Finanzen

Private Pflegezusatzversicherungen: Wichtige Absicherung mit vielen Varianten

Lesezeit: 6 min
01.05.2024 10:51
Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht oft nicht aus, um die Kosten im Pflegefall zu decken. Welche privaten Zusatzversicherungen bieten Schutz und worauf sollte man achten? Hier sind die wichtigsten Informationen und Tipps für eine fundierte Entscheidung.
Private Pflegezusatzversicherungen: Wichtige Absicherung mit vielen Varianten
Zusatzversicherungen können helfen, die Lücken der gesetzlichen Pflegeversicherung zu füllen (Foto: dpa).
Foto: Tom Weller

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Die gesetzliche Pflegeversicherung ist eine Pflichtversicherung. Sie deckt das Risiko des Pflegefalls nur unzureichend ab und wird daher von Experten häufig als eine „Teilkaskoversicherung“ gesehen. So müssen Menschen, die professionelle Versorgung in Anspruch nehmen, einen großen Teil der anfallenden Kosten selbst tragen.

Immerhin hat der Gesetzgeber seine Zuschüsse zu den von den Versicherten zu tragenden Eigenanteilen auf 15% im ersten, 30% im zweiten und 50% im dritten Jahr der Aufenthaltsdauer im Pflegeheim erhöht. Allerdings sind deutschlandweit die Eigenanteile in den letzten Jahren gestiegen. Denn aufgrund steigender Kosten haben die meisten Heime ihre Preise erhöht. Der durchschnittliche Eigenanteil an der vollstationären Pflege im 1. Jahr liegt bereits jetzt bei knapp 2600 Euro. In vielen Einrichtungen liegen die Sätze aber noch deutlich höher.

Die Vorständin Sozialpolitik der Diakonie, Maria Loheide, warnte im Juli 2023: „Mit der Unterfinanzierung der Pflegeversicherung riskieren wir, dass Pflegebedürftige nicht mehr professionell versorgt werden können und pflegende Angehörige erschöpft aufgeben müssen. Das wäre eine Katastrophe.“

Formen der privaten Vorsorge

Mit einer privaten Versicherung kann die Lücke zwischen den staatlichen Leistungen und den Pflegekosten gedeckt werden. Dabei können Sie zwischen drei verschiedenen Arten der Zusatzversicherung wählen: dem Pflegetagegeld, der Pflegekostenversicherung und der Pflegerentenversicherung.

Wichtig ist allerdings, dass die Versicherung nicht nur bei Erreichen der höheren Pflegegrade zahlt, denn ansonsten erhält man in den Stufen eins und zwei keinerlei Leistungen. Das ist problematisch, denn etwa drei Viertel der zu Pflegenden werden in diese beiden Pflegestufen eingestuft. In der nächsthöheren Stufe 3 sind immerhin noch etwa 1,2 Millionen Deutsche eingruppiert, in den höchsten Stufen 4 und 5 weniger Menschen. Schon um in die Stufe 3 eingestuft zu werden, muss „eine schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“ vorliegen.

Die Einstufung erfolgt bei gesetzlich Versicherten durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen und bei privat Versicherten durch einen Dienstleister. Die Zusatzversicherungen richten sich in den meisten Fällen nach deren Einschätzung.

Pflegetagegeld

Beim Pflegetagegeld wird eine vertraglich vereinbarte Summe bei Eintritt des Pflegefalls ausgezahlt. Allerdings hängt die Leistung von der Höhe des Pflegegrads ab. Erst bei einem hohen Pflegegrad gibt es die volle finanzielle Leistung.

Bei der Verwendung des Tagegelds gibt es keinerlei Begrenzungen oder Vorschriften durch den Versicherer. So kann das Geld für die Pflege genutzt werden, aber alternativ auch für Anschaffungen. Es spielt keine Rolle, wie hoch die tatsächlichen Kosten sind. Das hat den Vorteil, dass Sie keine Rechnungen einreichen müssen.

Viele Experten geben dem Pflegetagegeld den Vorzug vor der Pflegekosten- und der Pflegerentenversicherung, da es besonders flexibel einsetzbar ist. Allerdings gibt es auch ein Risiko bei der Tagegeldversicherung. Der Versicherer hat das Recht, die Beiträge zu erhöhen, wenn die Zahl der Versicherten steigt, die Leistungen erhalten.

Pflegerentenversicherung

Bei der Pflegerentenversicherung bleibt dagegen der Beitrag über die gesamte Laufzeit gleich. Dafür ist aber der Beitrag von Anfang an höher als beim Tagegeld. Bei dieser Variante erhält der Pflegebedürftige eine monatliche Rente. Die Leistungen sind nach den Pflegegraden gestaffelt. In den beiden unteren Stufen 1 und 2 gibt es allerdings meist keine Leistung. Die vollen Renten gibt es häufig erst im Pflegegrad 5.

Pflegekostenversicherung

Bei der Kostenversicherung müssen Sie die Pflegeausgaben dem Versicherer nachweisen. Sie kommt für die Ausgaben auf, die von den Zahlungen der gesetzlichen Versicherung nicht voll abgedeckt werden. Das bedeutet zugleich, dass die Pflegekostenpolice nur Leistungen übernimmt, die grundsätzlich auch die staatliche Pflichtversicherung trägt. Durch diese Vorgaben können Sie das Geld nicht flexibel einsetzen.

