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DWN-Interview: Absicherung von Unternehmen – worauf kommt es an?

Kleine und mittelständische Unternehmen sind sich ihrer Risiken oft nicht bewusst. Der Versicherungsexperte Daniel Diwiki erklärt im DWN-Interview, wie KMU durch Absicherung ein gutes Risikomanagement erzielen können.
20.04.2024 09:05
Lesezeit: 6 min
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DWN-Interview: Absicherung von Unternehmen – worauf kommt es an?
Einsatzkräfte der Feuerwehr löschen ein brennendes Gebäude - ein gutes Risikomanagement kann geldwert sein (Foto: dpa). Foto: Andre van Elten

Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass Unternehmen ihr Risikomanagement oftmals vernachlässigen. Sie weisen sogar große Schwächen in ihrer Absicherung auf, die zum Teil auf grobe Fehleinschätzungen beruhen. So ordnen zum Beispiel nur 28 Prozent allgemeine Haftungsrisiken als grundsätzlich existenzvernichtend ein, ergab eine Umfrage des Vereins KuBI e.V. und der Fachhochschule Dortmund. Diese Risiken können aber im schlimmsten Fall zur Insolvenz führen. Knapp die Hälfte der Unternehmen (45 Prozent) gaben an, überhaupt eine Betriebs- oder Berufshaftpflichtversicherung zu besitzen. Dazu kommentiert der Studienautor Prof. Matthias Beenken: „Das kann man nur als grob fahrlässig bezeichnen. Unternehmen sind, was Risikomanagement betrifft, nicht gut aufgestellt.“

Daniel Diwiki, Versicherungsexperte und Geschäftsführender Gesellschafter DVSC GMBH, kennt die wunden Punkte der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Sein Schwerpunkt liegt in der Absicherung und Bewertung von Unternehmen gegen multikomplexe Risiken. Die DWN sprach mit dem Experten über die aktuelle Situation der Unternehmen.

DWN: Ein unvorhergesehener Schaden, ausbleibende Kundenzahlungen oder andere schwierige Situationen. Welche sind die häufigsten Risiken, denen Unternehmen heutzutage ausgesetzt sind?

Diwiki: Die häufigsten „Risiken“ liegen in der Tat in den Frequenzschäden, wobei diese für KMU in der Regel weder existenzbedrohend noch großartig liquiditätsschmälernd sind. Zum Beispiel: Transportschäden im kleineren Rahmen < 10.000 €, Glasschäden, kaputte Windschutzscheiben, kleinerer Kasko- und Haftpflichtschäden. Deshalb ist für mich die Frage unabdingbar, welche (unsichtbaren) Risiken existenzbedrohend sein könnten. Dies sind neben Brandschäden, Managementhaftungs- und Cyberrisiken, sowie Insolvenzrisiken großer Auftraggeber.

Ein anonymes Beispiel aus der Brandschadens-Praxis, das für eine(n) Unternehmer verheerende Folgen mit sich bringen kann:

Erst letztes Jahr gab es bei mir in der Umgebung wieder den Fall, dass ein großes, mittelständisches Unternehmen komplett ausgebrannt ist. Ich kenne persönlich nicht die Details, aber es ergeben sich für mich viele Fragen, insbesondere: Wurden alle Brandschutz- und Sicherheitsvorschriften getroffen, eingehalten und ggfs. Abweichungen mit der Versicherung abgestimmt? Wie wurden eigentlich die Versicherungssummen ermittelt? Allein in Deutschland kommt es zu 100.000 Bränden in Unternehmen - pro Jahr. Und das sind sicher nicht alles Feuerwerksfabriken. Die Konsequenzen für den Betrieb, die Mitarbeitenden und deren Familien (Arbeitsplätze) und einen selbst sind regelmäßig sehr ernst. Im dümmsten Fall ist das Unternehmen bis zum Wiederaufbau vom Markt verschwunden, weil sich die Haupt-Auftraggeber andere Zulieferer suchen.

Darüber hinaus wird bei einem Großbrand neben der Ursache auch die Einhaltung von (behördlichen) Sicherheitsvorschriften ermittelt. Neben dem wirtschaftlichen Schaden kann das gravierende strafrechtliche Konsequenzen für die Geschäftsleitung bedeuten. Also mit dem Feuer spielen unbedingt vermeiden. Trotzdem tun das noch zu viele, dass sie sich nicht richtig gegen Brandschäden absichern und unzureichende Brandschutzkonzepte haben (Dabei wirkt sich letzteres auch positiv auf das Preis-Leistungs-Verhältnis von Versicherungen aus. Man kann dort viel Geld sparen UND gleichzeitig rundum abgesichert sein).

