Finanzen

Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf

Lesezeit: 4 min
24.04.2024 09:30
Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die Gründe und wie nachhaltig ist dieser Aufschwung?
Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
Silber profitiert von den Goldpreis-Rekorden - beim Silberpreis besteht aber immer noch Luft nach oben. (Foto: dpa)

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Der Silberpreis nähert sich alten Rekorden. Silber hinkt normalerweise dem Gold etwas hinterher, das konnte man auch in den letzten Jahren beobachten. Nun aber hat Silber endlich nachgezogen und erreichte Anfang April den höchsten Stand seit Juni 2021. Der aktuelle Silberpreis beträgt um die 27,15 US-Dollar je Unze, was rund 25,40 Euro entspricht.

In den letzten 12 Monaten hat der Goldpreis mit knapp 18 Prozent fast doppelt so stark zugelegt wie der Silberpreis mit 9 Prozent. Seit Jahresauftakt hat jedoch Silber noch besser abgeschnitten (plus 17,5 Prozent versus plus 12 Prozent bei Gold).

Die Goldpreis-Rekorde scheinen auch das kleine Brudermetall mitgerissen zu haben. Welche weiteren Gründe gibt es für den Silber-Aufschwung?

Silbermarkt im Defizit

Der globale Silbermarkt steckt seit 2019 in einem Angebots-Defizit. Die Menge aus der Silberminen-Produktion, die sich in Mexiko, China und Peru konzentriert und Recycling, das circa 20 Prozent zum Gesamtangebot beisteuert, ist seit vielen Jahren niedriger als die Nachfrage, wie Daten des Branchenverbandes „Silver Institute“ zeigen. Früher oder später macht sich ein langjähriges Defizit in steigenden Preisen bemerkbar.

Laut Zahlen vom „Silver Institute“ wird die weltweite Silbernachfrage dieses Jahr um zwei Prozent steigen und ungefähr 1,2 Milliarden Unzen erreichen, was etwas unter dem Vorjahreswert liegt. Das Angebot soll demnach um ein Prozent abnehmen. Unter Strich bliebe damit weiterhin ein deutliches Angebotsdefizit - stand jetzt sogar das größte Defizit seit mehr als 20 Jahren.

Im Gegensatz zu Gold hat Silber tausende industrielle Anwendungen. Es ist kein reiner Vermögenswert. Die Industrienachfrage macht knapp 60 Prozent der Gesamtnachfrage aus – der physische Bedarf inklusive Investmentfonds nur 30 Prozent. Hinzu kommt noch die Schmuckbranche mit 10 Prozent.

Aus Anlegersicht ist das Vor- und Nachteil zugleich. Auf der einen ist der Silberpreis zumindest in der Theorie weniger auf eine allgemeine Edelmetall-Begeisterung von Investoren und Privatanlegern angewiesen. Andererseits ist Silber erheblich von der Entwicklung der Weltkonjunktur abhängig.

PV-Anwendungen boomen, Schmucknachfrage unsicher

Besonders die Bedeutung von Silber als Bestandteil von Solarzellen sorgt für Zukunftsfantasie unter Edelmetall-Investoren und Spekulanten. Photovoltaik-Hersteller repräsentieren rund 30 Prozent des gesamten industriellen Silberbedarfs. Entscheidend ist die chinesische Solarindustrie, die 85 Prozent der weltweiten Produktionskapazität stellt. Allein die Industrienachfrage aus dem Reich der Mitte ist 2023 um 44 Prozent gestiegen.

Der Analyst Daniel Ghali von der kanadischen Investmentbank TD Securities sagte dazu folgendes: „Die Silbermärkte könnten sich heute als der aufregendste Handel im Bereich der Energiewende im gesamten Rohstoffkomplex erweisen. Die Energiewende ist der Investitionszeitgeist dieses Jahrzehnts und die Auswirkungen auf Silber werden oft übersehen“, so Ghali in einer Kundennotiz, aus der das Fachportal „Kitco News“ zitiert.

