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Hightech, statt Handarbeit: Ein Blick in die Zukunft der Landwirtschaft

Lesezeit: 7 min
22.07.2024 11:04  Aktualisiert: 21.06.2030 11:00
Neue Anbaumethoden und Technologien verändern die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren. Ob KI-gestützte Wettervorhersagen, Drohnen oder automatisierte Maschinen - Hightech übernimmt immer mehr Aufgaben auf dem Feld. Ein Blick in die Zukunft der Landwirtschaft.
Hightech, statt Handarbeit: Ein Blick in die Zukunft der Landwirtschaft
Die Landwirtschaft wird durch technologische Innovationen zunehmend zur Hightech-Branche. (Foto: CLAAS)

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Die Landwirtschaft entwickelt sich rasant und wird durch technologische Innovationen immer mehr zur Hightech-Branche. „Die Integration von digitalen Werkzeugen und Precision Farming ermöglicht eine neue Herangehensweise an die Landwirtschaft“, sagt Florian Schiller, Projektleiter Digitale Landwirtschaft bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Die neuen Technologien würden nicht nur Effizienzgewinne bieten, sondern auch zur Nachhaltigkeit beitragen.

Digitale Zwillinge: Revolution auf dem Feld

Digitale Zwillinge, virtuelle Replikate physischer Felder, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren, sind als entscheidende Werkzeuge in der modernen Landwirtschaft auf dem Vormarsch. Diese Technologie befindet sich zwar noch im Aufbau, bietet aber immense Vorteile. Für DLG-Fachmann Schiller sind „digitale Feldzwillinge entscheidend, da sie viele kleinräumige Informationen wie Bodenfeuchtigkeit, Temperatur, Blattnässe und den Versorgungszustand der Pflanzen erfassen und diese mit Wetterprognosen und Schadprognosen kombinieren“. Diese detaillierten Informationen ermöglichen es Landwirten, präzise Maßnahmen zu ergreifen und somit den Ressourceneinsatz zu optimieren.

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von KI in der Landwirtschaft sei die Bildverarbeitung zur Unkrauterkennung. „KI-basierte Bildanalyse hilft dabei, Unkraut in Reihenkulturen wie Mais, Zuckerrüben, Kartoffeln, Sonnenblumen und Sojabohnen zu erkennen und gezielte Pflanzenschutzmaßnahmen zu ergreifen“, erklärt DLG-Digitalisierungsexperte Schiller. Das verbessere nicht nur die Effizienz bei der Ernte, sondern trage auch zur Nachhaltigkeit bei, indem sie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziere.

Nachhaltiger Pflanzenschutz durch Spot Spraying

Apropos: Nachhaltiger Pflanzenschutz wird auch durch KI-basierte Technologien wie das Spot Spraying revolutioniert. Diese Systeme nutzen hochauflösende Kameras und künstliche Intelligenz, um Nutzpflanzen von Unkraut zu unterscheiden und gezielt Herbizide nur dort einzusetzen, wo sie benötigt werden. Florian Schiller betont: „Durch den gezielten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln können wir nicht nur Kosten sparen, sondern auch die Umwelt schonen.“

Ein Unternehmen, das auf diesem Gebiet mit seinem Produkt führend ist, ist die Smart-Spraying-Lösung von Bosch BASF. „Landwirten steht damit ab sofort eine zuverlässige Feldspritze für den optimalen Pflanzenschutz zur Verfügung, die dabei einfach zu bedienen und direkt einsatzbereit ist“, sagt Florian Gwosdz, Co-Geschäftsführer Bosch BASF Smart Farming.

