Technologie

Rakete eines deutschen Start-ups soll in den nächsten Tagen ins Weltall starten

Lesezeit: 3 min
30.04.2024 07:58
Elon Musk hat auch klein angefangen: Erstmals seit Jahrzehnten soll nun eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens starten. Der Testflug wird von Australien aus stattfinden. In Deutschland formieren sich inzwischen immer mehr Raumfahrt-Startups.
Rakete eines deutschen Start-ups soll in den nächsten Tagen ins Weltall starten
Rakete "SR75" des Unternehmens HyImpulse aus Baden-Württenberg, die noch diese Woche von Australien aus abheben soll - es ist die erste Privatrakete des deutschen Startups. (Foto: picture alliance/dpa/HyImpulse)
Foto: HyImpulse

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In der privaten Raumfahrt sind vor allem Menschen wie Elon Musk und Jeff Bezos bekannt. Doch auch private Raketenbauer aus Deutschland wollen derzeit auf den Markt. Der erste Start einer Trägerrakete eines dieser deutschen Start-ups ist nun für frühestens Mittwoch im australischen Koonibba geplant. Er war wetterbedingt verschoben worden - das Startfenster reicht bis 6. Mai. Die zwölf Meter lange Rakete soll mit Kerzenwachs und Sauerstoff fliegen, aber die Grenze zum Weltraum nicht überschreiten. Es ist nicht der erste Start einer privaten Trägerrakete eines deutschen Unternehmens.

60 Kilometer in die Höhe will das Unternehmen „HyImpulse“, das in der Nähe von Heilbronn seinen Sitz hat, die Trägerrakete SR75 schicken. Die Rakete könne eine Nutzlast von 250 Kilogramm transportieren und sei auch in der Lage ins All zu fliegen, sagt Co-CEO und Mitgründer Christian Schmierer. Im Rahmen der vorliegenden Genehmigung sei das diesmal nicht geplant.

Welchen Zweck hat das Ganze?

Die Ingenieure wollen das Triebwerk der Rakete testen. Das Antriebskonzept sei etwas Besonderes. Die Rakete fliege mit Paraffin, also Kerzenwachs, und flüssigem Sauerstoff. An dem Triebwerk werde mittlerweile seit mehr als zehn Jahren gearbeitet. Die Technik sei schon bekannt, habe sich aber bei Startraketen bisher nicht durchgesetzt, sagt Martin Tajmar, Experte für Raumfahrttechnik an der TU Dresden. „Es gibt keine kommerzielle Rakete, die so eine Technologie in groß verwendet.“

Die Idee sei, mit der Trägerrakete ein besseres Angebot für Kleinsatelliten zu machen, sagt Schmierer. „Bisher gibt es vor allem Raketen auf dem Markt, die man sich wie Busse oder Züge vorstellen kann. Sie laden die Satelliten nur an bestimmten Orten im Orbit ab - wie an einer Haltestelle. Unsere Rakete ist eher wie ein Taxi.“

Die Raketen seien durch das hybride Triebwerk aus festem und flüssigem Treibstoff günstiger, da weniger Bauteile nötig seien als bei herkömmlichen Antrieben. Die nächsten Starts seien bereits geplant, sagt der 36-Jährige.

Die Rakete sei das erste Produkt von HyImpulse. Man arbeite auch an einer zweiten, größeren Rakete, die auch größere Kapazitäten habe. Die Raketen sollen in etwa eineinhalb Jahren Satelliten ins Weltall transportieren.

Wie ist der Start in einem internationalen Kontext zu bewerten?

Die Welt schaue zwar nicht auf den Start, aber für Deutschland sei er ein wichtiges Event, sagt Raumfahrtexperte Tajmar. Im Ganzen betrachtet sei es ein Nischenmarkt. Doch für Europa relevant, weil es im Moment niemanden gebe. In Europa spielen bislang die Raketen des Unternehmens Arianespace eine entscheidende Rolle beim Transport von Satelliten. Ein Ariane-Launcher, der etwas ins All bringen könne, sei aber gerade nicht im Betrieb.

Die Raketen von Tech-Milliardär Elon Musk seien in diesem Jahr für rund 90 Prozent aller weltweiten Raketenstarts zuständig, erklärt Tajmar. Danach folge China. Das Übrige falle auf den Rest der Welt. „Das ist sowas von unwichtig.“ In China gebe es jede Menge privater Start-ups, die auch schon ins All geflogen seien.

Der SpaceX-Gründer habe den Maßstab hochgelegt. „Da schauen alle nur ehrfürchtig zu und die Chinesen versuchen es zu kopieren.“ Sonst tue sich aktuell nicht viel. Musk habe auch mit einer kleinen Rakete angefangen. Doch er sei relativ schnell zu größeren Modellen übergegangen, die dann auch wiederverwendbar wurden, ein enormer Vorteil für Preis und Verfügbarkeit. Aber: „Man muss irgendwo anfangen“, sagt Tajmar mit Blick auf die deutschen Start-ups.