Erfahrungsgemäß sollte zwischen Unternehmen und Versicherern im Vorfeld ein ausgewogenes Verhältnis an praxisnahem Risk-Management etabliert werden, damit solche Fälle vermieden werden und das Unternehmen von einem optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis profitiert. Damit das überhaupt gelingt, sollte auf die Expertise eines unabhängigen Versicherungsmaklers zurückgegriffen werden.

Was mir gerade noch im Hinblick aufs Liquiditätsmanagement einfällt, ist eine mittlerweile beliebte Betrugsmasche: Betrüger spähen Unternehmensdaten aus und geben sich als deren Lieferanten aus. Die Überweisung des gutgläubigen Buchhalters für die neue Produktionsmaschine geht an eine Fake-Firma (Lieferantenbetrug). Diese unglaublichen Betrugsfälle sind real und sollten über eine spezielle Versicherung abgedeckt werden. Die Betroffenen denken oftmals „ich habe ja eine Cyberpolice“, aber so einfach ist das leider nicht.

DWN: Betriebshaftpflicht, Vermögensschaden-Haftpflicht etc.: Es gibt Unmengen an Versicherungen auf dem Markt. Wie kann ein Unternehmen seinen Versicherungsbedarf effektiv analysieren, um sicherzustellen, dass es angemessen und richtig geschützt ist?

Diwiki: Spannende Frage. Grundsätzlich geht die Risikoerkennung und -Identifizierung über den Abschluss einer Versicherung, weil der tatsächliche Bedarf erstmal neu gedacht werden sollte, bevor eine Versicherung abgeschlossen wird. Versicherung bedeutet nichts anderes, als dass das Unternehmen einen geeigneten Risikotransfer wählt. Ich sehe es immer wieder am Markt, dass dies seltsamerweise genau umgekehrt praktiziert wird. Dabei setze ich bewährte Checklisten ein, eine Risiko-Matrix sowie meine komprimierten Erfahrungswerte, weil ich jedem Klienten die bestmögliche Beratung und Absicherung bieten möchte.

DWN: Welche Arten von Versicherungen sind für Unternehmen besonders wichtig, und welche zusätzlichen Deckungen sollten in Betracht gezogen werden, um potenzielle Lücken zu schließen?

Diwiki: Es kommt grundsätzlich zunächst auf die Betriebsart an. Eine Steuerberatungskanzlei hat einen anderen Absicherungsschwerpunkt als ein Automobilzulieferer oder ein Logistiker. Mir geht es immer darum, dass wir zunächst die existenz- und liquiditätsbedrohenden Risiken identifizieren und bestmöglich absichern. Allgemein gesprochen sind dies Feuer- und Elementarschadenversicherungen, Haftungs- und Cyberversicherungen sowie Managementversicherungen.

Ich möchte mich von den üblichen Produktverkäufern abgrenzen und erörtere zunächst die Risikolage und damit einhergehende, empfohlene Versicherungslösungen im persönlichen Gespräch.

DWN: Worauf sollten Unternehmen achten, wenn es sich beraten lässt. Woran erkennt man einen guten Versicherungsmakler, der nicht unnötige Produkte verkaufen will in Hinblick auf die Provision?

Diwiki: Im Prinzip ist es simpel und bewegt sich weg von den üblichen Hochglanzbroschüren, die eigentlich ja Verdacht schüren sollten: Unternehmen, insbesondere der Inhaber sollte prüfen, ob ein Berater „Skin in The Game“ vorweisen kann und verinnerlichen, dass Versicherungen Chefsache sind, weil es um die Absicherung seines Lebenswerks geht.

DWN: Wie können Unternehmen maßgeschneiderte Versicherungslösungen entwickeln, die ihren individuellen Risikoprofilen entsprechen?

Diwiki: Zunächst das Bewusstsein dafür schärfen, dass Versicherungen viel mehr sind als das notwendige Übel. Ich habe es immer wieder erlebt, dass Versicherungen an einen kaufmännischen Leiter oder eine Assistenz delegiert werden, die dann eine Entscheidung danach treffen wollen, „wer ist der Billigste“. Aber Versicherungen sind Chefsache. Dafür benötigt es die Expertise eines unabhängigen Versicherungsmaklers, der dem Unternehmenschef kluge Entscheidungen ermöglichen kann. Ganz klar: Wenn das Konzept erst einmal steht, kann das Tagesgeschäft selbstverständlich delegiert werden…

Eine maßgeschneiderte Versicherungslösung gibt es meines Erachtens nicht, weil mittelständische Unternehmen dynamisch unterwegs sind und schnell aus dem Maßanzug rausgewachsen sind. Deshalb sollten regelmäßige Gespräche stattfinden und manche Versicherungen gegebenenfalls kompostiert werden, damit Neues gedacht und entstehen kann.

