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DWN-Interview mit Samira Charkaoui: Mobbing am Arbeitsplatz – Prävention und Unterstützung für Führungskräfte

Lesezeit: 6 min
21.06.2024 07:36  Aktualisiert: 21.06.2024 08:06
Durch Mobbing am Arbeitsplatz könnten Milliardenverluste für Unternehmen entstehen. Die DWN sprachen mit Samira Charkaoui, Gründerin vom ESG INSTITUT, um zu erfahren, wie neues Führungskräftecoaching Eskalation abfedern soll.
DWN-Interview mit Samira Charkaoui: Mobbing am Arbeitsplatz – Prävention und Unterstützung für Führungskräfte
Mobbing am Arbeitsplatz könnte für Unternehmen erhebliche Kosten verursachen. Eine frühzeitige Aufklärung und die Unterscheidung zwischen Mobbing und normalen Konflikten sind von großer Bedeutung (Foto: dpa).
Foto: Twentieth Century Fox

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Es gibt kaum ein Unternehmen, bei dem es keine Konflikte am Arbeitsplatz zwischen den Mitarbeitern (Mobbing) oder mit den Vorgesetzten (Bossing) gibt. Dort, wo Menschen zusammentreffen, ist Reibung normal. Doch die wenigsten kennen den Schaden, der durch die Folgen von Mobbing einem Unternehmen entstehen kann. Mit zunehmendem Druck, der gerade jetzt in Zeiten von Fachkräftemangel und wirtschaftlichen Konflikten entsteht, steigt die Mobbinggefahr. Schikane am Arbeitsplatz bedeutet Stress für die Betroffenen, die in Folge oft davon krank werden und ihrer Arbeit schlimmstenfalls gar nicht mehr nachgehen können. Darüber hinaus entstehen den Unternehmen in Deutschland beträchtliche Schäden in Milliardenhöhe jedes Jahr.

Die Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin von 2002 hat bereits damals ermittelt, dass in einem Unternehmen mit 100 Mitarbeitern drei von Mobbing in der Regel betroffen sind. Jüngere Studien von YouGove von 2021 zeigen, dass sich die Zahlen kaum geändert haben. Aktuell geben 29 Prozent aller Mitarbeiter an, unter dem Verhalten von Kollegen zu leiden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund beziffert den jährlichen mobbing-bedingten betriebswirtschaftlichen Schaden auf jährlich bis zu 25 Milliarden Euro. Summen, die kaum einer kennt.

Samira Charkaoui ist Gründerin des Environment Social Governance INSTITUT (ESG) und hat mit Ihrer Idee, frühzeitige Workshops für Mobbingprävention mit Führungskräften ohne Fingerpointing anzubieten, den Gründerpreis „Inspire Awards“ des Vereins Jumpp gewonnen. Ursprünglich kommt sie aus dem Bereich Risiko-Management. Das neue Angebot ist in dieser Form bisher einmalig in Deutschland und erfolgreich am Start.

DWN: Was genau versteht man unter Mobbing, was ist zulässig, was nicht?

Charkaoui: Das ist eine gute Frage, da oft Mobbing gerufen wird, wo keins stattfindet, oder wo es durchgeführt wird, aber aus u.a. Scham zu lange geschwiegen wird. Doch zunächst ist vollständigkeitshalber vorab zu erwähnen, dass Mobbing gerne stellvertretend übergreifend erwähnt wird, denn es existiert zudem auch Bossing und Staffing. Insgesamt beschreibt der Mobbing Prozess, dass eine Person über einen längeren Zeitraum systematisch von einem oder mehreren Kollegen/Führungskraft fertiggemacht wird, mit dem Ziel, diesen Menschen aus dem Team oder Organisation zu drängen und zur Kündigung zu nötigen. Die Bezeichnung gibt die Hierarchieebene an, von wo aus es ausgeht – ob von der Führungskraft, von den Mitarbeitern, vom Team, und ob die systematische Ausgrenzung innerhalb eines Teams stattfindet.

DWN: Was hat Sie dazu bewegt, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen?

Charkaoui: Nachdem ich wiederholt beobachtet hatte, wie ein sehr großes Projekt wegen interner Missstände durch Mobbing in einer Abteilung eines Kunden gescheitert ist, war mir klar, dass ich mich als Teil der Lösung auf den Weg machen muss. Nachdem ich durch Studien wie z. B. KPMG „Konflikt & Mobbing“ von jährlich 30 Milliarden Euro Mobbingkosten allein in Deutschland in Unternehmen, Finanzinstituten, dem Gesundheitswesen und Behörden in der Mindestsumme gelesen hatte, war mein Auftrag klar. Kosten für Krankenkasse und Frühverrentung kommen zusätzlich dazu. Mobbing, Bossing, Staffing ist ein Gewinn-Verbrenner und die fehlende frühzeitige professionelle Aufklärung ohne Fingerpointing in Unternehmen hat mich berufen.

