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Energie der Zukunft: Power-to-X-Technologien auf dem Vormarsch

Wie kann volatiler Strom dauerhaft gespeichert werden? Power-to-X-Technologien, kurz PtX oder P2X, sind eine der besten Antworten auf diese Frage. Aber sie können noch mehr, weiß P2X-Forscher Chokri Boumrifak, denn sie machen aus Strom X, sprich „mehr“.
25.06.2024 14:41
Lesezeit: 4 min
Energie der Zukunft: Power-to-X-Technologien auf dem Vormarsch
Power-to-X-Technologien bieten neue Wege zur Speicherung und Nutzung erneuerbarer Energie für schwer elektrifizierbare Industrien (Foto: DECHEMA).

Im Frankfurter Westen, zwischen Messehallen und Bürogebäuden, arbeitet Chokri Boumrifak. Der 37-Jährige ist wissenschaftlicher Projektmanager bei der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, kurz DECHEMA e.V., die sich unter anderem mit der Erforschung und Entwicklung sogenannter Power-to-X-Technologien beschäftigt.

Was sind Power-to-X-Technologien?

Power-to-X, kurz PtX, umfasst verschiedene Technologien, um überschüssigen erneuerbaren Strom in andere nutzbare Energieformen umzuwandeln. „Mit erneuerbarem Strom und vorzugsweise nicht-fossilem CO2 sowie Wasser und gegebenenfalls Stickstoff können stoffliche Energieträger und Ausgangsstoffe für chemische Produkte erzeugt werden“, erklärt Boumrifak. PtX-Technologien sind daher für das Gelingen der Energiewende besonders in den Bereichen entscheidend, die nicht direkt elektrifiziert werden können, wie zum Beispiel die Luftfahrt, die Schifffahrt und die chemische Industrie.

Der Job von Chokri Boumrifak ist es wiederrum, 17 weitere Projektpartner bei der Entwicklung innovativer Ansätze der PtX-Technologien zu unterstützen. Das ist kein Zufall: Boumrifaks Arbeitgeber, die DECHEMA, ist Partner des Kopernikus-Projekts P2X, eines von vier Kopernikus-Projekten, die als Ganzes eine der größten deutschen Forschungsinitiativen zur Energiewende des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bilden, das Lösungen für den flexiblen Einsatz dieser Technologien erforscht. Konkret geht es dabei um die Umwandlung von regenerativ erzeugtem Strom, CO2 und Wasser in Gase, Kraftstoffe, Chemikalien und Kunststoffe. Ziel ist es, diese Technologien bis zur Marktreife zu entwickeln.

Innovative P2X-Ansätze für die Energiewende

Auf dem Weg zur Klimaneutralität ersetzen erneuerbare Energien fossile Energieträger. Die Stromerzeugung aus Sonne und Wind ist jedoch schwankend. Während im Hochsommer und bei stürmischem Wetter viel Strom produziert wird, sieht es nachts oder im Winter manchmal schlechter aus. Energie wird aber immer benötigt und langfristige und flexible Speichermöglichkeiten sind gefragt. Power-to-X-Technologien, die im Kopernikus-Projekt P2X erforscht werden, bieten diese notwendigen Speichermöglichkeiten. Darüber hinaus ersetzen nachhaltige, CO2-neutrale P2X-Produkte bisherige klimaschädliche fossile Energieträger.

Seit dem Projektstart im Jahr 2016 haben verschiedene Bundesregierungen beachtliche Fortschritte bei der Unterstützung und Förderung dieser Technologien gemacht. So hat die Ampelregierung im August 2023 die Nationale Wasserstoffstrategie fortgeschrieben, die nun auf ambitioniertere Ziele setzt, wie beispielsweise die Verdopplung der installierten Elektrolysekapazität hierzulande auf 10 Gigawatt (GW) bis 2030.

P2X-Anwendungen in der Industrie: Von Luftfahrt bis Chemie

Die Anwendungen der P2X-Technologien sind breit gefächert und bieten Lösungen für verschiedene Industriezweige. In der Luftfahrt seien nachhaltiges synthetisches Kerosin und Methanol von großer Bedeutung, während in der chemischen Industrie der Übergang zu einer nachhaltigen Kohlenwasserstoffchemie im Mittelpunkt stehe, so Boumrifak. „Die meisten PtX-Projekte sind derzeit Pilot- bis Demonstrationsprojekte, die schnell voranschreiten und sich der kommerziellen Nutzung nähern.“ Besonders relevant sind PtX-Technologien für die Branchen Mobilität und Chemie. Denn gerade die Bereiche Luftfahrt, Schifffahrt oder schwere Landmaschinen ließen sich nur schwer oder gar nicht direkt elektrifizieren und seien daher auf absehbare Zeit auf flüssige Kraftstoffe mit hoher Energiedichte angewiesen.

Fortschritte im Kopernikus-Projekt „P2X“

In den ersten beiden Projektphasen war das Spektrum breit: P2X untersuchte verschiedene Technologien, um aus Strom Wasserstoff, Kraftstoffe, Kunststoffe und chemische Grundstoffe herzustellen. Die P2X-Forschenden entwickelten beispielsweise Produktionsschritte zu kompletten Wertschöpfungsketten weiter. In der derzeit laufenden dritten und letzten Phase konzentriert sich das Kopernikus-Projekt auf nachhaltiges synthetisch hergestelltes Kerosin (e-Kerosin). Übergeordnetes Ziel ist es, durch weitere Skalierung die industrielle Nutzung zu realisieren. Demonstrationsprojekte bilden hierfür die „Brücke“.

