Technologie

Sprunginnovation: In der Lausitz wird das größte Höhenwindrad der Welt errichtet

Die Sache klingt zunächst irgendwie tragisch. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen versucht, in der Lausitz in 365 Metern Höhenwinde zu ernten - für günstige Energie auf der Erde. Die Idee stammt von dem Tüftler Horst Bendix, der lange mit seinen Plänen für Höhenwindräder verlacht wurde. Nun wird das Projekt verwirklicht. Leider erst nach Ableben des visionären DDR-Ingenieurs.
06.05.2024 13:40
Lesezeit: 4 min
Sprunginnovation: In der Lausitz wird das größte Höhenwindrad der Welt errichtet
Geplanter Standort für das Höhenwindrad: Ein 300 Meter hoher Windmessmast ragt auf der Hochfläche in Klettwitz bei Schipkau (Landkreis Oberspreewald-Lausitz) in den Himmel (Foto: dpa). Foto: Patrick Pleul

Die Sache mit der DDR muss betont werden, auch wenn Bendix sich natürlich als deutscher Tüftler und Erfinder sah und bloß nicht als Ewiggestriger wahrgenommen werden wollte. Bendix, der im vergangenen Sommer mit stolzen 93 Jahren in Leipzig verstorben und dort auf dem Ostfriedhof beigesetzt wird, war stets „Young at heart“ geblieben, wenn es um die technische Zukunft und das deutsche Ingenieurwesen ging. Wer weiß, was schon in ein paar Jahren über den Mann in Wikipedia nachzulesen sein wird? Womöglich, wie der Maschinenbauingenieur in Anspielung an das berühmte Songtext von Reinhard Mey „Hoch oben über den Wolken wird die Windkraft wohl grenzenlos sein“ am Firmament seiner Heimat die Energie einzufangen versucht hat.

Als Horst Bendix am Kran des Fernsehturms tüftelte

Auf jedem Fall bleibt es ein Meilenstein seiner Vita, wie Bendix einst als Forschungschef des Schwermaschinenbauers Kirow in Leipzig jenen Kran entworfen hat, mit dem das Wahrzeichen Berlins - der DDR-Fernsehturm mitten auf dem Alexanderplatz - errichtet wurde. Als rastloser Rentner wollte er genauso hoch hinaus, um den Siegeszug der Windkraft in Deutschland zu unterstützen. Sein Ziel war nicht geringer, als am Firmament Europas mitzubauen - mit Windrädern, die höher so hoch sind wie der Telespargel (368 Meter) und der Eiffelturm (330 Meter) in Paris.

Rafael Laguna de la Vera, Direktor der ebenfalls in Leipzig ansässigen Agentur für Sprung-Innovationen (Sprind) will es nun endlich wissen und den großen Traum von Horst Bendix postum Realität werden lassen. Die noch zu Zeiten Angela Merkels (CDU) mit Fördergeldern ausgestattete Sprind sieht es als ihre Aufgabe, „Räume zu schaffen, in denen Innovator:innen Risiken eingehen und radikal anders denken können“, so das Credo des deutschen Technologie-Inkubators. Sie unterstützen bereits neuartige Immuntherapien gegen Krebs, sogenannte Memresistoren zur Bewältigung der für alle Ewigkeit drohenden Datenflut und auch in der invasiven Medizin erforderliche Nano-Roboter. Und jetzt auch das von Horst Bendix erdachte Höhenwindrad, dass das bislang größte der Welt (178 Meter hoher Turm und Gesamthöhe von 246,5 Metern) in Gaildorf bei Stuttgart deutlich in den Schatten stellt.

Immer wieder stand die Errichtung im alten Bergbau-Revier Lausitz bevor und wurde wegen diverser Bedenken und Einwände ausgebremst und gestoppt. Dabei scheint der Höhensprung unausweichlich zu werden, wo doch in Deutschland die Flächen für weitere Windparks rar werden und die Expedition in höhere Sphären beinahe unausweichlich erscheint. Mit 50-Meter-Objekten fing es in den 80er-Jahren noch recht konservativ und kleinlaut an, inzwischen gelten 200-Meter-Windräder als technisch verlässlich, auch in der Masse realisierbar - und ökonomisch erstrebenswert.

Bei Klettwitz soll es hoch oben über dem einstigen Tagebau der Region thronen, die Dresdner Firma Großmann Ingenieur Consult (Icon) sollen es planen und errichten. Seit 2020 hat die Sprind das Projekt unter ihre Fittiche Genimmen, nachdem Bendix sich bei den führenden Unternehmen der Windenergie überall Absagen eingehandelt hatte - um nicht zu sagen, dass der alte Herr mit seinen weißen Haaren und Rollen von Konstruktionsplänen unterm Arm von manchem Manager als Spinner abgetan wurde. Bis Martin Chaumet, der Innovationsmanager von Sprind, sich bei einem Besuch in einem Leipziger Neubauquartier von Bendix überzeugen ließ. Oder besser gesagt: Als Spinner gelten ohnehin alle die, die in die Zukunft aufbrechen will. Das gelte uneingeschränkt auch für die Innovations-Agentur und sein „eigenes Job-Profil“, findet Chaumet.

