"Wir bieten jetzt Sozialdemokraten und Liberalen die ausgestreckte Hand an und ich warte auf Rückmeldung", sagte EVP-Chef Manfred Weber (CSU) im Deutschlandfunk.
Angesichts des klaren Wahlsiegs des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP ist es wahrscheinlich, dass die CDU-Politikerin von der Leyen eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission bekommt. Für die notwendige Wahl im Europäischen Parlament benötigt sie jedoch die Unterstützung anderer Parteienfamilien wie den Sozialdemokraten und Liberalen, die im Gegenzug andere Spitzenposten besetzen wollen.
Wer besetzt die Spitzenposten?
Im Fokus stehen insbesondere die Ämter des EU-Ratspräsidenten und des EU-Außenbeauftragten. Derzeit leitet der belgische Liberale Charles Michel als EU-Ratspräsident die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs, und EU-Chefdiplomat war in den letzten fünf Jahren der spanische Sozialdemokrat Josep Borrell. António Costa, der frühere portugiesische Regierungschef, gilt als möglicher Kandidat für den Ratschef-Posten, während Kaja Kallas, die estnische Regierungschefin, als Kandidatin für das Amt des Außenbeauftragten gehandelt wird. Costa ist Sozialist, Kallas Liberale.
FDP-Chef Christian Lindner machte am Montag jedoch deutlich, dass es nicht nur um Personalien geht. "Ursula von der Leyen ist in der Pole-Position, sie ist aber nicht am Ziel. Für uns Freie Demokraten ist es essenziell, dass die Politik der vergangenen fünf Jahre nicht fortgesetzt wird", sagte er in Berlin. Es gebe "inhaltliche Bedingungen". Er nannte als Beispiele einen Verzicht auf neue europäische Gemeinschaftsschulden und eine Regelung für die Zukunft des Verbrennungsmotors.
Vorschlag der Staats- und Regierungschefs erforderlich
Damit von der Leyen eine zweite Amtszeit antreten kann, muss der Europäische Rat - das Gremium der Staats- und Regierungschefs - sie mit qualifizierter Mehrheit dem Europaparlament als Kandidatin vorschlagen. Das bedeutet: Neben den 13 Staats- und Regierungschefs, die der gleichen Parteienfamilie angehören wie sie, müssen mindestens drei weitere Chefs von großen Mitgliedstaaten für sie stimmen. Danach folgt die offizielle Wahl im Europäischen Parlament.
Im Parlament wird das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit den deutschen Parteien CDU und CSU nach vorläufigen Wahlergebnissen auf 185 Sitze (zuletzt 176 von 705) kommen und damit mehr als ein Viertel der nun 720 Sitze stellen. Zweitstärkstes Lager bleiben die Sozialdemokraten mit 137 Mandaten (zuletzt 139). Die Liberalen rutschen auf 79 Sitze ab (zuletzt 102), während die zwei bisherigen rechtspopulistischen Parteienbündnisse EKR und ID deutlich gewinnen: EKR kommt auf 73 (zuletzt 69) Sitze, ID auf 58 (zuletzt 49).
AfD sucht Anschluss
Die AfD-Abgeordneten sind nicht mitgerechnet. Die AfD wird zu den fraktionslosen Parteien gezählt, da sie kurz vor der Europawahl aus der ID-Fraktion ausgeschlossen wurde. Grund waren umstrittene Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS und eine China-Spionageaffäre. Am Montag beschlossen die anderen neu gewählten AfD-Abgeordneten, Krah nicht in die neue Delegation aufzunehmen. Dies könnte den Weg für eine Zusammenarbeit mit anderen Rechtsaußen-Parteien freimachen.
Mögliche Partner sind die Fratelli d'Italia von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und die französische Partei Rassemblement National von Marine Le Pen. Beide gewannen in ihren Ländern die Europawahl.
Ein großer Verlierer der ersten Europawahl nach der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind die Grünen. Sie kommen auf 52 Sitze (zuletzt 71). Die Linken bleiben nahezu unverändert bei 36 Sitzen (zuletzt 37).