Wirtschaft
Kommentar

DWN-Kommentar: Wie Russland den Westen in der Ostsee testet - und China Deutschland im Zollstreit

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch emotional diskutieren. An dieser Stelle stellen wir - wie jeden Freitag - unseren Standpunkt klar. Politikredakteur Farhad Salmanian kommentiert diese Woche die Aktivitäten Russlands in der Ostsee. Putins Seegrenzen-Pläne sorgen in Europa fürs Aufsehen. Deutschland und seine Verbündeten müssen entschlossener sein, um Werte und Stabilität zu verteidigen. Aber auch China spielt ein ähnliches Spiel und lotet aus, wie weit es mit Revanche-Aktionen im Zollstreit punkten kann.
24.05.2024 14:27
Aktualisiert: 24.05.2024 14:27
Lesezeit: 3 min
DWN-Kommentar: Wie Russland den Westen in der Ostsee testet - und China Deutschland im Zollstreit
Das schwedische Fährschiff „Huckleberry Finn“ fährt über die Ostsee (Symbolbild): Die jüngsten Spannungen in der Ostsee unterstreichen die Notwendigkeit eines geschlossenen Vorgehens von Deutschland und der EU (Foto: dpa).

Der russische Präsident, Wladimir Putin, hat in manchen Interviews und Ansprachen auf seine Erfahrungen in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, während seiner Jugend hingewiesen: „In den Straßen Leningrads habe ich eine Regel gelernt: Wenn ein Kampf unvermeidlich ist, musst du als Erster zuschlagen“, sagt Putin, um unter anderem seine Sicht auf Konflikte und sein Verständnis von Machtpolitik zu verdeutlichen.

Die jüngsten Entwicklungen in der Ostsee werfen ein bedrohliches Licht auf die geopolitische Lage in Europa. Der russische Vorstoß, die maritime Grenze im östlichen Teil der Ostsee einseitig neu zu ziehen, hat bei den benachbarten Staaten Besorgnis ausgelöst. Es erinnert daran, dass Putin oft die Logik verfolgt, als Erster zuzuschlagen und die Grenzen neu zu testen.

Das Ganze geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem internationale Spannungen weiter zunehmen, auch durch Chinas Maßnahmen im Handelsbereich und die Erpressungsversuche gegenüber Deutschland. Es ist nötig, diese Ereignisse weiterhin im globalen Kontext zu beobachten und die möglichen Konsequenzen zu analysieren.

Die Ostsee und Russlands Grenzerweiterung

Russlands Verteidigungsministerium hatte zuvor einen Vorschlag zur Neujustierung der maritimen Grenzen im östlichen Teil der Ostsee veröffentlicht, nur um diesen Vorschlag kurz darauf wieder zurückzuziehen. Laut einem Bericht vom belgischen Nachrichtenportal „Euractiv“ würde der Vorschlag die Grenzen in der Nähe der russischen Inseln im Finnischen Meerbusen und in der Nähe der russischen Exklave Kaliningrad neu ziehen. Auch wenn Russland nach wie vor die einseitigen Grenzänderungen bestreitet, werden solche Versuche internationales Recht verletzen und als offensichtliche Eskalation gegen die NATO und die EU wahrgenommen.

Russland hatte in der Nacht zum Donnerstag auch mehrere Markierungen im Grenzfluss Narva zu Estland entfernt. Dieser Fluss markiert die Grenzlinie zwischen den beiden Nachbarländern und zugleich die östliche Außengrenze von EU und NATO. Es ist derzeit unklar, ob Estlands Vorstoß, den den Geschäftsträger der russischen Botschaft in Tallinn als Warnung einzubestellen, überhaupt zu einer Änderung der russischen Strategie führen wird.

„Wir verfolgen auch aufmerksam, was derzeit an Estlands Grenze – dem Fluss Narva – passiert. Estland hat unsere volle Solidarität“, sagte der finnische Premierminister Petteri Orpo.

Internationale Reaktionen und Unsicherheiten

Die Reaktionen der betroffenen Länder, darunter Finnland und Lettland, waren deutlich. Die lettische Regierungschefin Evika Silina und der finnische Premierminister Petteri Orpo betonten, dass Russland keine neuen Grenzen einseitig festlegen kann. Auch der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis nannte den Vorschlag eine „offensichtliche Eskalation“ und forderte eine entschlossene Antwort der Nato und der EU. Die betroffenen Staaten bleiben wachsam und reagieren faktenbasiert auf die Bedrohungen.

Russland setzt zunehmend auf hybride Aktionen, um Unsicherheit und Instabilität zu schaffen. Diese beinhalten sowohl militärische als auch nicht-militärische Taktiken wie Desinformation, Cyberangriffe und wirtschaftliche Erpressung, um Destabilisierung in Zielstaaten zu erzeugen. Diese Strategie erlaubt Russland, ohne direkte militärische Konfrontationen, Einfluss auszuüben und die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft zu testen.

Russlands Aktionen gegen die EU, auch durch die Unterstützung der Rechtspopulisten, sind schon längst bekannt. Die Anstachelung einer Energiekrise in Deutschland und die Vertreibung von Millionen Ukrainern aus ihrer Heimat in Richtung der EU-Staaten während des Krieges gegen die Ukraine treffen die deutsche Wirtschaft hart. Nur wer diesen Teil der Realität übersieht, kann sich darauf konzentrieren, dass eine Taurus-Lieferung an die Ukraine falsch ist.

