Wirtschaft

Deutschland will Umlage für Gastransit abschaffen

Höhere Gas-Transitkosten wegen der Abgabe sorgen vor allem in Mittel- und Osteuropa für Unmut - damit soll nun Schluss sein. Müssen jetzt Kunden in Deutschland mehr zahlen?
02.06.2024 09:27
Lesezeit: 3 min

Deutschland will die in Europa umstrittene Gasspeicherumlage an den Grenzübergangspunkten mit den Nachbarländern abschaffen. Darauf habe die Bundesregierung sich verständigt, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold in Brüssel bei einem Treffen der EU-Energieminister. Dies werde die Kosten für den Gastransit durch Deutschland erheblich senken und die gemeinsamen Bemühungen unterstützen, auch Nachbarländern eine Abkehr vom russischen Gas zu ermöglichen. Für Verbraucher in Deutschland könnte der Schritt Mehrbelastungen zur Folge haben.

Gasspeicherumlage als Kriseninstrument eingeführt

Die Umlage wurde im Herbst 2022 infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine und der daraus folgenden Energiekrise eingeführt. Der Firma Trading Hub Europe, die für die deutsche Gasmarkt-Organisation zuständig ist, wurden dadurch die Kosten zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit, etwa für den Gaseinkauf, ersetzt. Die Umlage betrifft nicht nur Unternehmen und Verbraucher in Deutschland, sondern auch Importeure in Nachbarländern, die Gas über deutsche Pipelines beziehen. Da für die Abschaffung eine gesetzliche Änderung nötig wird, ist der frühestmögliche Zeitpunkt den Angaben zufolge der Jahresbeginn 2025.

Es sei niemals die Absicht gewesen, mit der Umlage die Integration der Märkte in Europa zu behindern oder gar die Unabhängigkeit von Russland zu stören, betonte Giegold. „Es ist geradezu umgekehrt. Mit dieser Umlage wurde die Befüllung der Gasspeicher finanziert, die uns geholfen hat, unabhängiger und stabiler den Markt in Europa zu halten.“

Genaue Folgen für Verbraucher vorerst offen

Zuletzt wurde die Erhebung bis April 2027 verlängert. Ab Juli soll die Umlage von derzeit 1,86 Euro auf 2,50 Euro pro Megawattstunde steigen. Berechnungen des Vergleichsportals Verivox zufolge bezahlt ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh ab Juli 2024 rund 60 Euro brutto pro Jahr für die Gasspeicherumlage. Der Anteil der Gasspeicherumlage an der gesamten Gasrechnung betrage dann rund zwei Prozent.

Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, kritisierte die Entscheidung als vorschnell. Bevor Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegenüber Nachbarländern einseitige Versprechungen zulasten der deutschen Gaskunden mache, müssten alle Möglichkeiten einer fairen Lastenverteilung zwischen den deutschen und ausländischen Gaskunden ausgelotet werden, sagte Kruse. „Es muss sichergestellt werden, dass Nutzer deutscher Gasspeicher aus dem Ausland angemessen an der Speicherumlage beteiligt werden. Diese Kosten dürfen nicht auf die deutschen Gaskunden umgelegt werden.“

Staatssekretär Giegold sagte: „Die Kosten werden gemäß der bisherigen Gesetzgebung natürlich verteilt werden müssen, aber das ist dann auch Gegenstand des Gesetzgebungsprozesses.“ Es sei davon auszugehen, dass die Umlage - anders als beim Export im Inland - weiter erhoben werde: „Das öffentliche Gut ist ja weiter zu finanzieren.“ Die zuständige Trading Hub Europe kalkuliert die neue Umlagehöhe laut Wirtschaftsministerium zum Ende des Jahres auf Basis aktueller beziehungsweise zu erwartender Gasverbräuche.