Sprind - eine Anlaufstelle für Spinner und Visionäre

Die Sprind unterhält zur Beurteilung solcher Projekte über ein „Board der Trüffelschweine“, wie sich die Querdenker liebevoll selbst bezeichnen. Denn die Anwendung und mögliche Skalierung steht im Vordergrund, es geht nicht um Rekorde ihrer selbst Willen. Der Vorteil der Höhenwindräder bestehe darin, so der Befund, in den Lücken der anderen Windräder in den Energieparks ausreichend Platz zur wirtschaftlich vorteilhaften Verdichtung zu finden. Statt auf futuristische windschnittige Baustoffe (mit ihren späteren Entsorgungsproblemen) setzt das Sprind-Team auf die Errichtung klassischer Hochspannungsmasten in stabiler und bewährter Gitter-Struktur sowie herkömmliche Turbinentechnik. Geklärt werden müsse nun allerdings noch, wie sich der Wind oben über den anderen Windrädern verhält. Es gibt Wissenschaftler, die die Wechselwirkungen der Strömungen als kritisch erachten - Experten sprechen vom sogenannten „Nachlauf“, der zu testen sei.

Voller Zuversicht zeigen sich sogar einige Naturschützer. Die Windräder - so weit in der Höhe - könnten womöglich auch weniger bedrohlich für die Fauna sein. Wobei genau diese Fragen, das Projekt wahrscheinlich noch weitere Jahren bis zur Serienreife kosten könnten. Ohne Dokumentation und wissenschaftliche Begleitung geht ja nichts - auch wenn allerorten schneller Bürokratieabbau und auch mehr Pragmatismus eingefordert wird.

Der Optimismus, dass es klappen könnte, beflügelt unterdessen bereits die Phantasie der Wirtschaft. Die Strommenge aus regenerativem Windrädern könnte sich leicht verdoppeln lassen - fantastische Aussichten auch für Robert Habeck, den grünen Wirtschaftsminister. Wer würde dann noch über Atomkraftwerke diskutieren? Und selbst die FDP könnte sich stolz brüsten, dass ihre propagierte Technologie-Offenheit sich mal wieder voll bewahrheiten würde. Eine Win-Win-Situation könnte sich da bald am Horizont der Lausitz abzeichnen. Schade nur, dass der Spiritus Rector des Vorhabens den Triumph der Technik nicht miterlebt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

avtor1
Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

DWN
Politik
Politik Asylanträge: Deutschland nicht mehr Asyl-Spitzenreiter in Europa
07.04.2025

Im Februar wurde Deutschland bei der Zahl der Asylanträge in Europa erstmals von Frankreich übertroffen. Wie aus der in Nürnberg...

DWN
Politik
Politik Rohstoff-Deal: Ukraine sendet Delegation in die USA
07.04.2025

Die Ukraine wird bald ein Team nach Washington schicken, um über einen neuen Vertrag zu verhandeln, der den USA Zugang zu wichtigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kommt eine Rückkehr ausländischer Firmen nach Russland?
07.04.2025

Nach der jüngsten Annäherung zwischen Kreml und Washington ist in Russland bereits von einem neuen Interesse westlicher Investoren die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU bietet den USA Deal für Freihandel mit Industriegütern an
07.04.2025

Die EU hat den USA einen neuen EU-Deal vorgeschlagen, der die vollständige Aufhebung der Zölle auf Industriegüter vorsieht. Trotz der...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Gibt es ein politisches Argument, jetzt fallende Aktien zu kaufen?
07.04.2025

Die von Donald Trump angekündigten Handelszölle rufen bei Investoren Erinnerungen an die Pandemiezeiten wach, da die Aktien so stark...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX aktuell: Börsencrash 2025 weitet sich aus - DAX-Kurs im freien Fall
07.04.2025

Börsencrash zum Wochenstart: Der DAX-Kurs hat am Montagmorgen drastisch an Wert verloren und sackte zum Handelsbeginn um rund zehn Prozent...

DWN
Finanzen
Finanzen Tesla-Aktienkurs stürzt ab: Ein riskantes Spiel – warum Anleger jetzt besonders vorsichtig sein sollten
07.04.2025

Die Tesla-Aktie steht derzeit im Fokus der Börsenwelt, aber nicht aus den besten Gründen. Der Aktienkurs des Elektroautobauers hat in den...

DWN
Panorama
Panorama Milliardäre Forbes-Liste: Immer mehr Superreiche - wie Reiche trotz Krisen profitieren
07.04.2025

Superreiche trotz Inflation und Krisen noch reicher: Die Zahl der Superreichen ist in den vergangenen 20 Jahren steil angestiegen. Sogar...