DWN: Welche Rolle spielen präventive Maßnahmen im Risikomanagement, und wie können Unternehmen ihre Risikominderungsstrategien verbessern?

Diwiki: Ich bin da schon einen Schritt voraus, weil ich permanent propagiere, dass sich jedes Unternehmen und seine Mitarbeitenden so verhalten sollte, als ob es gar nicht versichert sei, weil dadurch erfahrungsgemäß das Bewusstsein unter der Belegschaft und Geschäftsleitung gesteigert wird, dass hier etwas auf dem Spiel stehe. Natürlich sorgen zum Beispiel organisatorische und bauliche Brandschutzmaßnahmen, sowie ein unauffälliger Schadenverlauf, für bezahlbare Beiträge, aber das ist nachrangig. Regelmäßige Schulungen (zum Beispiel Cyber-Prävention) oder Fahrertrainings können übrigens Wunder bewirken.

DWN: In einer Welt voller Veränderungen und schneller Entwicklungen, wie wichtig ist es, dass Unternehmen ihre Versicherungsdeckungen regelmäßig überprüfen und anpassen, und welche Faktoren sollten dabei berücksichtigt werden?

Diwiki: Ein Jahresgespräch ist unabdingbar, allein um regelmäßig die Veränderungsrisiken im Unternehmen zu evaluieren. Bei größeren Firmengruppen könnten Monats- oder Quartalsgespräche angebracht sein. Wichtig ist dabei auch, gemeinsam über die aktuellen wirtschaftlichen Veränderungsrisiken, insbesondere Cyberangriffe, Sabotage, Zahlungsausfälle und Fachkräftemangel zu sprechen. Ich habe es schon erlebt, dass vor Jahren universale Branchenlösungen abgeschlossen wurden, die jährlich auf Zuruf dann aber nur anhand gestiegener Versicherungssummen oder Umsatzerlöse aktualisiert wurden.

Das Ende vom Lied war, dass neue Geschäftszweige übersehen wurden und unversichert blieben. Abgesehen davon, sollten Versicherungen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls sogar gewechselt werden, weil die Strömungen am gewerblichen/industriellen Versicherungsmarkt immer schneller werden. Das hängt auch mit möglichen Kurswechseln der Versicherungsvorstände und Marktkonsolidierungen zusammen, die berücksichtigt werden sollten. Grundsätzlich setze ich aber auf Langfristigkeit.

DWN: Gibt es Empfehlungen wie „Best Practices“, welche Unternehmen bei der Kommunikation mit ihren Versicherern im Schadensfall befolgen sollten, um sicherzustellen, dass Ansprüche ordnungsgemäß bearbeitet werden?

Diwiki: Ja, grundsätzlich in Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Versicherungsmakler, weil dieser per Mandat im Interessenslager seines Klienten steht. Des Weiteren sollte ein Schadensfall unverzüglich, also ohne schuldhaftes Verzögern, gemeldet und die Weisungen des Versicherers befolgt werden. Eine Meldung an seinen Versicherungsmakler des Vertrauens ist üblicherweise mit der unverzüglichen Meldung an den Versicherer gleichzusetzen. Idealerweise läuft die Kommunikation und Koordination auch über den Versicherungsmakler seines Vertrauens. Es ist einfach so, dass bei größeren Fällen sehr viel Fingerspitzengefühl in der Kommunikation erforderlich ist. Liegt ein Kommunikationsfehler vor, ist es oftmals ganz arg schwer, den Fall wieder auf die richtigen Gleise zu bekommen. Ein interessanter Ansatz ist, sich im Schadensfall so zu verhalten, als wäre man gar nicht versichert.

DWN: Welche neuen oder aufkommenden Risiken sollten Unternehmen im Blick behalten?

Diwiki: Fachkräftemangel, Liquiditätsmanagement, Betrugsmaschen und zu guter Letzt Cyberrisiken. Diese Risiken sollten als fundamentale Managementabsicherung miteinander verknüpft werden. Ich bin immer wieder baff, wie viel mittelständische Risiken bislang auf eine vollumfängliche Cyberpolice verzichten. Apropos Cyber: Auch hier gibt es gravierende Unterschiede im Kleingedruckten.

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Sofia Delgado

                                                                            ***

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

 

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