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Energiewende-Fonds: Wie Anleger die Energiewende retten sollen - und wo der Denkfehler liegt

Lesezeit: 3 min
08.06.2024 08:00  Aktualisiert: 08.06.2030 08:00
Erfolgreiche Börsenprodukte für Solaranlagen und Windparks gibt es schon lange in Form von ETFs, Aktien und Investmentfonds. Aktienstrategien mit dem Fokus auf saubere Energie gehören zu den erfolgreichsten der vergangenen Jahre. Das sollen sich Kommunen und Energiebetriebe jetzt bei der stockenden Energiewende zunutze machen - mit Energiewende-Fonds. So steht es in einem Konzept des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Firma Deloitte. Was heißt das konkret?
Energiewende-Fonds: Wie Anleger die Energiewende retten sollen - und wo der Denkfehler liegt
Mit Schulden finanziert: Kai Wegner (l), Regierender Bürgermeister von Berlin, Christian Feuerherd, Vorstandsvorsitzender der Vattenfall Wärme Berlin AG, und Franziska Giffey (SPD), Berliner Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, bei der Übernahme des Fernwärmenetzes in der Hauptstadt im Mai 2024 (Foto: dpa).
Foto: Carsten Koall

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Der Finanzbedarf ist enorm. Städte und Kommunen sowie deren Stadtwerke und Energieversorger können das ohne Unterstützung nicht mehr stemmen, das zeichnet sich seit Monaten schon ab. Deshalb schlägt die Energie- und Wasserwirtschaft jetzt eine Garantieübernahme durch den Staat vor, was Investitionen für private Geldgeber attraktiver machen würde. Nach dem Vorbild von Windanlagen und dem Solarbereich müssten Anreize geschaffen werden, so die gewachsene Erkenntnis. Die öffentliche Hand werde es allein nicht schaffen, den Hebel schnell genug umzulegen.

Das ist der Tenor eines Papiers, das vor wenigen Tagen in Berlin der Öffentlichkeit vorgelegt wurde. Demnach rechnet die Energiewirtschaft bis 2030 mit Investitionen in Höhe von 721 Milliarden Euro in die Energiewende in Deutschland - bis 2035 sind sogar 1,2 Billionen Euro nötig.

Der Plan: Lieber auf Anleger-Kapital zurückgreifen

Viel Geld, doch die Lösung ist bewährt und klingt nicht gerade nach Hexenwerk. Und dennoch wird damit ein ganz anderer Weg beschritten, als von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bislang favorisiert. Er hat sich jahrelang auf die Einflüsterer der Denkfabrik „Agora Energiewende“ verlassen, die im November 2021 einen einschlägigen Finanzierungsvorschlag vorgelegt hatten.

Maßgeblich formuliert wurde er, kaum mehr überraschend, von Patrick Graichen, dem späteren Staatssekretär Habecks. Er hat Deutschland bereits in die Katastrophe mit der Wärmepumpe geführt. Offenbar hatte Graichen aber auch keinen funktionierenden Kompass für den Netzausbau in der Tasche. Der Gedanke, dass Vater Staat das aus dem Haushalt allein anschieben kann, ist krachend gescheitert. Ohne den Markt wird es nicht schnell genug vorangehen.

Energiewende-Fonds: Professionelle Strukturen zunutze machen

Die Verbände fordern von der Regierung nun, ein klares, marktwirtschaftliches Zeichen zu setzen. Die Gelder sollen insbesondere für den Ausbau erneuerbarer Energien, den erforderlichen Aus- und Umbau der Strom-, Fernwärme- und Gasnetze sowie die Dekarbonisierung des Wärmesektors und den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft eingesetzt werden.

„Die erforderlichen Investitionen können nur gestemmt werden, wenn Energieunternehmen, Finanzwirtschaft und der Staat an einem Strang ziehen und alle Möglichkeiten der Finanzierung ausschöpfen“, erklären die Verbandssprecher. Die Mobilisierung von privatem Kapital sei „von zentraler Bedeutung“. Der Energiewende-Fonds soll demnach zunächst auf ein Volumen bis zu 50 Milliarden Euro ausgelegt sein und mit wachsendem Bedarf ausgeweitet werden. Professionelle Fondsstrukturen und staatliche flankierende und risikominimierende Maßnahmen (wie Bürgschaften durch Bund und Länder) sollen für Konditionen sorgen, die für Kapitalgeber und internationale Anleger am Markt hinreichend attraktiv wirken.

