„Es kann doch nicht sein, dass die Politik Jahr für Jahr Erfolge beim Bürokratieabbau verkündet und ich das Gefühl habe, dass die Belastung für meine Mitarbeiter und mich immer größer wird“, klagt Heino Fischer, Tischler aus Kiel.
Seine Worte fassen die Frustration vieler Handwerker treffend zusammen, die immer mehr Zeit für administrative Aufgaben aufwenden müssen, anstatt ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen. Gut gemeinte bürokratische Vorschriften kosten wertvolle Zeit, die die Betriebe lieber in handwerkliche Projekte investieren würden. Eine Umfrage des ZDH unter 10.630 Betrieben zeigt: Über die Hälfte (58-Prozent) der Betriebe empfindet die Selbständigkeit wegen der Bürokratie als immer unattraktiver - ein alarmierendes Zeichen!
„Um den ganzen Papierkram zu erledigen, sitze ich regelmäßig bis spätabends am Schreibtisch. Und am Wochenende sowieso. Das ist vertane Zeit, die ich lieber für kreative Tätigkeiten oder mit Freunden verbringen würde“, erzählt Maxi Hänsch, Galvaniseurin aus Hamburg.
Zwischen Datenflut und Geschäftsbetrieb: Wie Bürokratie den Alltag der Handwerker belastet
Ihre Erfahrung ist keineswegs ein Einzelfall. Einige Handwerksbetriebe sehen sich sogar gezwungen, aufgrund der erdrückenden Bürokratie aufzugeben. Selbst traditionsreiche Unternehmen sind betroffen: Die Straßenbaufirma Richard Hoff und Söhne GmbH & Co. KG aus Husum musste nach 98-jähriger Geschichte trotz guter Auftragslage schließen – die überbordenden bürokratischen Anforderungen waren einfach zu viel.
„Wir haben unser Geschäft aufgrund der überbordenden Bürokratie eingestellt“, berichtet Michael Hoff, Urenkel des Firmengründers. Zwischen der Umsetzung der Datenschutzverordnung und GoBD-konformen Geschäftsprozessen (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff), der Einhaltung des Vergaberechts und der umfangreichen Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften, wie der ständigen Dokumentation der Sicherheitsunterweisungen, verbrachten die Mitarbeiter mehr Zeit im Büro als auf der Baustelle.
Bürokratieentlastungsgesetz IV: Inhalt und Nutzen für das Handwerk
Gibt es Hoffnung auf Besserung? Das geplante Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) der Bundesregierung zielt darauf ab, die bürokratische Last für Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Betriebe (KMU), erheblich zu mindern und könnte einen bedeutenden Wandel im Umgang mit Bürokratie einleiten. Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann verspricht sich von den neuen Regelungen eine Entlastung von fast einer Milliarde Euro!
Das Gesetz umfasst 62 Artikel, die Maßnahmen aus verschiedenen Bereichen abdecken: Von den Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht über das Arbeits- und Sozialrecht bis hin zum Umweltrecht. „Damit wird eine Entlastung für alle Bereiche der Gesellschaft geschaffen“, erklärt das Bundesministerium der Justiz. Hier sind einige der wichtigsten Änderungen:
- Verkürzung der Aufbewahrungsfristen & Reduzierung des Erfüllungsaufwands: Handels- und steuerrechtliche Buchungsbelege müssen künftig nur noch acht Jahre statt bisher zehn Jahre aufbewahrt werden. Dies soll Unternehmen helfen, Lager- und Verwaltungskosten zu senken. Zudem sollen nationale und europäische Meldepflichten vereinfacht und unnötige Vorschriften gestrichen werden.
- Einführung einer Vollmachtsdatenbank: Im Bereich der sozialen Sicherung wird eine elektronische Vollmachtsdatenbank eingeführt. Diese ermöglicht es Unternehmen, ihren Steuerberatern eine Generalvollmacht zu erteilen, die von allen relevanten Behörden der sozialen Sicherung eingesehen werden kann. Dadurch wird der Verwaltungsaufwand für etwa 1,9 Millionen Arbeitgeber reduziert.
- Erleichterung digitaler Kommunikation: Die Pflicht zur schriftlichen Form wird weitgehend durch die Textform ersetzt. Dies fördert die Nutzung digitaler Kommunikationsmittel wie E-Mails und erleichtert die tägliche Geschäftspraxis erheblich.
- Festgelegte Stichtage für Gesetzesänderungen: Um Unternehmen ausreichend Zeit zur Anpassung zu geben, sollen Gesetzesänderungen künftig zu festen Stichtagen in Kraft treten.
- Förderung der Digitalisierung: Der Zugang zu rechtlichen Informationen soll durch digitale Lösungen verbessert werden. Dazu gehört die Einführung digitaler Formulare und die Standardisierung von Prozessen, was den Umgang mit Behörden deutlich vereinfachen könnte.
Nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Die begrenzten Entlastungen für das Handwerk
Sind diese Maßnahmen wirklich eine Erleichterung für Handwerker? Der ZDH zeigt sich vorsichtig optimistisch, fordert jedoch weitere, konkrete Vorschläge, um spürbare Verbesserungen zu erreichen. Von den über 200 in einer Umfrage gesammelten Vorschlägen zur Bürokratieentlastung wird im Gesetzesentwurf momentan nur ein kleiner Teil berücksichtigt. Warum wurden nur so wenige Vorschläge ausgewählt? Welche Kriterien lagen der Auswahl zugrunde und welche politischen oder bürokratischen Hürden standen einer umfassenderen Reform im Weg?
Diese Fragen muss die Politik klären, um das Vertrauen der Handwerksbetriebe zurückzugewinnen. Zwar gehen die Bemühungen zur Reduzierung der Bürokratie in die richtige Richtung, doch aus Sicht des ZDH reichen die aktuellen Vorschläge nicht aus, um den Betrieben die dringend benötigte Entlastung zu bringen.
Bürokratieentlastungsgesetz: Wie geht es weiter?
Das BEG IV wurde im März 2024 vom Bundeskabinett beschlossen und befindet sich derzeit in der parlamentarischen Beratung. Eine Verabschiedung im Bundestag wird für Mitte 2024 erwartet. Während die grundlegenden Maßnahmen feststehen, könnten in den laufenden Verhandlungen noch letzte Anpassungen vorgenommen werden. Um auf dem neuesten Stand zu bleiben und sich über den Inhalt des Bürokratieentlastungsgesetzes IV zu informieren, bieten Verbände wie der ZDH hilfreiche Informationsangebote.