Technologie

Klimasatellit „Earthcare“ scannt Atmosphäre - „Das hat sonst keiner“

Das Wissen über die Erdatmosphäre ist lückenhaft. Ein neuer Esa-Satellit soll die Lücken schließen. Nun steht „Earthcare“ vor dem Start - eine deutsch-japanische Erdbeobachtungsmission.
27.05.2024 10:20
Aktualisiert: 27.05.2024 10:20
Lesezeit: 2 min

Auf Dutzenden Monitoren flimmern Zahlenreihen und Tabellen. Aus dem Keller werden Fehler- und Gefahrenmeldungen an die Spezialisten geschickt. Ob Weltraumschrott oder Sandstürme, im Notfall muss schnell reagiert werden. Seit Wochen trainieren Mitarbeiter der europäischen Raumfahrtbehörde Esa im Kontrollzentrum in Darmstadt für den Start des neuen Erdbeobachtungssatelliten „Earthcare“.

Die Mission soll global die Wechselwirkung von Wolken, Aerosolen und Sonneneinstrahlung auf die Atmosphäre untersuchen und so bessere Klimamodelle und Wettervorhersagen ermöglichen. „Das hat sonst keiner“, sagt Nicolaus Hanowski von der Esa-Direktion für Erd- und Umweltbeobachtung in Frascati bei Rom. Der Start ist nach Esa-Angaben für den 29. Mai um 00.20 Uhr (MESZ) geplant.

Neue Dimension der Erdbeobachtung

„„Earthcare“ ist einer der aufwändigsten Earth-Explorer, die wir haben", sagt Hanowski. Erstmals solle damit ein 3D-Modell der Atmosphäre im gesamten Höhenprofil erstellt werden. «Die europäisch-japanische Erdbeobachtungsmission „Earthcare“ wird unser Verständnis zu Klima- und Wetterphänomenen maßgeblich vorantreiben», heißt es beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das in das Projekt eingebunden ist.

Ziel der Mission und der Messungen sei, zu verstehen, wie sich die Atmosphäre im gesamten Höhenprofil verhalte, so Hanowski. Dabei gehe es um die dynamischen Bewegungen, um physikalische und chemische Eigenschaften und wie sich die Atmosphäre global zeitlich verändere. Das könnte man auch mit einem Wetterballon machen, aber dann bekäme man nur ein punktuelles Bild, quasi eine Säule. „Wir machen die Säule dreidimensional, indem wir die komplette Erdoberfläche untersuchen“, sagt der Esa-Spezialist. Die Gesamtkosten für „Earthcare“ mit vier Instrumenten an Bord bezifferte Esa-Missionswissenschaftler Thorsten Fehr auf 800 Millionen Euro für die europäische Seite. Hinzu kämen von der japanischen Raumfahrtagentur Jaxa rund 52 Millionen Euro für eines der Instrumente.

Möglichkeiten für Wettervorhersagen

„Die Daten, die da gesammelt werden, werden von verschiedenen Organisationen genutzt, um Wettervorhersagen konkret zu optimieren", sagt Hanowski. So könnten voraussichtlich auch Unwetter wie die tödliche Flutkatastrophe 2021 im Kreis Ahrweiler besser vorhergesagt werden.

Kurzfristige Warnungen vor derartigen Ereignissen seien indes auch mit den neuen Daten nicht möglich. Es gehe darum, die Vorhersagen zu verbessern, und dazu sei ein Verständnis für die Dynamik von Wolken, Tiefdruckgebieten und der Atmosphäre nötig. „Wir wissen zu wenig über die Wechselwirkung zwischen Sonneneinstrahlung und den verschiedenen Schichten der Atmosphäre.“ Mit aus den Daten gewonnenen Klimamodellen könnten vielleicht auch drohende Dürren prognostiziert werden.

Die Instrumente an Bord von „Earthcare" (Earth Cloud Aeorosol and Radiation Explorer) sollen Dichteprofile, Wassergehalt von Wolken, chemische Zusammensetzung oder auch Art der Moleküle messen und erfassen, um Wechselwirkungen zwischen Wolken, Aerosolen und Sonnenstrahlung zu untersuchen.

Hochkomplexe Instrumente

Wenn seine Solarpanele ausgeklappt ist, ist der Orbiter dem DLR zufolge rund 17 Meter lang, 2,5 Meter breit und 3,5 Meter hoch. Er soll in rund 400 Kilometern Höhe fliegen. Die Instrumente an Bord senden Lichtimpulse und analysieren die reflektierten Signale. Die japanische Raumfahrtbehörde Jaxa habe ein Radar beigesteuert, mit dem sich das Innenleben von Wolken untersuchen lasse. Zudem gebe es ein Instrument, das hochauflösende Bilder im sichtbaren und infraroten Lichtspektrum mache. Das vierte Instrument messe die reflektierte Sonnenstrahlung und die von der Erde ausgehende Wärmestrahlung.

Drei Schritte zum Erfolg

Bis zum Start mit einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX im kalifornischen Vandenberg bereitet sich der Leiter des Kontrollzentrums in Darmstadt, Simon Plum, mit seinen Teams vor: „Wir trainieren auch den Ausfall des Kontrollzentrums.“ Im Notfall müssten schnell Entscheidungen getroffen werden. Für den rund zwei Tonnen schweren Satelliten ist ein reibungsloser Beginn der Mission erwünscht.

Plum zufolge gibt es drei Schritte, die auf dem Weg dorthin klappen müssen: zum einen der Start selbst, dann die Ausrichtung der Solarpanele zur Sonne zur Energiegewinnung und schließlich das Herstellen der Kommunikation mit dem Orbiter. Geht hier etwas schief, wird es im Kontrollzentrum am Starttag nicht heißen: „We have a mission".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Lawrow zu Europa: "Ihr hattet eure Chancen, Leute"
25.11.2025

Europa habe seine Chance verspielt, den Ukrainekonflikt politisch zu entschärfen, behauptet Russlands Außenminister Lawrow – und setzt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
25.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Experten warnen vor wachsenden Risiken am Markt
25.11.2025

Die Finanzmärkte stehen unter spürbarer Spannung, während Anleger die Dynamik rund um künstliche Intelligenz bewerten. Doch weist die...

DWN
Finanzen
Finanzen Doppelbesteuerung Rente: Ob Sie betroffen sind und was Sie tun können!
25.11.2025

In Deutschland müssen auch Rentner ihre Rente versteuern, weil Renten als Einkünfte gewertet werden, obwohl Arbeitnehmer bereits im...

DWN
Politik
Politik Georgiens Krise: Welche Machtverschiebung Europa jetzt alarmieren sollte
25.11.2025

Ein Land am Schwarzen Meer verliert seine demokratischen Sicherungen, während die Regierung Kritiker verfolgt und neue Allianzen mit...

DWN
Politik
Politik Insa-Umfrage aktuell: AfD bleibt in Sonntagsfrage vor Union
25.11.2025

Die aktuelle Insa-Umfrage zeigt eine AfD auf Rekordkurs - und eine Union, die langsam näher rückt. Gleichzeitig bröckelt das Tabu-Image...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle
25.11.2025

Die deutsche Wirtschaft tritt weiter auf der Stelle, während Exporte sinken und Verbraucher sparen. Ökonomen hoffen zwar auf eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell weiter auf hohem Niveau: Kurs steigt deutlich über 4.100 Dollar – Blick geht zur Fed
25.11.2025

Der Goldpreis zieht weiter an und überschreitet wieder wichtige Marken. Doch hinter dem jüngsten Sprung stehen mehr als nur kurzfristige...