Ein weiterer Nachteil: Wird die Versorgung von Familienmitgliedern durchgeführt, ist die Erstattung geringer als bei der Pflegetagegeldversicherung. Die Kostenversicherung ist daher nur interessant, wenn die Betreuung durch einen professionellen Pflegedienst oder im Heim durchgeführt wird. Meist sind aber die monatlichen oder jährlichen Prämien etwas günstiger als beim Tagegeld.

Pflege-Bahr

Neben diesen 3 genannten Varianten gibt es als eine Besonderheit noch den staatlich geförderten sogenannten „Pflege-Bahr“. Benannt ist diese Sonderform nach Daniel Bahr, der von 2011 bis 2013 Bundesgesundheitsminister war und den Pflege-Bahr als Anreiz für den Abschluss von privaten Zusatzversicherungen einführte. Beim Pflege-Bahr erhält der Versicherte einen monatlichen Zuschuss von 5 Euro, wenn er selbst mindestens 10 Euro im Monat einzahlt. Alle Antragsteller müssen aufgenommen werden, auch wenn sie bereits gravierende Vorerkrankungen haben. Es gibt keine Ausschlüsse oder Risikoaufschläge.

Allerdings ist der Pflege-Bahr umstritten, da er vergleichsweise teuer ist und daher kaum geeignet ist, die Lücken im Bedarfsfall zu einer angemessenen Prämie zu decken. Er ist allenfalls eine Alternative für Menschen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes keine „normalen“ Pflegezusatzpolicen erhalten können. Pikant ist, dass Daniel Bahr bereits gut ein Jahr nach dem Ausscheiden aus seinem Ministeramt als Generalbevollmächtigter bei der Allianz einstieg, einem der größten Anbieter des Pflege-Bahrs.

Stolperfalle Gesundheitsfragen

Der Beitrag einer Pflegezusatzversicherung ist abhängig vom Gesundheitszustand, dem Eintrittsalter und der Höhe der festgelegten Leistungen. Bei Vorerkrankungen ist es aber schwierig, ein vernünftiges Angebot zu erhalten. Denn die Versicherungsunternehmen können in diesem Fall Leistungen für bestimmte Fälle ausschließen oder den Vertrag ganz ablehnen. Ähnlich wie in der Berufsunfähigkeitsversicherung werden nicht selten auch Risikozuschläge erhoben.Die Gesundheitsfragen sollten wahrheitsgemäß und genau beantwortet werden. Denn falsche Antworten können noch Jahre später zum Verlust des Versicherungsschutzes führen.

Tipps zum Vertrag

Es ist zu befürchten, dass die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in Zukunft immer weniger ausreichen werden, um Heimkosten oder die Kosten für einen professionellen Pflegedienst auch nur annähernd zu tragen.

Die Zusatzversicherung sollte sich bei der Einschätzung der Pflegebedürftigkeit an der gesetzlichen Pflegeversicherung orientieren. Bei der stationären Versorgung sollten die finanziellen Leistungen der Pflegezusatzpolice in den Stufen 2 bis 5 stets gleich sein, denn in den Heimen ist ab dem Pflegegrad 2 der Eigenanteil immer gleich. Anders ist die Lage bei der ambulanten Versorgung. Hier steigen die Kosten mit der Höhe der Pflegestufe. Von daher sollten auch die Leistungen der Zusatzversicherung stufenweise steigen.

Nicht zu empfehlen sind Verträge mit Warte- oder Karenzzeiten. In diesem Fall könnte der Versicherer die ersten Leistungen erst 3 Monate oder ein halbes Jahr nach Beginn des Pflegefalls auszahlen. Da ja der Staat im ersten Jahr des Pflegefalls nur 15% des Eigenanteils übernimmt, erscheinen solche Tarife wenig sinnvoll. Sinnvoll ist es, einen Tarif zu wählen, bei dem bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit die Beitragszahlungen ausgesetzt werden.

Billig sind die Pflegepolicen nicht. So muss ein 50-jähriger, der einen Vertrag über ein Tagegeld in Höhe von 1500 Euro monatlich abschließt, mit Prämien zwischen 50 und 90 Euro im Monat rechnen.

Fazit

Pflegezusatzversicherungen sind aufgrund des großen Risikos, in höherem Alter zum Pflegefall zu werden, eine sehr sinnvolle Absicherung. Nur wer ein Vermögen von mindestens 100.000, besser aber 200.000 Euro frei verfügbar hat, ist nicht unbedingt auf eine Pflegezusatzversicherung angewiesen. Dann wären Sie für einen längeren Pflegefall gewappnet. Allerdings bedeutet dies auch, dass Ihr Ehepartner und Ihre Kinder eventuell wenig oder gar nichts erben werden, wenn das Vermögen für die Versorgung in Anspruch genommen werden muss.

Wie beschrieben, gibt es sehr viel beim Abschluss der Pflegezusatzversicherung zu beachten. Es kann durchaus sinnvoll sein, die Rankings der Stiftung Warentest oder der Fachpresse zu den Anbietern und den verschiedenen Tarifen zu lesen.


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