Chinas Handelsmaßnahmen zeigen Wirkung

Parallel zu den Spannungen in der Ostsee hat China durch verschärfte Zollmaßnahmen und Handelsbeschränkungen seinen Unmut über Deutschlands politische Entscheidungen ausgedrückt. Angeblich erwägt die Führung in Peking, Zölle von 25 Prozent auf importierte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zu verhängen. Vor allem Mercedes und BMW wären davon betroffen - man könnte von Straf-Zöllen als Revanche sprechen. Freilich hat Staatschef Xi und seine Führung dies noch nicht beschlossen. Er hat vielmehr von Putin gelernt, auch seine Nadelstiche geschickt und strategisch gegen den Westen einzusetzen. Die in der chinesischen Staatspresse diskutierten Maßnahmen werden jedenfalls allerorten als wirtschaftliche Druckausübung betrachtet. Deutschland, als Exportnation ist nun einmal besonders empfindlich gegenüber jeglichen Handelsbeschränkungen, die den Zugang zu wichtigen Märkten blockieren könnten. Und das zeigt bereits Wirkung, wie die Debatten auf dem G7-Treffen der Finanzminister in Norditalien beweisen. Bloß niemanden verärgern!

Die Frage ist, können wir uns das bieten lassen? Inmitten dieser geopolitischen Spannungen muss Deutschland seine Position klar und entschlossen vertreten. Es ist entscheidend, dass sich die Bundesregierung weiterhin aktiv für die Förderung demokratischer Prinzipien einsetzt und dabei eng mit seinen internationalen Partnern zusammenarbeitet.

Entschlossenes Handeln erforderlich

Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen in der Ostsee und die Handelskonflikte mit China zeigen deutlich, wie fragil die internationale Lage ist. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Deutschland und die EU ihre Prinzipien verteidigen und geschlossen auf diese Herausforderungen reagieren. Ein entschlossenes Eintreten für internationale Rechtsnormen ist in Zeiten des Zusammenschlusses autoritärer Staaten wichtiger denn je, um Stabilität und Frieden zu gewährleisten.

Auch gegen Deutschland hat Russland bereits als Erster zugeschlagen. Nur manche Politiker wollen es bislang nicht wahrhaben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Wie schützt man seine Krypto-Wallet? CLS Mining ermöglicht Nutzern eine stabile tägliche Rendite von 6.300 €.

Der Kryptowährungsmarkt erholte sich heute umfassend, die Stimmung verbesserte sich deutlich. Meme-Coins führten den Markt erneut an....

avtor1
Farhad Salmanian

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Anpassung an die Klimakrise: EU erhöht Druck beim Ausstieg aus Öl und Gas
20.11.2025

Deutschland hatte sich schon im Vorfeld zusammen mit anderen Staaten in Belém für einen Fahrplan zur Abkehr von Öl, Gas und Kohle stark...

DWN
Politik
Politik Sie gehört zu den mächtigsten Frauen der EU: Jetzt geht sie auf Konfrontationskurs mit Trump
20.11.2025

Die Spannungen zwischen der EU und den USA erreichen einen neuen Höhepunkt. Donald Trump attackiert europäische Digitalgesetze, droht mit...

DWN
Technologie
Technologie Unser neues Magazin ist da: Deutschland digital – warum die Zukunft nicht warten kann
20.11.2025

Deutschland steht an der Schwelle zu einer digitalen Zeitenwende – doch wir zögern. Zwischen überbordender Bürokratie,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hohe Strom- und Arbeitskosten: LKW-Hersteller MAN baut 2.300 Stellen in Deutschland ab
20.11.2025

Der Lastwagen- und Bushersteller MAN will in Deutschland rund 2.300 Stellen abbauen. Belastend seien hohe Strom- und Arbeitskosten und der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU untersucht Google wegen möglicher „Herabstufung von Nachrichteninhalten“
20.11.2025

Brüssel nimmt Googles Anti-Spam-System ins Visier. Die EU vermutet, dass das Google-Ranking Nachrichtenwebseiten systematisch herabstuft...

DWN
Finanzen
Finanzen Ukraine-Hilfen: EU-Kommission rechnet mit möglichen Kriegsende bis Ende 2026
20.11.2025

Die EU plant weitere 135,7 Milliarden Euro Ukraine-Hilfe. Dabei basieren die Vorschläge der EU-Kommission zur finanziellen Unterstützung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stellenabbau auf Negativrekord: Beschäftigung in der Autobranche fällt auf Tief seit 2011
20.11.2025

Die Industrie steckt in einer schweren Krise: Besonders betroffen ist die Autobranche, aber auch im Maschinenbau gehen Tausende Jobs...

DWN
Politik
Politik Kampf gegen Klimawandel: Deutschland gibt eine Milliarde für Tropenfonds
20.11.2025

Deutschland hat bei der UNO-Klimakonferenz in Brasilien eine Milliarde Euro für den globalen Waldschutzfonds TFFF zugesagt. Wie...