Technologie

Fünf Jahre E-Scooter in Deutschland - Eine Bilanz

E-Scooter sind für kurze Strecken gedacht. Doch häufig werden die elektrischen Tretroller auch auf Geh- und Radwegen abgestellt - oder in Flüssen. Seit fünf Jahren sind sie in Deutschland erlaubt, aber längst nicht überall beliebt. Was sind die Gründe und welche Verkehrsregeln gelten für E-Scooter eigentlich?
23.06.2024 06:31
Lesezeit: 3 min
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E-Scooter-Verkehrsregeln - was ist erlaubt?

Einige lieben sie, andere hassen sie: E-Scooter. Vor fünf Jahren wurden die elektrischen Tretroller in Deutschland zugelassen. Seitdem stehen sie in den Innenstädten der Republik - oft auf Geh- und Fahrradwegen. Kritiker beklagen rücksichtsloses Fahren. Ein Überblick, was sich in Deutschlands Städten getan hat:

Seit dem 15. Juni 2019 fahren E-Scooter mit Betriebserlaubnis durch Städte und Dörfer. Zum diesjährigen Tag der Verkehrssicherheit jährt sich ihre Zulassung zum fünften Mal. Sie wurden eingeführt, damit Nutzer die sogenannte erste und letzte Meile zurücklegen können. Laut einem Sprecher der Verleihfirma Voi endet etwa jede zweite Fahrt in der Nähe von öffentlichen Verkehrsmitteln.

Obwohl sie alltäglich geworden sind, fragen sich viele Menschen weiterhin, welche Vorschriften für E-Scooter gelten. Ab 14 Jahren dürfen sie genutzt werden und maximal 20 km/h fahren. Falls vorhanden, muss der Radweg genutzt werden, ansonsten die Straße - Gehwege sind tabu. Das Fahren zu zweit ist ebenfalls verboten, was vor allem die Kritiker ärgert.

Kampf um Regulierungen

Der Vormarsch der E-Scooter ist vorerst gestoppt. In einigen Städten wurden sie aus den öffentlichen Verkehrsmitteln verbannt, etwa in Hamburg oder München, wegen Explosions- und Brandgefahr. Auch in Leipzig dürfen Fahrgäste seit Mai keine E-Scooter mehr mitnehmen.

In Gelsenkirchen mussten die Leih-Tretroller Ende April verschwinden. Die Stadt verlangte von den Verleihfirmen, die Identität ihrer Nutzer festzustellen. Die Anbieter widersprachen, scheiterten jedoch vor dem Verwaltungsgericht. Dies ist jedoch noch keine endgültige Entscheidung, betonte ein Sprecher der Firma Bolt.

Dieses Vorgehen ist deutschlandweit einzigartig. Laut dem Deutschen Städte- und Gemeindebund gibt es jedoch einen Trend zu mehr Regulierung. Oft werden konkrete Kontingente oder Fahrverbotszonen für Leih-E-Scooter festgelegt.

Bereits zu Beginn der Zulassung wurde diskutiert, ob es Wintereinschränkungen geben sollte. Anbieter Bolt schränkte die Nutzung ihrer Roller im Winter generell nicht ein, deaktivierte jedoch bei Glatteis und Schneefall proaktiv seine Flotte in einigen Städten.

Leih-Verbot in Paris

Auch im europäischen Ausland gibt es Einschränkungen. Seit September sind Leih-Scooter in Paris verboten, nachdem sich in einer Bürgerbefragung 89 Prozent gegen E-Scooter-Verleihe ausgesprochen hatten.

Vergangenen Herbst stand auch in Deutschland eine Mehrheit der Erwachsenen E-Scootern negativ gegenüber. Einer repräsentativen Umfrage von YouGov zufolge sahen 51 Prozent der Befragten die akkubetriebenen Roller eher oder sehr negativ. 23 Prozent hingegen hatten ein eher oder sehr positives Bild.

Unfälle mit E-Scootern

Immer wieder sind E-Scooter in Unfälle verwickelt. Diese Zahl ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Vorläufige Daten des Statistischen Bundesamts zeigen, dass es im letzten Jahr 9439 Unfälle mit Personenschaden in Deutschland gab. 2022 waren es 8443 Unfälle.

Nach Ansicht von Christopher Spering, Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Universitätsmedizin Göttingen, muss die gestiegene Unfallzahl im Kontext der vermehrten Nutzung gesehen werden. Es sei schwer zu sagen, ob E-Scooter gefährlicher seien als Fahrräder. Aus Sicht der Fahrzeugtechnik könne es eigentlich nicht als Fahrzeug bezeichnet werden: "Denn es ist konstruktiv einfach so schlecht, dass es ein sehr hohes Unfallpotential mitbringt."

Eine Erhebung der Bundesstatistiker aus dem letzten Jahr zeigte, dass bei Unfällen mit E-Scootern häufig die falsche Benutzung der Fahrbahn sowie Alkoholkonsum die Ursache waren. In 18,6 Prozent der Fälle wurden Fahrbahn oder Gehwege nicht vorschriftsmäßig benutzt, in 18,0 Prozent waren die Fahrer alkoholisiert.

Experte Spering zufolge spielt Alkohol eine große Rolle: "Durch die Alkoholisierung ist die Reaktionsfähigkeit verringert und führt zu mehr Übermut bei den Fahrenden. Dadurch gibt es natürlich auch mehr Unfälle."

Eine immer wieder geforderte Helmpflicht würde das Problem nur bedingt lösen. "Es verhält sich nicht wie bei der Gurtpflicht. Diese werden durch den TÜV geprüft, Helme nicht." Auch der richtige Schutz für den Kopf sei relevant. "So braucht ein E-Bike-Nutzer einen anderen Helm als jemand, der mit einem E-Scooter fährt," erklärt Spering.

Wie bei Autofahrern gilt auch bei E-Scootern eine Promillegrenze von 0,5. Einige Anbieter führen deswegen Reaktionstests durch, etwa bei Großveranstaltungen wie dem Kölner Karneval oder dem Oktoberfest in München, so das Unternehmen Lime.

Kurioses: E-Scooter statt Esel?

Was kostet das Ausleihen eines E-Scooters in Deutschland? Das variiert je nach Tageszeit, Standort und Bezahlmodell. Der Minutenpreis liegt derzeit bei verschiedenen Anbietern zwischen 19 und 29 Cent.

Auch Kurioses gehört zur Bilanz: Anfang Mai fuhr ein Mann im Landkreis Dachau der Polizei auf einem E-Scooter mit 80 km/h davon. Auch auf Autobahnen wurden die Roller gesichtet, etwa im August 2021 auf der A2 bei Bielefeld, als ein Mann die Reichweite seines Akkus testen wollte.

Und bei den Oberammergauer Passionsspielen sollte ein E-Scooter zum Einsatz kommen: Tierschützer forderten, dass der Christus-Darsteller in einer Szene statt auf einem Esel per E-Scooter nach Jerusalem einziehen solle.

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