Dass es in den USA und China schon entsprechende Anbieter von kleinen Raketen gibt, ist Schmierer bewusst. Aber die seien viel zu teuer, sagt er. HyImpulse wolle preislich deutlich attraktiver sein.

Ein Start der größeren kommerziellen Rakete koste etwa sechs Millionen Euro. Pro Kilogramm Nutzlast wolle man etwa 6500 Euro berechnen. Man habe bereits viele Kundenanfragen, die Auftragsbücher seien ordentlich gefüllt. Auch die Politik hofft auf Kostensenkungen durch die Nutzung privater Anbieter.

Wer braucht solche Satelliten-Taxis?

Zu den Kunden gehört laut Schmierer etwa die Automobilindustrie, die Satelliten für die Navigation und das autonome Fahren bräuchten. Man wolle den Markt nicht China und den USA überlassen. „Wir brauchen auch als Europäer Unabhängigkeit von den Amerikanern, auch wenn sie unsere Partner sind.“

Auch der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht viele Chancen für private Hersteller von kleineren Raketen. Die Satelliten werden nach seinen Aussagen immer kleiner werden. Die neuen Kleinraketen-Anbieter seien flexibler als die großen, bei denen man schon zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt ordentlich wachsen, sagte der Professor für Raumfahrttechnik an der TU München. Deshalb halte er die Ideen der Start-ups für richtig.

Bereits in den späten 1970er-Jahren hat eine deutsche Firma laut Walter schon eine Privatrakete entwickelt, die eine günstigere Alternative sein sollte. Es habe einige Raketentests des Unternehmens Otrag in Afrika gegeben. „Nach heutigem Sprachgebrauch würde man Otrag als Start-up bezeichnen.“ Die Firma Otrag (Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft) sei jedoch in den 80er-Jahren eingegangen.

Welche deutschen Firmen stehen noch in den Startlöchern?

HyImpulse ist nicht das einzige Start-up in Deutschland, das derzeit an der Entwicklung von sogenannten Microlauncher arbeitet. Im Nachbarbundesland Bayern gibt es zwei Mitbewerber: Rocket Factory in Augsburg und Isar Aerospace nahe München. Alle drei wurden in den vergangenen Jahren gegründet. Sie arbeiten alle an Trägerraketen, mit denen Satelliten ins All befördert werden können und planen demnächst erste Testflüge.

So viele deutsche Anbieter werde es trotz der Größe des Marktes aber nicht brauchen, ist sich Walter sicher. Es werde sich noch zeigen, welches Start-up sich durchsetzen könne.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kurzarbeitergeld verlängert: Kurzarbeit gegen Personalabbau - richtiges oder falsches Signal für Arbeitsmarkt?
13.01.2025

Die Wirtschaftskrise hält an, immer mehr Firmen gehen in Kurzarbeit. Deshalb soll das verlängerte Kurzarbeitergeld bis zu 24 Monaten für...

DWN
Politik
Politik Sozialabgaben auf Kapitalerträge: Habeck und sein Plan, abzuschöpfen
13.01.2025

Die Beiträge für Krankenkassen sind zuletzt deutlich gestiegen. Der Grünen-Kanzlerkandidat will gegensteuern - und argumentiert, dass...

DWN
Technologie
Technologie Einspeisevergütung 2025: Was Besitzer von PV-Anlagen jetzt wissen müssen
13.01.2025

Die Einspeisevergütung ist ein zentrales Thema für Besitzer von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen). Und das bleibt auch so. Doch die...

DWN
Politik
Politik Bundestagswahl: Auslandsdeutsche können nicht mehr rechtzeitig per Briefwahl abstimmen - fehlen Millionen Stimmen?
13.01.2025

Für Deutsche, die dauerhaft im Ausland leben, wird es zeitlich sehr knapp, ihre Stimme für die Bundestagswahl 2025 abzugeben....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rekordjahr bei Deutschland-Tourismus: Reiseveranstalter freuen sich über Buchungen
13.01.2025

Die Wirtschaft schwächelt, doch beim Urlaub sparen die Menschen in Deutschland nicht. Die Tourismusbranche verzeichnet...

DWN
Politik
Politik Trumps Fünf-Prozent-Ziel für die Nato: Polen gehen voran - Kanzler Olaf Scholz zaudert
13.01.2025

Der Kanzler hat mal wieder den Schuss nicht gehört. Donald Trump fordert mehr Anstrengungen Europas bei den Ausgaben für die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft BMW, Porsche, Audi melden Absatz-Einbruch: In München deutliches Plus bei E-Autos
13.01.2025

Auch BMW leidet 2024 unter der schwachen Nachfrage - vor allem in China. Zumindest bei den Elektroautos können die Münchner aber punkten.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft China verzeichnet vor Trumps Rückkehr neuen Rekord bei Außenhandel
13.01.2025

2024 blühten Chinas Ausfuhren auf. Kurz vor Donald Trumps Amtseinführung drehen die Exporteure noch einmal richtig auf. Was China nun...