Die regelmäßige Beobachtung, wie in meinen Projekten im Risikomanagement vom Vorstand bis in alle Abteilungen hinein, dass Mobbing als Gewinn-Verbrenner branchenübergreifend Deals zunichtemachte, hat mich in meinem Unternehmerherz regelmäßig sprachlos gemacht. Vor allem auch, dass zu viele teilweise wegen Unwissenheit wegsehen. Für eine Zusammenarbeit ist Vertrauen und Zuverlässigkeit das Wichtigste und beim Mobbinggeschehen erfährt der Kunde unterschiedliche Missstände, die ihn zu Recht an einer Zusammenarbeit zweifeln lassen, so dass oft schon im Onboarding Dienstleistungsverträge gekündigt wurden oder nach Testphasen erst gar nicht gestartet sind.

Konflikte sind normal und wichtig unter starken Persönlichkeiten, doch wer kennt den Unterschied vom Konflikt zum Gewinn-Verbrenner Mobbing und weiß, was zu tun ist? Menschen besteigen die Karriereleiter, da sie fachlich stark sind und/oder ungewöhnlich gute Performance bieten, doch wer kann eskalierte Konflikte professionell lösen?

DWN: Was genau bieten Sie in Ihrem Workshop an?

Charkaoui: Je nach Gruppe und Wunsch werden die Workshops aufgesetzt, in aller Regel 2 x 4,5 Stunden. Unsere Zielgruppe umfasst Führungskräfte, Vorstände und Geschäftsführer, die mit der Top-down-Methode die Organisation unterstützen.

Unsere effektiven Workshops fokussieren sich nur auf das Wichtigste, damit machen wir die Teilnehmer frühzeitig handlungsfähig, den Unterschied vom Konflikt zum heimlichen Feind Mobbing zu erkennen, die Bedeutung von Mobbingkosten zu realisieren und auch zu verstehen, was im Fall eines Falles zu tun ist.

DWN: Wann ist der beste Zeitpunkt für Unternehmen, Mobbing-Prävention durchzuführen?

Charkaoui: Jederzeit und regelmäßig. Wissen gelangt schnell in Vergessenheit und Mitarbeiter wechseln die Arbeitsplätze, so sitzt schnell wieder ein Team ohne Wissen zu Mobbingprävention zusammen. Da Wissen auch in Vergessenheit gerät und wir einen hohen Anspruch auf Qualität und Authentizität haben, geben wir auf unsere Workshop SDG8 Zertifikate auf 2 Jahre aus. Denn schon länger verkünden Unternehmen „Diversity“ in den sozialen Medien und vergessen oft, dass „Diversity“ kein automatischer Knopfdruck ist, der sich bei der übrigen Belegschaft von selbst einstellt. In die Haltung für ein „Diversity“ muss man erst kommen. Wer über miese Arbeitsbedingungen klagt und ignoriert wird, doch stattdessen 20 neue Kollegen aus der Ukraine in die Pflege einarbeiten soll, findet logischerweise keinen motivierten Mitarbeiter, der diese Transformation mitmachen kann oder will.

Zusätzlich macht sich der Zeitgeist von AfD-Rassismus auch am Arbeitsplatz bemerkbar. Kulturelle Vielfalt, Frauenquote, KI und die allgemeine Unsicherheit am Arbeitsplatz befeuern Mobbing und alle sehen lediglich zu, oft auch weil sie nicht wissen, was zu tun ist. Hier hilft das, was unzählige Experten bei Studien und Auswertungen empfehlen: regelmäßige Mobbingprävention.

DWN: Was unterscheidet Ihr Angebot von anderen Mobbing-Präventivangeboten?

Charkaoui: Durch unser branchenübergreifendes Wissen werden wir in den D-A-CH Ländern vor allem von erfolgreichen Unternehmen angefragt, weil wir in der entsprechenden Branche praxisorientierte Workshops durchführen, die auf die jeweilige Herausforderung und Bedürfnisse der Führungskräfte zugeschnitten sind. Hier klären wir nicht nur auf, sondern machen den Gewinn-Verbrenner Mobbing mit seinen Kosten sichtbar. Das schafft schnell einen Perspektivenwechsel. Zusätzlich fokussieren sich unsere effektiven Workshops nur auf das Wichtigste, damit machen wir die Teilnehmer handlungsfähig, frühzeitig den Unterschied vom Konflikt zum heimlichen Feind Mobbing zu erkennen und zu verstehen, was im Fall eines Falles zu tun ist.

Außerdem befähigen wir, mit Hilfe vom Konstruktivismus die Führungskräfte den Change Prozess bzw. die Transformation am Arbeitsmarkt positiv zu beeinflussen und damit in der Lage zu sein, die Mitarbeiter erfolgreich mit auf die Reise nehmen zu können. Meine Erfahrung im „Inner Circle of Mobbing“ erlaubt zudem praxisbewährte Unterstützung der Führungskräfte. Unsere D-A-CH Kunden schätzen ebenso die Qualität und Aktualität, die wir im ESG INSTITUT für D-A-CH als Sprachrohr durch den regelmäßigen Austausch mit den führenden internationalen Instituten für Mobbingprävention sicherstellen. Was bei dieser Herausforderung von Bedeutung ist und uns mit qualitätsorientierten Kunden zusammenbringt, ist unsere vollständige Unbestechlichkeit. Unsere Zertifikate sind bei Fachkräften und Rating-Agenturen beliebt und einzigartig. Wir geben kein Zertifikat aus, wenn die Workshops nicht nach unseren Ansprüchen durchgeführt werden konnten.

