Obwohl die Befürchtungen bezüglich einer weiteren Zinserhöhung durch die US-Notenbank Fed anscheinend abgenommen haben, sind die Anleger an den Finanzmärkten laut der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) aufgrund der unsicheren Inflationsaussichten weiterhin zwischen Sorge und Zuversicht hin- und hergerissen. Ein eher schwacher US-Jobbericht am Freitag hat jedoch wieder Hoffnung auf baldige Zinssenkungen geweckt, was die Erwartungen einer ersten Lockerung durch die Fed von November auf September verschoben hat.
Ein nachhaltiges Überschreiten der psychologisch wichtigen 18.000-Punkte-Marke in den kommenden Tagen könnte den Weg zum bisherigen Rekordhoch von 18.567 Punkten ebnen. Aktuell müsste der Leitindex noch etwa drei Prozent zulegen - eine Herausforderung, die angesichts der Performance der letzten Wochen jedoch unwahrscheinlich erscheint. Ein solcher Anstieg wäre das größte Wochenplus seit November, als die Börsenrally erst Fahrt aufnahm.
Laut den Charttechnikern der britischen Bank HSBC steuert der DAX "aktuell auf eine kurzfristige Entscheidungssituation zu, sodass das Investmentmotto derzeit 'Make or Break' lautet". Der Spielraum nach unten ist auf 17 800 Punkte begrenzt. Ein Durchbruch über die jüngsten Zwischenhochs von 18.226 und 18.236 Punkten könnte hingegen die zuletzt trägen Kursbewegungen vergessen machen.
Die Helaba-Ökonomin Claudia Windt zeigt sich dagegen wenig optimistisch für die kommenden Tage: "In der Berichtswoche dürften sich die Anleger weiterhin zurückhalten, insbesondere da keine wichtigen Inflationsnachrichten anstehen." Die Daten zu den Auftragseingängen und zur Produktion am Dienstag und Mittwoch könnten jedoch Aufschluss darüber geben, ob sich eine Konjunkturwende in der deutschen Industrie abzeichnet.
Am Donnerstag liegt der geldpolitische Fokus wahrscheinlich auf der Bank of England, von der Experten keine Zinssenkung erwarten. Die Fachleute der ING Bank gehen ebenfalls nicht davon aus, dass die britische Notenbank ihre Prognosen für die Zukunft ändern wird. "Damit würden sie einer Zinssenkung im Juni zustimmen", so ein Team um den Ökonomen James Smith. Die inflationäre Tendenz sei jedoch noch zu unsicher, betont er. Smith wiederholt seine These einer ersten Zinssenkung im August.
Die Berichtssaison der Unternehmen dürfte weiterhin Impulse liefern. Laut dem Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, verläuft sie bisher besser als in den letzten beiden Jahren. In den USA gibt es positive Gewinnüberraschungen im Bereich von gut 9 Prozent, und in Europa sind sie mit knapp 20 Prozent sogar noch deutlicher.
Vor diesem Hintergrund werden Anleger in den kommenden Tagen die Zahlen und Aussagen vieler DAX-Konzerne genau analysieren. Besonders wichtig ist der Dienstag mit Berichten von Siemens Healthineers, DHL Group, Heidelberg Materials, Zalando und Infineon. Am Mittwoch sind Fresenius, Siemens Energy, BMW und Munich Re ähnlich prominent vertreten.
Ab Donnerstag, wenn in Deutschland Christi Himmelfahrt gefeiert wird, wird die Berichtssaison allmählich abklingen - und möglicherweise auch das Handelsvolumen. Viele Anleger könnten den Feiertag für ein verlängertes Wochenende nutzen, auch wenn die Börse in Frankfurt durchgehend geöffnet bleibt.