Eine auffällige Szene: Die Staats- und Regierungschefs verfolgen beim G7-Gipfel in Süditalien eine Fallschirmspringer-Show. Während alle den Blick gen Himmel richten, starrt US-Präsident Joe Biden mit offenem Mund nach oben und wischt sich zwischendurch über die Lippen. Nach der Landung der Fallschirmspringer geht er langsam auf einen von ihnen zu, hebt den Daumen, bis Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni ihn am Arm berührt und zur Gruppe zurückführt.
Der 81-Jährige hört auch da mit offenem Mund zu, setzt sich in Zeitlupe seine Piloten-Sonnenbrille auf und steht dann stocksteif da, mit baumelnden Armen und ohne Regung. Die anderen Regierungschefs versuchen, interessiert oder freundlich zu wirken, während Meloni ihre weite Hose zurechtzupft. Der Präsident wirkt in dieser Szene nicht besonders kraftvoll. Wer Joe Biden regelmäßig beobachtet, kennt solche Momente. Am Rande des G7-Gipfels jedoch sorgt seine Unsicherheit für Gesprächsstoff, wie wackelig der mächtigste Mann der Welt auf der internationalen Bühne agiert.
Trumps Wahlkampfmaterial
Großbritanniens Premier Rishi Sunak wird von Journalisten auf die Szene angesprochen und wiegelt ab, Biden sei nur "höflich" gewesen zu den Fallschirmspringern. Da Joe Biden mitten im Wahlkampf für eine zweite Amtszeit steckt, stürzt sich vor allem die Wahlkampfmaschinerie von Donald Trump auf solche Szenen.
Republikanische Wahlkämpfer hetzen in sozialen Medien, Biden wandere beim G7-Gipfel ziellos umher und müsse eingefangen werden. Jede Äußerung und jeder Schritt des Amtsinhabers wird seziert, um ihn als senilen Greis darzustellen, der kurz vor dem Kollaps stehe. Schon bei Bidens erstem Stopp in Europa, bei seinem Besuch in Frankreich, verbreitete Trumps Wahlkampfteam diverse Videoclips, die Biden besonders alt aussehen lassen sollten – jedoch verzerrt und aus dem Kontext gerissen.
US-Präsident Joe Biden: Regelmäßige Patzer
Zur Wahrheit gehört, dass sich der siebenfache Großvater Joe Biden täglich Patzer leistet und nicht besonders agil wirkt. Sein Gang ist steif – das bestätigt selbst sein Leibarzt in jedem Gesundheitscheck. Der Demokrat bewegt sich langsam, nimmt Treppenstufen vorsichtig. Nahezu bei jedem Auftritt verspricht er sich, bringt Sätze nicht zu Ende oder stolpert über komplizierte Wörter – und das nicht nur wegen seines Stotter-Problems.
Biden verwechselt oft Namen oder Nationalitäten ausländischer Staats- und Regierungschefs. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte er kürzlich zu dessen Vorgänger, François Mitterrand. Als die USA im Frühling Lebensmittellieferungen für den Gazastreifen starteten, verkündete Biden versehentlich, die Essenspakete würden über der Ukraine abgeworfen.
Ein anstrengendes Amt
Das Amt des US-Präsidenten gilt als einer der härtesten Jobs der Welt. Biden erfüllt ihn in einem Alter, in dem andere längst in Rente sind. Der Wahlkampf kommt nun hinzu. Rund um den G7-Gipfel jettet Biden innerhalb von zwei Wochen zweimal zwischen den USA und Europa hin und her. Vom Gipfel in Italien fliegt er weiter nach Los Angeles, um dort Wahlkampf zu machen. So etwas erschöpft selbst Menschen, die halb so alt sind wie Biden.
Beim G7-Treffen schwänzte Joe Biden das festliche Abendessen am Donnerstagabend. Italienische Medien werteten dies vorschnell als Zeichen von "Erschöpfung". Der Demokrat war jedoch noch am Arbeiten und trat parallel mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf. Auch dort verzettelte sich Biden mehrfach bei seinen Statements.
In knapp zwei Wochen steht Biden eine echte Bewährungsprobe bevor: das erste TV-Duell gegen Trump. 90 Minuten Live-Debatte im Fernsehen gegen einen unberechenbaren Gegner, der mit seinen 78 Jahren ebenfalls Senior ist und selbst ständig peinliche Fehler macht, aber gleichzeitig ein Meister der Show ist. Auch dann wird die Welt vermutlich zuschauen.