Trading Hub Europe (THE) teilte mit, das Unternehmen habe die politischen Überlegungen zur Gasspeicherumlage vernommen. Falls es zu einer Änderung im Gesetz komme, würde THE die Umlage zum 1. Januar 2025 auf Basis der inländischen Verbrauchsmengen neu berechnen. „Jedoch haben wir in unseren Prognosen für die nächsten Gasspeicher-Umlageperioden nur noch geringe Volumina an Grenzübergangspunkten angenommen, sodass die Auswirkungen vermutlich gering ausfallen werden.“

In Europa sehr umstritten

Die deutsche Gasspeicherumlage ist in der EU umstritten, insbesondere bei mittel- und osteuropäischen Ländern. Die durch die Umlage erhöhten Transitkosten träfen die Regionen unverhältnismäßig stark und erschwerten den Zugang der EU-Mitgliedstaaten dieser Regionen zu Gasimporten aus Westeuropa, monieren sie. Infolgedessen könnten einige Länder gezwungen sein, sich stärker auf Gasimporte aus Russland zu verlassen. Das könnte ihre geopolitischen Abhängigkeiten erhöhen und die Bemühungen um eine Diversifizierung der Energiequellen untergraben.

Auch EU-Energiekommissarin Kadri Simson hatte darauf hingewiesen, dass solche Maßnahmen von Einzelstaaten die breitere Streuung von europäischen Gasimporten gefährden könnten. Sie hat nach eigenen Angaben mehrere Briefe nach Berlin geschickt.

Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler sprach in Brüssel von „guten Nachrichten“. Man sehe, dass Gasflüsse von Deutschland nach Österreich - also Alternativen zu russischem Gas - mit Erhöhung der Abgabe drastisch zurückgegangen seien. „Das heißt, das ist ein Faktor, der Österreich die Diversifizierung erschwert.“ Man habe sich daher intensiv in vielen Gesprächen um eine Lösung bemüht. „Ich freue mich, dass die vielen Gespräche und auch der Druck aus den Nachbarländern geholfen haben und die deutsche Regierung das jetzt angeht“, sagte die Grünen-Politikerin.

Österreich hatte zuletzt zusammen mit Delegation aus Ungarn, Tschechien und der Slowakei in einem zu dem Energieministertreffen eingebrachten Tagesordnungspunkt ernsthafte Bedenken geäußert.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EZB-Zinsentscheid: Steht Europas Geldpolitik vor einem Kurswechsel?
17.12.2025

Die Geldpolitik in Europa gerät in Bewegung, während sich die Signale der Europäischen Zentralbank spürbar verändern. Deutet der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VW-Aktie im Fokus: Was die Werksschließung bei Volkswagen für die Autoindustrie bedeutet
16.12.2025

Ein symbolträchtiger Standort der deutschen Autoindustrie schließt seine Tore und rückt die VW-Aktie erneut in den Fokus von Anlegern...

DWN
Politik
Politik Teure Mieten, hohe Steuern, weniger Kinder: Auswanderungen aus Deutschland weiterhin auf hohem Niveau
16.12.2025

Nach wie vor wandern sehr viele Menschen aus Deutschland aus, gleichzeitig bekommen Deutsche immer weniger Kinder: Eine fatale Entwicklung...

DWN
Politik
Politik Umfrage: Spätere Rente für Akademiker spaltet die Deutschen
16.12.2025

Sollte das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre gekoppelt sein? Die Bürger sind sich darin nicht einig. Deutsche mit Abitur...

DWN
Politik
Politik CDU-Vorsitz: Einstimmiges Votum aus NRW - Merz soll CDU-Chef bleiben
16.12.2025

Friedrich Merz erhält einstimmige Unterstützung aus NRW für eine weitere Amtszeit als CDU-Bundesvorsitzender. Der Vorschlag kommt von...

DWN
Politik
Politik Anschlag geplant? Terrorverdächtiger in Magdeburg reiste legal ein
16.12.2025

Mit Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem 21-jährigen Mann in...

DWN
Politik
Politik Sudan führt auch 2026 Krisenliste von Hilfsorganisation an
16.12.2025

Die Hilfsorganisation IRC erstellt jeden Dezember eine Liste von Krisenstaaten, die im Folgejahr zu beachten sind. Der Sudan steht im...

DWN
Finanzen
Finanzen Bargeld: Barzahlen wird bei Behörden zur Ausnahme - Bundesbank sieht Akzeptanzlücken
16.12.2025

Bargeld ist in Deutschland nach wie vor beliebt, doch in Ämtern und Behörden stößt man damit nicht immer auf offene Türen. Die...