Deutschlands Rückgrat, die 3 Mio. Familienunternehmen, sind in Not. Bürokratie, Investitionsbedarf, schwache Konjunktur und Nachfolgeprobleme veranlassen viele Eigentümer, den Verkauf zu erwägen. Erben wollen Familienunternehmen immer seltener übernehmen.
Die Anzahl mittelständischer Unternehmen, die zum Verkauf stehen, ist seit Jahren ständig gestiegen, mittlerweile kann von einem Angebotsstau gesprochen werden, wie Jens Krane von der Commerzbank mitteilte. Insbesondere die Corona-Pandemie und die folgende Energiekrise haben viele Familienunternehmen ans Ende ihrer Kräfte gebracht. Zusätzlich belasten umfangreiche Regulierungen und technologische Herausforderungen, die hohe Investitionen erfordern, die Betriebe, so der Banker weiter. Viele Eigentümer beklagen die ungeheure Komplexität der Unternehmensführung in diesen Zeiten.
Außerdem gehören viele mittelständische Unternehmer der Babyboomer Generation an und kommen langsam in ein Alter, in dem sie diese Herausforderungen nicht mehr stemmen wollen. Nachfolger sind oftmals nicht in Sicht oder entscheiden sich bewusst gegen den Eintritt ins elterliche Unternehmen. All diese Aspekte führen dazu, dass immer mehr mittelständische Unternehmen einen Verkauf des Unternehmens in Betracht zu ziehen, notfalls auch an Beteiligungsgesellschaften.
Laut dem jüngsten Bericht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) sind 17 % der deutschen Unternehmen von einer Übernahme in den nächsten fünf Jahren bedroht. Aus demselben Bericht geht hervor, dass 38 % der derzeitigen Unternehmenseigentümer planen, sich innerhalb der nächsten 10 Jahre zur Ruhe zu setzen. Die große Mehrheit dieser Unternehmen sind Familienbetriebe.
Energiekosten und Technologieinvestitionen überfordern
Viele der deutschen Familienunternehmen sind in traditionellen deutschen Branchen wie dem Maschinen- und Anlagenbau tätig. Sie sind besonders gebeutelt durch eine generell schwache Nachfrage und die Notwendigkeit hoher Investitionen in neue Technologien. Zusätzlich sind sie als energieintensive Branchen auch besonders stark von der Energiekrise und den entsprechend hohen Energiepreisen betroffen. Als wäre das noch nicht genug, hat nun der neue Bundeshaushalt in seinem Sparprogramm auch noch Beihilfen für Unternehmen gestrichen.
Überbordende Bürokratie bremst Innovation und treibt Kosten
Gesetze, Vorschriften, Meldepflichten, Anträge und Anzeigen - deutsche Unternehmer beklagen auch die ausufernde Bürokratie, die das unternehmerische Handeln ausbremst und die Komplexität der Unternehmensführung immer weiter erhöht. Innovation braucht Freiheit, Geschwindigkeit und ein innovationsfreundliches Umfeld. Deutschland erstickt an einer überbordenden, allumfassenden und durchdringenden Bürokratie.
Der soeben vorgestellte Gesetzentwurf zum Bürokratieentlastungspaket bleibt weit hinter den Erwartungen der Unternehmen zurück, wie Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander kritisierte. Auch Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie, beklagt: „Die Bundesregierung verpasst den bürokratischen Befreiungsschlag.“ Die geplanten Maßnahmen seien viel zu kleinteilig. Vom Zentralverband des Deutschen Handwerks wird bestätigt, dass die Maßnahmen bei Weitem nicht ausreichen, um Handwerksbetriebe insgesamt und spürbar zu entlasten. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, wartet auf einen „großen Wurf“ beim Bürokratieabbau: „Deutschland hat den Keller voll mit unnötigen Gesetzen. Wir müssen entrümpeln. Mit ein bisschen Frühjahrsputz ist es nicht getan.“
Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, müssen deutsche Unternehmen heute fast 16 Prozent mehr Informationspflichten erfüllen als noch vor 10 Jahren. Zu Beginn dieses Jahres gab es in Deutschland insgesamt 12.265 solcher Vorgaben für Unternehmen.