Nicht alle Signale implizieren eine Fortsetzung der Silberrally. Die Zukunft der Schmucknachfrage, die fast hälftig nur aus Indien stammt, ist angesichts der höheren Preise nun zunehmend unsicher, obwohl die wachsende indische Mittelschicht und das überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum im bevölkerungsreichsten Land der Welt positive Effekte haben dürften.

Ähnlich wie bei Gold widersprechen die Aktivitäten der Investmentfonds der generellen Edelmetall-Euphorie an den Börsen. Die Bestände von börsengehandelten Silber-ETFs und sonstigen Rohstofffonds sind in den letzten Monaten laut „Silver Institute“ deutlich gesunken. 2023 war auch die gesamte physische Nachfrage rückläufig und endete auf einem Dreijahrestief. Letztes Jahr trennten sich allen voran deutsche Anleger mit minus 73 Prozent von solchen Silber-Positionen im Depot. Das liegt vor allem an der Ende 2022 eingeführten Steuererhöhung auf Silber, das aus dem Nicht-EU-Ausland importiert wird. Innerhalb Deutschlands und der EU galt der erhöhte Mehrwertsteuersatz von 19 statt 7 Prozent bereits seit 2014.

Chancen und Risiken einer Silber-Investition

In der Praxis folgt der Silberpreis häufig dem Goldpreis – mit Verzögerung von wenigen Monaten bis einigen Jahren. Das birgt aktuell Chancen, da wir uns in einer schier unkaputtbaren Goldrally befinden. Allerdings ist das grau-glänzende Edelmetall teilweise zyklisch, was in den derzeit wirtschaftlich trüben Zeiten wohl das größte Risiko bei einer Silber-Investition ist. Außerdem ist Gold in Zeiten geopolitischer Spannungen immer noch der bevorzugte sichere Hafen.

Silber ist zumindest isoliert betrachtet nicht (mehr) billig und am oberen Ende der preislichen Bandbreite der letzten 10 Jahre angekommen. Das alte Rekordhoch von 48 Dollar ist aus unserer Sicht im aktuell ambivalenten Marktumfeld nahezu unerreichbar. Technische Indikatoren wie etwa der RSI-Index deuten darauf hin, dass Silber und Gold gleichermaßen überkauft sind und es perspektivisch zu Normalisierungen an den Edelmetallmärkten kommen dürfte.

Relativ zu Gold scheint Silber dagegen immer noch solide Einstiegschancen zu bieten. Wenn das Preisverhältnis zu Gold mittel- bis langfristig historische Mittelwerte anpeilen sollte, wäre das eigentlich nur durch starke Kursgewinne beim Silber möglich.

Das berühmte „Gold-Silver-Ratio“ (Verhältnis von Goldpreis zu Silberpreis) liegt aktuell bei 83. Werte über 90 sind selten und meist nicht von allzu langer Dauer, der historische Durchschnitt der letzten 100 Jahre beträgt ungefähr 50.

Fazit: Wir raten Anlegern zu einer neutralen Positionierung. Das Chance-Risiko-Verhältnis schätzen wir auf grob 1:1, mit leicht positiver Tendenz. Eine Aufstockung von Silber-Positionen auf dem gegenwärtigen Preisniveau wird in vielen Szenarien vermutlich keine tollen Renditen bringen. Auch für Gewinnmitnahmen scheint momentan nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, denn es könnte schon noch einmal deutlich nach oben gehen. Der Silberhandel ist nur etwas für Anleger mit starken Nerven, die Volatilität ist noch einmal erheblich höher als bei Gold.

Grundsätzlich empfehlen wir, erst einmal die weiteren Entwicklungen im Nahen Osten und bezüglich der US-Zinspolitik abzuwarten, denn das wird die weitere Richtung des Goldpreises und somit nachgelagert des Silberpreises bestimmen.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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