Die Smart-Spraying-Lösung kombiniert die Hightech-Kamera-Sensorik und Software von Bosch mit der digitalen agronomischen Entscheidungshilfe von xarvio Digital Farming Solutions, eines Unternehmens von BASF Digital Farming, das digitale Produkte und Lösungen für die Landwirtschaft entwickelt. Das System ermöglicht das automatisierte Erkennen und Kontrollieren von Unkräutern in Echtzeit und steuert die einzelnen Spritzdüsen der Pflanzenschutzspritze punktgenau an, wodurch Herbizide effizienter eingesetzt und Umwelteinflüsse reduziert werden.

„Ein positiver Nebeneffekt des reduzierten Herbizid-Einsatzes ist die Förderung von nützlichen Insekten und Pflanzen, die zur Gesundheit des Agrarökosystems beitragen“, so DLG-Profi Schiller. Diese Entwicklungen zeigen, dass technologische Innovationen und Umweltschutz Hand in Hand gehen können.

Digitalisierung im Ackerbau: Daten und Drohnen

Auch die Digitalisierung schreitet im Ackerbau immer mehr voran, etwa mit autonomen Maschinen und Drohnen. „Autonome Maschinen übernehmen intensive manuelle und mechanische Arbeiten, während Drohnen zur Bestandsüberwachung und Unkrauterkennung eingesetzt werden“, erklärt Schiller. Unternehmen wie CLAAS integrieren bereits innovative Technologien wie satellitengestützte Lenksysteme und automatische Maschinensteuerungen, die die Effizienz steigern.

„Unsere Maschinen sind heute vernetzte Datendrehscheiben, die agronomische Daten zwischen dem Büro und der Ackerfläche austauschen. Dies ermöglicht eine präzise und effiziente Bewirtschaftung“, sagt Martin Leinker, der bei CLAAS im Strategieteam arbeitet. Sein Kollege Simon Winter ergänzt: „Durch die Integration von Assistenzsystemen wie dem automatischen Vorgewende-Management können Landwirte komplexe Maschinensteuerungen per Knopfdruck durchführen und somit ihre Effizienz steigern.“

Die Vernetzung von Maschinen und die standardisierte Datenkommunikation zwischen verschiedenen Herstellern sind weitere wichtige Fortschritte. „Viele Landtechnikhersteller und Systempartner von Softwarelösungen sind Mitglieder in der Agricultural Industry Electronics Foundation (AEF)“, so DLG-Experte Schiller, „die sich mit der sicheren und standardisierten Konnektivität beschäftigt.“ Diese Zusammenarbeit ermögliche es, die Interoperabilität der Systeme zu verbessern und die Nutzung der Technologien für die Landwirte zu erleichtern.

Tierzucht 4.0: KI für besseres Tierwohl

In der Tierzucht spielen KI und digitale Überwachungssysteme eine immer wichtigere Rolle. Diese Technologien erleichtern das Herdenmanagement und helfen, das Tierwohl zu verbessern. Schiller betont: „KI-basierte Verhaltensanalysen können frühzeitig gesundheitliche Probleme erkennen und so das Wohl der Tiere erhöhen.“ Innovationen wie diese tragen dazu bei, die Effizienz in der Tierhaltung zu steigern und gleichzeitig höhere Standards im Tierschutz zu gewährleisten.

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von KI in der Landwirtschaft ist die Nutzung von Sensoren zur Überwachung der Bodenbedingungen. „Sensoren können wichtige Informationen über den Bodenstatus liefern, die den Landwirten helfen, gezielte Maßnahmen zur Bodenverbesserung zu ergreifen.“ Dies trage dazu bei, die Produktivität der (Bio) Betriebe zu steigern und gleichzeitig nachhaltige Anbaumethoden zu fördern.