Nachfolge in vielen Familienunternehmen nicht gesichert
Ein Generationenwechsel steht bei fast jedem zweiten Familienunternehmen in Kürze bevor, wie eine aktuelle Ifo-Umfrage ergab. Dieser ist jedoch in vielen Fällen durch den fehlenden Nachwuchs gefährdet. Immer weniger Familienunternehmen bekommen eine familieninterne Nachfolge. Die Berufswege der jüngeren Generation sind zunehmend durch individuelle Interessen bestimmt, mit Schwerpunkten außerhalb des elterlichen Unternehmens, wie Wirtschaftsforscher feststellen.
Entmutigt werde die Nachfolgegeneration auch durch die wirtschaftlich schlechten Rahmenbedingungen – Steuerlast, Bürokratie, Energiepreise, Fachkräftemangel und notwendige Investitionen schrecken viele potenzielle Nachfolger ab.Aus einer weiteren Ifo-Umfrage ging hervor, dass 42 Prozent der befragten Unternehmen keinen familieninternen Nachfolger haben.
Standort Deutschland problematisch – Unternehmen wandern ab
Die dargestellten schwierigen Rahmenbedingungen für Unternehmen in Deutschland führen ferner dazu, dass Unternehmen im Ausland investieren – und dies nicht, um dort zu expandieren. Wie eine aktuelle Sonderauswertung der Deutschen Industrie- und Handelskammer ergab, haben sich die Motive für Auslandsinvestitionen geändert. Statt im Ausland im Vertrieb zu wachsen oder zusätzliche Märkte im Ausland zu erschließen, investieren immer mehr Unternehmen, um abzuwandern und Kosten zu sparen. Bereits mehr als ein Drittel der Auslandsinvestitionen sei dadurch motiviert. Damit verlieren die Motive für Auslandsinvestitionen, die dem Wirtschaftsstandort Deutschland zugutekommen, an Bedeutung.
Kostenersparnis als Motiv
Kostenersparnisse bei Energie- und Rohstoffpreisen als auch bei Arbeitskosten werden als Hauptgründe angegeben. Aber auch komplizierte Bürokratieauflagen, lange Genehmigungsverfahren und ineffiziente Behörden machen für viele Unternehmen den Standort Deutschland unattraktiv. Als weiterer Grund werden auch die hohen Steuern und das komplexe Steuerrecht genannt. Aus diesen Gründen fahren viele Unternehmen ihre heimischen Investitionen zurück und beschäftigen hierzulande weniger Mitarbeiter. Laut der aktuellen Sonderauswertung der DIHK liegt der Saldo für inländische Investitionen bei minus 11 Punkten.
Aus einer Befragung von 1200 Familienunternehmen durch das Ifo-Institut geht hervor, dass vielen das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland abhanden gekommen ist. 34 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie ihre Investitionen in Deutschland in den nächsten 5 Jahren reduzieren werden. Bei den Auslandsinvestitionen stehen EU-Mitgliedsländer oben auf der Liste, aber auch die USA, Indien und China werden attraktiver.
Stellenabbau droht auch in Familienunternehmen
In der Vergangenheit haben Familienunternehmen in kritischen Zeiten schon häufig auf Gewinn verzichtet, um Entlassungen zu vermeiden. In der aktuellen Situation jedoch werden auch Arbeitsplätze im deutschen Mittelstand gefährdet. Miele hatte bereits angekündigt, in Deutschland 2000 Stellen abzubauen und 700 Arbeitsplätze zu verlagern.
Auch der Motorsägenhersteller Stihl hat öffentlich überlegt, sein neues Werk nicht wie geplant in Ludwigsburg zu bauen, sondern vielleicht doch lieber in der Schweiz. Stihl gab bekannt, dass das Unternehmen im Hochlohnland Schweiz schon seit Jahren kostengünstiger produziert als in Deutschland, trotz der höheren Löhne. Auch Stihl beklagt die enorme Bürokratie in Deutschland. Zwar sei derzeit kein Stellenabbau in Deutschland geplant, am Stammsitz in Waiblingen gibt es jedoch seit Herbst letzten Jahres in einigen Bereichen Kurzarbeit.
Die meisten Familienunternehmen sind tief verwurzelt in ihrer Region und die Unternehmer wohnen in den meisten Fällen in der Nähe ihrer Zentralen. Auch aus diesem Grund wollen sie einen größeren Personalabbau am Stammsitz vermeiden. Wenn er nicht zu vermeiden ist, soll er sozial verträglich gestaltet sein. Vielen Familienbetrieben kommt es aber auch gelegen, dass viele Mitarbeiter aus der Babyboomer-Generation auf das Rentenalter zusteuern.