Politik

Behörden erfassen mehr von Rechtsextremisten genutzte Immobilien

Der Verfassungsschutz hat nicht nur einen Blick auf die Rechtsextremisten im Land, sondern vor allem auch auf ihre Treffs und Standorte. Eine Statistik des Innenministeriums zeigt nun, dass auch die Immobilien erfasst werden. 225 Objekte wurden Ende Februar gezählt. Der Ort Schnellroda in Sachsen-Anhalt als Treff der Rechten dürfte weit oben stehen auf der Liste.
02.06.2024 11:07
Lesezeit: 2 min
Behörden erfassen mehr von Rechtsextremisten genutzte Immobilien
Der rechte Verleger Götz Kubitschek sitzt in seinem Arbeitszimmer in Schnellroda am Schreibtisch (Archivfoto von 2008). Der auf einem Rittergut in Sachsen Anhalt lebende Kubitschek nutzt es als Plattform für die neue Rechte in Deutschland. (Foto: dpa) Foto: DB Georg Ismar

„Zu Götz aufs Rittergut“ in Schnellroda pilgern. Das ist in rechtsextremen Kreise die Parole, wenn mal wieder beim Vordenker der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, großer Treff ist in Sachsen-Anhalt. Dann kommt auch Martin Sellner von den Identitären stracks angestiefelt - wenn der Grenzschutz ihn ins and lässt.

Derartige einschlägige Treffs gibt es bundesweit - und sie stehen unter Beobachtung. Früher gehörten vor allem vermögende Politiker wie Franz Schönhuber von den Republikanern oder der Zeitungsverleger Frey aus München, der zu Lebzeiten größten Unterstützer der Deutschen Volkspartei (DVP) war, zu den Geldgebern solcher Refugien. Im niedersächsischen Delmenhorst versuchten Gefolgsleute lange, ein leerstehendes Hotel am Stadtpark zu erwerben um darin einen Schulungsort einzurichten. Vielfach sind derlei Vorhaben von engagierten Bürgern verhindert worden. Doch mit der Verbreitung nationalistischer Gedanken, hat sich das Phänomen rechter Pilgerstätten in allen Bundesländern verbreitet. Zynisch werden seit Jahrzehnten angeblich „national befreite Zonen“ auf de Lande eingerichtet - mit dem Effekt, dass sogar das State Department Reisewarnungen aussprach für diese ruralen Gegenden.

Zeltlager in Brandenburg, Nazidorf in Mecklenburg

Heute sind es keine Einzelfälle mehr. Die rechten Zirkel haben sich bundesweit aufgestellt und Grundbesitz zugelegt. Für Schlagzeilen sorgte lange Zeit vor allem das als „Nazidorf verschriene Örtchen Jamel“ bei Gägelow in Mecklenburg. Im Brandenburgischen werden vielerorts Zeltlager und Sportübungen abgehalten. Aber auch bei Treffen im Westen etwa der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ in Fromhausen bei Detmold. Unvergessen: Die Fotos des langjährigen AfD-Vorsitzenden in Brandenburg, Andreas Kalbitz, in Lederhosen und mit seiner stilechten Himmler-Brille - sie haben sich viral verbreitet. Seither wird genauer von den Behörden hingeschaut, wo sich was anbahnt.

Dass die Zahl der bekanntermaßen von Rechtsextremisten genutzten Immobilien in Deutschland steigt, wurde nun vom Bundesinnenministerium den Abgeordneten der Partei Die Linke offiziell bestätigt. Deren parlamentarische Gruppe hatte eine entsprechende Anfrage im Deutschen Bundestag gestellt hatte. Insgesamt „einschlägig genutzte“ 225 Objekte waren den Behörden mit Stand 28. Februar bekannt, wie das Innenministerium mitteilte. Ein gutes Jahr zuvor, am 7. Februar 2023, waren es noch 210 Objekte.

Dabei geht es, wohlgemerkt, nicht etwa Privatwohnungen. „Bei der Erfassung fanden nur solche Immobilien Berücksichtigung, bei denen Rechtsextremisten über eine uneingeschränkte grundsätzliche Zugriffsmöglichkeit verfügen, etwa in Form von Eigentum, Miete, Pacht (d. h. Eigentums- oder Besitzverhältnis) oder durch ein Kenn- und Vertrauensverhältnis zum Objektverantwortlichen. Weitere Erfassungskriterien sind die politisch ziel- und zweckgerichtete sowie die wiederkehrende Nutzung durch Rechtsextremisten.“

Häufung der Objekte vor allem im Osten

Insbesondere im Osten gibt es eine Häufung - mit 37 Objekten in Sachsen, 36 in Sachsen-Anhalt, 24 in Thüringen und je 21 in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Zwei Immobilien, so heißt es, wurden im Rahmen eines Verbots einer rechtsextremistischen Vereinigung 2023 vorerst beschlagnahmt.

Die Zahl tatsächlich von Rechtsextremen genutzten Immobilien dürfte noch höher liegen, weil das Ministerium nicht in allen Fällen nähere Angaben machen möchte, etwa um Hinweisgeber aus der Szene zu schützen. „Zu weiteren 125 Immobilien liegen den Verfassungsschutzbehörden geheimhaltungsbedürftige Informationen vor“, schrieb das Ministerium in seiner Auskunft. Auch hier steigt die Zahl: Im Vorjahr waren es 112 Immobilien.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
avtor1
Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

DWN
Finanzen
Finanzen Hugo Boss-Aktie: Machtkampf mit Großaktionär Frasers?
01.12.2025

Beim Modekonzern Hugo Boss knirscht es im Machtgefüge: Der wichtigste Investor zieht dem Aufsichtsratschef die Unterstützung weg,...

DWN
Finanzen
Finanzen Airbus-Aktie fällt nach A320-Software-Update
01.12.2025

Ein Pflicht-Update für die A320-Reihe schickt die Airbus-Aktie auf ein Zweimonatstief. Airlines reagieren hektisch, doch der Hersteller...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht zum Wochenstart ab: Liquidationswelle bringt Kryptowährungen unter massiven Druck
01.12.2025

Der Bitcoin-Kurs startet tiefrot in den Dezember: Ein Wochenend-Schock hat den Markt binnen Stunden umgekrempelt. Liquidationen rollen auf...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Wird 2026 alles steigen? Prognose für Aktien, Bitcoin-Kurs und Goldpreis
01.12.2025

Der November brachte an den US-Börsen einen synchronen Aufschwung über sämtliche Anlageklassen hinweg. Jetzt legen die größten Häuser...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividenden-Aktien: Wie Anleger jetzt potenzielle Dividendenrenditen erkennen
01.12.2025

Dividenden-Aktien gewinnen für Anleger in unsicheren Zeiten an Bedeutung, da sie regelmäßige Ausschüttungen mit potenziellem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Industriestimmung trübt sich stärker als erwartet ein
01.12.2025

Die Industriestimmung in der Eurozone zeigt sich schwach am Jahresende: Der Einkaufsmanagerindex ist im November erneut unter die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs vor dem Jahresende: KI-Blase oder Rally?
01.12.2025

Auf Jahressicht glänzt der DAX-Kurs mit einem kräftigem Plus – doch unter der Oberfläche wächst die Nervosität. Zum Auftakt der...

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen: Wie laufen die Gespräche über ein Kriegsende in der Ukraine?
01.12.2025

Erstmals seit Kriegsbeginn sitzen westliche und russische Vertreter offiziell über einem Plan zum Kriegsende in der Ukraine. Nach heftiger...