Regenerative Landwirtschaft: Nicht überall geeignet

Bei der regenerativen Landwirtschaft, die in ihren Grundzügen seit vielen Jahren praktiziert wird, steht die Erhaltung und Verbesserung der Bodenqualität im Mittelpunkt. Dazu gehören Verfahren wie Direktsaat, Zwischenfruchtanbau und der Einsatz von Kompost. Diese Verfahren erhöhen die Bodenfruchtbarkeit und verbessern die Wasserverfügbarkeit, was langfristig zu stabilen Erträgen führt. „Diese können allerdings nicht unbegrenzt gesteigert werden“, erklärt DLG-Mann Schiller, „da das genetische Potenzial der Pflanzen die Ertragshöhe bestimmt.“

Ein wesentlicher Vorteil der regenerativen Landwirtschaft ist die Förderung der Resilienz gegenüber sich verändernden Umweltbedingungen. Diese Resilienz trägt dazu bei, die Widerstandsfähigkeit landwirtschaftlicher Systeme gegenüber Schädlingen und Krankheiten zu erhöhen – allerdings mit Einschränkungen. „Agroforstsysteme können zwar einen Beitrag zu Themen wie Resilienz leisten, aber nur dort, wo sie passen“, schränkt Florian Schiller ein, daher sei es nicht sinnvoll, Agroforstsysteme überall zu installieren.

Automatisierung: Die Roboter kommen

Automatisierung ist ein weiterer wichtiger Trend. „Autonome Traktoren und Maschinen sind zunehmend in der Lage, präzise und effizient zu arbeiten, was die Arbeitsbelastung der Landwirte erheblich reduziert“, so Schiller. Diese Technologien sind besonders nützlich in Zeiten von Fachkräftemangel. „Autonome Systeme können intensive manuelle und mechanische Arbeiten übernehmen, was die Effizienz und Produktivität auf den Höfen steigert“, fügt Schiller hinzu.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Integration automatisierter und autonomer Systeme in die Landwirtschaft ist das automatische Lenksystem von CLAAS. „Unsere Traktoren können heute mit einer Genauigkeit von wenigen Zentimetern über die Felder navigieren, was die Präzision und Effizienz der Feldarbeiten erheblich verbessert. Feldroboter, die ohne einen Fahrer auf der Maschine die Feldarbeit erledigen können, sind der nächste Schritt“, erklärt Martin Leinker.

Wetter und Landwirtschaft: Mehr als nur Vorhersagen

Auch die Wettervorhersage spielt eine entscheidende Rolle in der Landwirtschaft, insbesondere angesichts des Klimawandels. Andreas Brömser, Agrarmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst, erklärt: „Durch den Einsatz von KI und Predictive Analytics können wir Wetterextreme besser vorhersagen und darauf reagieren. Die Entwicklung hochauflösender Modelle und die Integration von Fernerkundungsdaten ermöglichen präzisere und verlässlichere Vorhersagen.“ Diese technologischen Fortschritte helfen Landwirten, sich besser auf Wetteränderungen vorzubereiten und ihre Anbaustrategien entsprechend anzupassen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die kontinuierliche Verbesserung der Datenqualität. „Moderne Sensoren und Satelliten liefern uns eine Fülle von Informationen, die wir nutzen können, um präzise Wettervorhersagen zu erstellen“, so Brömser. „Diese Daten helfen Landwirten, fundierte Entscheidungen zu treffen und ihre Anbaupraktiken zu optimieren, um Erträge zu maximieren und Risiken zu minimieren.“ Brömser betont zudem die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen Meteorologen und Landwirten: „Durch den direkten Austausch können wir spezifische Wetterwarnungen und Empfehlungen geben, die den Landwirten helfen, besser auf extreme Wetterereignisse zu reagieren und ihre Ernte zu schützen.“

Innovationsförderung: Der Motor des Fortschritts

Die DLG spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung von Innovationen in der Landwirtschaft. „Wir organisieren Veranstaltungen wie die Agritechnica und die DLG Feldtage, bei denen neue Technologien vorgestellt und diskutiert werden“, erklärt Schiller. Diese Plattformen ermöglichen es Landwirten, sich über die neuesten Entwicklungen zu informieren und direkt mit Herstellern und Forschern in Kontakt zu treten.

