch-palästinensischen Auseinandersetzungen beschränken. Und diese hatten in der Vergangenheit nur minimale Auswirkungen auf den Ölpreis oder Sicherheits-Assets wie Edelmetalle.
Nicht zu unterschätzen ist zudem, dass sich die USA aktuell in einem Wahljahr befinden. Die US-Regierung dürfte größte diplomatische Anstrengungen unternehmen, um kein größeres Aufflackern der Ölpreise zu riskieren, vor allem nicht in einer Zeit, in der die Inflation nach wie vor hoch und die unterste Schicht der Verbraucher mit einer noch nie dagewesenen Lebenskostenkrise konfrontiert ist. Seit dem Amtsantritt der Biden-Administration ist die iranische Ölproduktion um mehr als 30 Prozent gestiegen, was zur Stabilisierung der Ölmärkte beigetragen hat, während die geopolitischen Risiken die Ölpreise in die Höhe getrieben haben. Jenseits des Atlantiks dürfte größtes Interesse daran bestehen, dass die iranische Produktion als Gegengewicht erhalten bleibt.
Zurück zu Business as usual
Dementsprechend fokussieren sich die Märkte nun wieder auf die üblichen Verdächtigen, allen voran die US-Zinspolitik. An jener Front bekräftigte Fed-Chef Jerome Powell und verschiedene seiner Kollegen in der vergangenen Woche ihren Kurs, dass angesichts des „bemerkenswerten“ US-Wachstums, des starken Arbeitsmarktes und der weiterhin hohen Inflation bisweilen keine Dringlichkeit für Zinssenkungen bestehe. Powell zufolge habe es nach dem raschen Rückgang der US-Inflation zum Ende des vergangenen Jahres jüngst keine weiteren Fortschritte mehr gegeben, daher werde es „wahrscheinlich länger als erwartet dauern“, bis man dem disinflationären Trend wirklich trauen könne. Eine mögliche Senkung im Mai scheint damit vollkommen unrealistisch, auch der Juni-Termin wackelt.
Ganz anders sehen das die „Zinsoptimisten“ der Citigroup. Diese halten weiterhin an ihrer Prognose von fünf Zinssenkungen im Jahr 2024 fest. Dabei geht die Bank davon aus, dass die kommenden Inflationswerte eine spürbare Abkühlung zeigen werden und, vor allem, dass die Fed Anzeichen wirtschaftlicher Schwäche - wie eine Verlangsamung auf dem Arbeitsmarkt - mehr Gewicht beimessen wird als Daten, die eine anhaltende Stärke zeigen. Am Markt hat sich die Citigroup-Ansicht bislang nicht durchgesetzt, und so sind Dollar und US-Anleiherenditen weiterhin auf dem Vormarsch. Ein gewichtiger Grund dafür ist auch die grundlegend andere Situation im Euroraum. EZB-Präsidentin Lagarde zufolge entspricht der Inflationsrückgang hier den Erwartungen, was eine erste Zinssenkung im Juni rechtfertigen würde.
Citigroup bleibt Goldbulle
Nachlassende geopolitische Risiken und der sich abzeichnende, für Gold ungünstige, US-Zinspfad lassen nun etwas Luft aus dem Preis und beenden die Anfang März begonnene Rekordjagd des Edelmetalls. Dass Gold zudem in der vergangenen Woche mehrfach an der 2.400 Dollar-Marke gescheitert ist, erhöht das Risiko einer längst überfälligen Korrektur. Für die Citigroup bleibt Gold jedoch weiterhin sehr aussichtsreich. Auf Sicht der kommenden 18 Monate sieht die Bank den Goldpreis bis auf 3.000 Dollar ansteigen. Zum einen sei die Nachfrage aus China und seitens internationaler Notenbanken, die ihre Bestände seit geraumer Zeit massiv aufstocken, auch weiterhin ungebrochen. Darüber hinaus erwartet die Citigroup nun auch einen Schub von Seiten der Vermögensverwalter. Börsennotierte Fonds gehören bislang nicht zu den Treibern der Rally, hier sehen die Analysten der Bank erheblichen Nachholbedarf.
Kupfer mit interessanter Entwicklung
Während Gold auf seinem Weg zu neuen Höchstständen medial stets gut begleitet wird, kann auch der Blick über den Tellerrand lohnen. Im Segment der Industriemetalle dürfte die ebenfalls Anfang Februar begonnene Kupfer-Rally bislang an den meisten vorüber gegangen sein. Zum Wochenbeginn erreichte das rote Metall mit 10.032 US-Dollar ein 22-Monatshoch, seit dem 09.02. beläuft sich der Anstieg auf mehr als 24%. Goldman Sachs vertritt die Ansicht, dass die jüngsten Entwicklungen bei Kupfer nur „die Ausläufer dessen sind, was der Everest sein wird“.
Die Investmentbank prognostiziert, dass die Preise im nächsten Jahr im Durchschnitt erstaunliche 15.000 Dollar pro Tonne erreichen werden. Es scheint so, als würden sich die Hoffnungen der Kupferbullen nun erfüllen, die schon seit langem eine regelrechte Preisexplosion voraussagen, angesichts der weiter voranschreitenden Elektrifizierung der Welt, für die dieses Metall essentiell ist. Bislang ließ diese auf sich warten, nun rückt das wachsende Vertrauen in eine wirtschaftliche Erholung in Kombination mit einem vorangegangenen Angebotsschock und dem jüngsten überraschenden Schritt der Londoner Metallbörse LME das rote Metall wieder in den Mittelpunkt.
Bereits Ende 2023 traten erste deutliche Angebotssorgen hervor, nachdem beinahe zeitgleich die größte panamaische Mine geschlossen und ein großer Förderer Produktionskürzungen bekannt gab, was die 2024er Jahresproduktion um etwa 600.000 Tonnen verringern wird. Damals blieb eine Preisreaktion aus, da der Verbrauch schwächelte. Nun aber zeigt das verarbeitende Gewerbe deutliche Erholungszeichen.
Chinas und Indiens Einkaufsmanagerindizes überraschen mit beeindruckenden Wachstumszahlen, was auf einen anlaufenden Nachfrageschub schließen lässt. Hinzu kommen neue Sanktionen der USA und Großbritanniens gegen Russland, die eine weitere Angebotsverknappung erwarten lassen. Die jüngsten Strafmaßnahmen verbieten es seit dem 13.04., Kupfer aus russischer Produktion in die Lagerhäuser der Londoner Metallbörse LME zu liefern. Das ist bedeutend, denn bislang macht russisches Kupfer dort mit beachtlichen 62% den Löwenanteil aus. Diese Bestände werden nun nach und nach ausgeliefert, können jedoch nicht mehr aus selbem Ursprung aufgefüllt werden, was unter dem Strich zu abnehmenden Lagerbeständen führen dürfte. Alles in Allem sind dies für die Kupferpreisentwicklung nachhaltig gute Voraussetzungen – für Inflations- und Zinsentwicklung jedoch eher nicht.