Bisher sind Investitionen der öffentlichen Hand und der Energiebetriebe weitgehend kreditfinanziert. Weil aber die Finanzierung in den kommenden Jahren erheblich gesteigert werden müssen, sei mehr Fremdkapital unerlässlich, um die Eigenkapitalquote der Unternehmen senken zu können. Um jedoch für Finanzkreise als Kreditgeber attraktiv zu sein, muss erst einmal die Eigenkapitalquote verbessert werden.

Ohne privates Kapital wird es nicht gehen, also müssen die Investitionen - um im Wettbewerb mit anderen Anlagemöglichkeiten hervorzustechen - gezielt befördert werden. Ein „Energiewende-Fonds“, so das neue Werkzeug und Schlagwort, soll die Risiken abschirmen und Kapital am Markt anlocken.

Energiewirtschaft wünscht sich Win-win-Situation

„Ob die Energiewende spürbar vorankommt, entscheidet sich vor Ort in den Kommunen. Doch selbst kerngesunde und leistungsfähige Stadtwerke werden die hohen Investitionen, die sie in einem sehr kurzen Zeitraum tätigen müssen, kaum allein stemmen können“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen, Ingbert Liebing, ganz offen. „Zudem dürfen wir die Preis-Belastungen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht aus den Augen verlieren. Deshalb ist der Energiewende-Fonds so wichtig“, ergänzt Liebing.

Ohne ausreichende und langfristig verlässliche Renditen sowohl für die Energiewirtschaft als auch für private Kapitalgeber, warnen Ökonomen wohlweislich, werde „die Energiewende nicht finanzierbar“ und de facto stecken bleiben. Es sei daher vordringliche Aufgabe der Politik, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. Neben der Stärkung des Eigenkapitals sind für Investitionen in den Netzausbau und erneuerbare Energien ein regulatorischer Finanzierungsrahmen, vonnöten, der dem Finanzmarkt-Umfeld entspricht und überzeugende Kapitalrückflüsse sicherstellt. „Eine Win-win-Situation für Investoren, Staat und Energiewirtschaft“, nennt es Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

„Angesichts der bereits weitgehend ausgeschöpften Schulden-Tragfähigkeit vieler Unternehmen konzentriert sich der Energiewende-Fonds zunächst auf die Stärkung des Eigenkapitals und die daraus resultierenden Hebeleffekte für die Kreditaufnahme“, so der Rat von Hans-Jürgen Walter, Partner Financial Services und Sustainable-Finance-Experte Deloitte.

1.200 Milliarden auftreiben - so ganz Old School

Fragt sich nun eigentlich nur noch, wann endlich auch die versammelten Stakeholder in Immobilienwirtschaft und Baubranche zusammen mit Mieterbund und Grundeigentümern aufstehen und das gleiche Vorgehen im Neubaubereich fordern. Um im Bilde zu bleiben, hätte Graichen den verantwortlichen Politikern (wie lange Zeit in der Hauptstadt gang und gäbe) vermutlich geraten, kostbare Steuergroschen zum Ankauf bestehender Wohnungen aufzuwenden oder eben gleich Immobilien-Konzerne wie Vonovia oder Deutsche Wohnen zu enteignen. Die früher mal im Lande einmal bestens wirksamen Anreize zum Wohnungsbau zu setzen und Investoren und Anleger zu Investitionen zu ermutigen, dürfte für Graichen und seine Agora-Genossen ein abwegiger Gedanke sein.

Es wird allmählich Zeit, dass sich Robert Habeck - ganz und gar Old School - in seinem Ministerium bei erfahrenen Beamten umhört, wie einst wirtschaftliche Impulse gesetzt worden sind in der Bundesrepublik; bevor die jungen Akademiker und Ideologen an die Macht kamen und glaubten, sie könnten es besser.

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


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