Darüber hinaus unterhält die DLG das Internationale Pflanzenbauzentrum in Bernburg, an dem projektbezogen spezifische Fragestellungen im Pflanzenbau bearbeitet werden. „Hier ist auch die Digitalisierung im Bereich KI, Interoperabilität und anwendungsorientierter Demonstration bestehender Technologien ein zentrales Aufgabenfeld“, so Schiller. Diese Forschungsprojekte tragen dazu bei, innovative Lösungen zu entwickeln und sie in die Praxis zu übertragen.

Hürden auf dem Weg zur Hightech-Landwirtschaft

Eine der größten Herausforderungen bei der Implementierung neuer Technologien in der Landwirtschaft ist die Schaffung von Interoperabilitätsstrukturen. „Viele Techniken und Informationen müssen zusammengeführt werden, damit Landwirte sie effizient nutzen können“, erklärt Schiller. Dies erfordere standardisierte Schnittstellen und eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren der Branche.

Landwirte stehen neuen Technologien generell positiv gegenüber, wenn sie deren Nutzen klar erkennen können, weiß DLG-Fachmann Schiller. „Ein klassisches Beispiel hierfür sind die satellitengestützten Lenksysteme. Anfangs war die Akzeptanz wegen der hohen Anschaffungskosten gering, heute sind sie aus der Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken“, so Schiller. Wichtig ist jedoch, dass die Technologien leicht in den Betriebsalltag integriert werden können und der Return on Investment deutlich erkennbar ist.

Bildung und Schulung: Fit für die digitale Landwirtschaft

Die Aus- und Weiterbildung von Landwirten im Umgang mit neuen Technologien ist entscheidend. „Mit dem steigenden Technologiegrad der landwirtschaftlichen Betriebe spielt die Ausbildung der zukünftigen Landwirte eine zunehmende Rolle“, so Schiller. An Universitäten und Fachschulen werden immer mehr digitale Professuren geschaffen, um das Angebot in diesem Bereich zu erweitern.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Bildungsangebote, die Landwirte auf die Herausforderungen der Digitalisierung vorbereiten. „Die Deutsche Lehranstalten für Agrartechnik (Deula) bietet hier mit ihren Standorten einiges zum Thema an, aber auch die vom BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) geförderten Experimentierfelder tragen zur Weiterbildung bei“, erklärt Florian Schiller. Diese Angebote helfen den Landwirten, sich mit den neuen Technologien vertraut zu machen und sie effizient in ihren Betrieben einzusetzen.

Fazit: Die Landwirtschaft der Zukunft ist Hightech

Die Zukunft der Landwirtschaft wird stark von technologischen Innovationen geprägt sein. „Autonomie und KI-basierte Entscheidungsunterstützungen werden immer wichtiger“, prognostiziert Schiller. Diese Technologien können dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu kompensieren und die Effizienz der landwirtschaftlichen Betriebe zu steigern.

Auch die Rolle der Landwirtschaft in der Gesellschaft könnte sich durch technologische Innovationen verändern. „Die Landwirtschaft ist heute schon ein sehr innovativer und technologischer Sektor“, betont Schiller. „Moderne Pflanzenschutz- und Bewirtschaftungstechnologien haben dazu geführt, dass wir heute effizienter arbeiten und mehr Menschen ernähren können.“ Diese Entwicklungen werden auch in Zukunft weiter voranschreiten und dazu beitragen, die Landwirtschaft nachhaltiger und produktiver zu gestalten.

Die Zukunft der Landwirtschaft ist geprägt von technologischen Innovationen, die nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch nachhaltigere Praktiken fördern. Florian Schiller betont: „Die Herausforderungen der modernen Landwirtschaft können wir nur mit einem intelligenten und integrativen Ansatz bewältigen.“ Die Kombination aus Digitalisierung, Automatisierung und nachhaltigen Methoden wird eine Schlüsselrolle dabei spielen, die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck zu minimieren.



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