Innerhalb von P2X werden komplette Produktions- und Wertschöpfungsketten von der Wasserelektrolyse bis zum Endprodukt betrachtet und neue Produktionsrouten für die Chemie- und Grundstoffindustrie entwickelt. „Das Kopernikus-Projekt P2X hat große Fortschritte bei der Wasserstoffproduktion und der Entwicklung von Kraftstoffen gemacht“, betont Boumrifak.

Zu den wichtigsten Ergebnissen des Projekts zählt die Optimierung von Elektroden für die PEM-Wasser-Elektrolyse (Proton Exchange Membrane), bei der Wasser mit Hilfe einer protonenleitenden Membran in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Den P2X-Forschern ist es gelungen, die Beladung der Elektroden mit dem seltenen Metall Iridium um den Faktor acht zu reduzieren und damit die Kosten zu senken. Außerdem haben sie modulare Technologien entwickelt, mit denen PtL-Kraftstoffe dezentral aus Wasser und CO2 aus der Luft hergestellt werden können. „PtL-Kraftstoffe, auch Power-to-Liquid-Kraftstoffe genannt, sind synthetische flüssige Kraftstoffe, die aus erneuerbarer elektrischer Energie hergestellt werden“, erklärt Projektmanager Boumrifak. Genau da setzt das P2X-Demonstrationsprojekt Power2Fuels an.

Power2Fuels: Demonstrationsprojekt für synthetisches Rohöl

Im Rahmen von Power2Fuels soll im Industriepark Frankfurt Höchst Power-to-Liquid-Crude (synthetisches Rohöl) zu normgerechtem Kerosin weiterverarbeitet und vermarktet werden. Begleitende Analysen stellen sicher, dass der Treibstoff normgerecht ist und den hohen Anforderungen der Luftfahrt entspricht. Basis dieses synthetischen Kerosins sind Wasserstoff und biogenes CO₂. Zudem werden Nebenprodukte wie Naphtha (ein leichtes Rohöl) berücksichtigt, die eine weitere nachhaltige Verwertung über die chemische Industrie ermöglichen.

Knackpunkt Power-to-Gas und Power-to-Liquid

Die Umsetzung der Technologien Power-to-Gas und Power-to-Liquid ist mit spezifischen Herausforderungen verbunden. „Ein grundsätzliches Problem für alle Power-to-X-Technologien sind die hohen Stromkosten, die sich auf die Preise der Endprodukte auswirken“, erklärt Chokri Boumrifak. Zudem sei die ausreichende Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom entscheidend. Nachhaltige und ergiebige Kohlenstoffquellen für die Produktion von Kohlenwasserstoffen sind ebenfalls erforderlich, wobei Technologien wie DAC (Direct Air Capture) im Vordergrund stehen.

Pilotanlagen und Co.: „Die nächste Skalierungsstufe erproben“

Pilotanlagen und Demonstrationsprojekte spielen eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung der PtX-Technologien. Im Rahmen des Kopernikus-Projekts P2X wird im Industriepark Frankfurt Höchst eine Demonstrationsanlage zur Herstellung von Kerosin errichtet. Mit dieser Anlage soll nicht nur die nächste Skalierungsstufe erprobt, sondern auch die Aufarbeitung des Primärprodukts der Fischer-Tropsch-Synthese zu einem direkt beimischbaren Kerosin untersucht werden. Boumrifak betont die Bedeutung dieser Projekte: „Die Anlage soll die Skalierbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Prozesses demonstrieren und helfen, Investoren für weitere Umsetzungsprojekte zu gewinnen.“

Zu den weiteren Aufgaben, die sich P2X in der dritten Projektphase gestellt hat, gehören die Lebenszyklusanalyse des Demonstrators, die Verfügbarkeit kritischer Rohstoffe, die Einbeziehung von Umweltauswirkungen sowie die Prüfung verschiedener Industriestandorte auf ihre Eignung. Darüber hinaus wird das bereits bestehende Bildungsangebot im Bereich PtX erweitert, um einen Wissenstransfer insbesondere in Richtung Auszubildende und Studierende zu schaffen. Im Rahmen der Kommunikation wird P2X seine Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit vorstellen. Weitere thematische Aspekte werden durch zwei Satellitenprojekte ergänzt, die im Wesentlichen auf den bisherigen Erfolgen von P2X aufbauen und Aspekte weiterentwickeln und demonstrieren.

Zukunft und Potenzial von P2X

Die Nachhaltigkeit von PtX-Technologien hängt maßgeblich von der Nachhaltigkeit des eingesetzten Stroms ab. Um die Klimaziele für 2030 und 2045 zu erreichen, ist daher ein schneller Ausbau der erneuerbaren Energien unerlässlich. Für die Zukunft sieht Boumrifak eine starke Rolle für PtX: „Da die Potenziale der erneuerbaren Energien in Deutschland begrenzt sind, wird perspektivisch ein Großteil des grünen Wasserstoffs und seiner Derivate importiert werden müssen. Die Bundesregierung geht derzeit von einem Importanteil von 50 bis 70 Prozent des zukünftigen Wasserstoffbedarfs im Jahr 2030 aus. Diese Importe sind notwendig, um die wachsende Nachfrage zu decken und die Transformation von Industrie und Mobilität hin zu einer nachhaltigen Nutzung von Energieträgern zu unterstützen.“

DECHEMA-Projektmanager Chokri Boumrifak bringt es auf den Punkt: „Power-to-X hat ein enormes Potenzial für Branchen, die keine direkte Alternative zur Elektrifizierung haben und dennoch von fossilen Ressourcen wegkommen müssen.“

 

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