Zu oft werden wir um Hilfe gebeten, da die Organisation Mitarbeiter durch „Alibi Mobbing Weiterbildung“ am PC im Rahmen von Multiple Choice Test jagt, die jedoch allen Mitarbeitern automatisch eine Teilnahmebestätigung ausgibt, ohne tatsächlich zu verstehen, was Mobbing bedeutet oder verhindert und das Mobbinggeschehen weiterhin läuft. Dementsprechend habe ich einige Anfragen abgelehnt, indem mir Geld für das Zertifikat angeboten wurde, ohne dass man die Führungskräfte in den Workshop schicken wollte.

Das Wichtigste in unseren Workshop mit Führungskräften ist die Mobbingprävention ohne Fingerpointing, es geht nur mit dem Blick nach vorne. Aktuelle Fälle werden nur auf Wunsch im kleinen Zirkel besprochen und im Workshop nicht zugelassen.

DWN: Welchen Vorteil haben Unternehmen durch Ihren Kurs?

Charkaoui: Folgende 3 Kostensäulen werden verringert:

  • Mitarbeiter: Krankheit, Fehlzeiten, Leistungsminderung des Betroffenen und des gesamten Teams
  • Performance: Projektverschleppung, Terminverzögerung bei Kundenaufträgen, Team-/Prozessprobleme, Kommunikationsschwierigkeiten.
  • Unternehmen: Imageverlust, Reputationskosten, Arbeitsrechtliche Sanktionen, Prozesskosten, Personalfluktuation, Zeitinvestment durch Recruiting ( HR und Geschäftsleitung), Verlust an Arbeitszeit durch Diskussionen/Gespräche, Investition an Headhunter, Kundenverlust, entgangene neue Aufträge

Unternehmen stellen durch die Mobbingprävention einen reibungslosen und starken Teamzusammenhalt her und nachhaltige Gewinne sicher. Man weiß durch unzählige Gallup Studien, dass nur Menschen, die sich am Arbeitsplatz wohlfühlen, um ein Vielfaches bessere Ergebnisse abliefern. Derzeit sind ca. 21 Prozent der Menschen noch mit ganzem Herzen dabei. Der überwiegende Teil arbeitet passiv aggressiv gegen das Unternehmen.

DWN: Was raten Sie Mobbing-Opfern, sollte es dazu gekommen sein?

Charkaoui: Meine Empfehlung ist: Alles, was sich aus dem „Bauch“ heraus komisch anfühlt, direkt zu kommunizieren. Die Reihenfolge ist, erst mit dem Aggressor sofort das Gespräch aufsuchen, bei fehlender Besserung mit der Führungskraft und HR sowie Betriebsrat sprechen. Da Mobbing für viele schwierig zu erklären ist, sofort mit den klassischen W- Fragen ein Mobbing Tagebuch anzulegen und jeden Fall zu dokumentieren.

Wer hat was, wann, wie, zu wem gesagt oder gemacht und wie habe ich mich dabei gefühlt? Das Mobbing Tagebuch ist für Richter ein wesentlicher Gegenstand für seine Entscheidungen. Je nach Fall, kann man Strafanzeige erstatten und den Arbeitgeber bei fehlender Unterstützung als auch den Aggressor für die seelische Gewalt verklagen. Wir haben sehr gut ausgebildete Richter, die sehr genau erkennen, was in den Unternehmen und Menschen vorgeht und man darf sehr mutig und optimistisch bleiben.

Kontaktadressen:

Vorab als Erinnerung: Mobbingbetroffen sind Menschen und Unternehmen!

Es gibt in den D-A-CH Ländern unterschiedliche Hilfestellen für Mobbingbetroffene und für Unternehmen, die entweder frühzeitig Mobbingprävention ohne Fingerpointing oder im Mobbingfall Unterstützung erhalten möchten. In Deutschland gibt es mittlerweile für Mobbingbetroffene bundesweite unterschiedliche Hilfetelefone, die sich auf psychosoziale Beratung spezialisieren und Unterstützung bei Mobbing anbieten z. B.:

Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 (kostenlos und rund um die Uhr erreichbar)

Ich empfehle tatsächlich auch „Mobbinghilfe“ und die Stadt, in der man wohnt bei Google einzugeben, dort bekommt man die nächste Hilfe angezeigt und man kann direkt prüfen, welche Hilfe zu einem passt.

Für Unternehmen, ob KMU oder Konzerne, empfehle ich für die D-A-CH Länder, das ESG INSTITUT für Mobbingprävention, da diese für eine schnelle und individuelle Unterstützung bekannt sind und zum nachhaltigen Verständnis Konfliktkosten sichtbar machen. Über LinkedIn gibt es dazu mehr Informationen

www.linkedin.com/in/samira-c-20614712/

 

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Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

 


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