Weltwirtschaft

Wie das Agrartechnikunternehmen CLAAS die Digitalisierung der Landwirtschaft vorantreibt

Lesezeit: 5 min
05.07.2024 14:14  Aktualisiert: 05.07.2024 14:14
Martin Leinker und Simon Winter arbeiten beim Agrartechnikunternehmen CLAAS im Strategieteam. Im DWN-Interview sprechen sie über Trends im Smart Farming, wie CLAAS auf die Bedürfnisse der Landwirte eingeht – und welche Innovationen das Unternehmen derzeit vorantreibt.
Wie das Agrartechnikunternehmen CLAAS die Digitalisierung der Landwirtschaft vorantreibt
Digitale Lösungen können landwirtschaftliche Prozesse optimieren und die Feldarbeit effizienter machen (Foto: CLAAS) .

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DWN: Herr Leinker, wie beeinflussen die Trends im Smart Farming die langfristige Produktstrategie von CLAAS?

Martin Leinker: Smart Farming ist für CLAAS in doppeltem Sinne mit Potenzialen verbunden: Für uns als Landtechnikhersteller, aber vor allem auch für unsere Kunden. Mit digitalen Lösungen können Kunden ihre landwirtschaftlichen Prozesse optimieren und die Feldarbeit effizienter verrichten – sowohl in Bezug auf den Einsatz von Betriebsmitteln als auch auf die verfügbaren Arbeitskräfte. Als Hersteller von Landmaschinen müssen wir insbesondere darauf achten, dass alle Schnittstellen funktionieren, damit alle Maschinen und am Prozess beteiligten Personen produktiv zusammenarbeiten. Für uns hat dabei der Kundennutzen oberste Priorität!

DWN: Herr Winter, welche strategischen Initiativen verfolgt CLAAS, um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Landwirtschaft voranzutreiben?

Simon Winter: Mit CEMOS haben wir ein automatisches Maschinenoptimierungssystem in den Markt eingeführt, das zunächst für Erntemaschinen und mittlerweile auch für Traktoren verfügbar ist. Damit wollen wir die in der Maschine installierte Leistung optimal ausnutzen. Zusätzlich sind wir mit unserem Partner AgXeed auch im Bereich der Autonomie und Agrarrobotik unterwegs, in dem sich verschiedene Anwendungen für KI ergeben. Wichtig ist hierbei, KI-Anwendungen zu identifizieren und dort umzusetzen, wo sie einen wirklichen Kundennutzen generieren. So könnte eine KI-basierte Entscheidung beispielsweise zur weiteren Ressourcenschonung führen oder frei gewordene Kapazität anderweitig im Betriebsmanagement eingesetzt werden.

DWN: Welche grundlegenden Trends im Bereich Smart Farming haben Sie identifiziert, die die Landwirtschaft in den kommenden Jahren prägen werden?

Winter: Im Fokus stehen nach unserer Wahrnehmung ganzheitliche Lösungen, die neben der effizienteren und ressourcenschonenden Verwendung unserer Maschinen auch die Optimierung des gesamten Betriebsablaufs in den Fokus nehmen. Dabei sind digitale Systeme genauso wichtig wie neue Servicekonzepte, Stichwort Predictive Maintenance. Zusätzlich wird die Arbeitskraft aufgrund verschiedener Faktoren wie z. B. den demografischen Wandel immer knapper. Umso wichtiger ist es, dass der Landwirt zunehmend durch automatisierte Lösungen entlastet wird, sodass er sich auf seine Kernkompetenz konzentrieren kann: die Agronomie.

DWN: Das ist ein gutes Stichwort: Wie planen Sie, solche Kernkompetenzen und Trends in Ihre Produktentwicklung und Unternehmensstrategie zu integrieren, um den Bedürfnissen Ihrer weltweiten Kunden gerecht zu werden?

Leinker: Als innovatives Unternehmen stehen wir in engem Austausch mit unseren Kunden, denn für uns ist es essenziell, ihre Bedürfnisse rund um den landwirtschaftlichen Prozess zu kennen. Dabei fließen neue Ideen über unsere Produktmanager kontinuierlich in unsere Entwicklungsprojekte ein.

DWN: Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit Technologiepartnern und Start-ups in Ihrer Innovationsstrategie?

Winter: Von Technologiepartnern und Startups können wir vieles lernen – neben technischem Know-how gibt es auch gute Synergien in der Art der Zusammenarbeit. Startups haben eine zündende Idee und schnelle Entscheidungswege. Dafür bringen wir dann Skalierungsmöglichkeiten, langjährige Erfahrung und den Zugang zum Vertriebskanal mit. Die Zusammenarbeit ist daher für beide Seiten hilfreich, so etwa mit unserem Partner AgXeed.

DWN: Lassen Sie uns über Märkte sprechen. Welche Regionen erachten Sie als besonders vielversprechend für den Einsatz von Smart-Farming-Technologien?

Winter: Da Smart Farming durchaus mit einer größeren initialen Investition verbunden ist, denken wir vor allem an kapitalintensive Märkte, in denen qualifizierte Arbeitskräfte immer knapper werden und Ressourceneffizienz immer wichtiger wird. Ganz vorne ist für CLAAS der Heimatmarkt in Europa, allerdings rücken auch mehr und mehr der australische und nordamerikanische Markt in den Fokus, der momentan hauptsächlich von den dortigen OEMs bedient wird.

DWN: Und wie priorisieren Sie Investitionen in Forschung und Entwicklung im Bereich der digitalen Landwirtschaft?

Leinker: Intern haben wir klare Priorisierungskriterien und -prozesse, die sich neben Markttrends vor allem an den unternehmensstrategischen Leitplanken und den finanziellen Spielräumen orientieren. Damit stellen wir jederzeit sicher, dass sich unser Produktportfolio in den unterschiedlichen Dimensionen stetig weiterentwickelt.

DWN: Welche internen Veränderungen haben Sie vorgenommen, um besser auf die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung in der Landwirtschaft zu reagieren?

Winter: In unserer Projektlandschaft genießt das Thema seit vielen Jahren große Aufmerksamkeit. CLAAS war eines der ersten Unternehmen, das elektronische Farm-Management-Software zur Marktreife gebracht hat. Ob im Kontext der Automatisierung und Autonomie oder bei Cloud-Lösungen zur Dokumentation – das Thema findet heute mehr denn je in vielen Projekten Einzug. Auch die organisatorischen Zuständigkeiten haben wir hierfür sorgfältig definiert.

DWN: Inwiefern beeinflussen Kundenfeedback und Marktanalysen die strategische Produktentwicklung in ihrem Haus?

Leinker: Das Kundenfeedback und Marktanalysen sind für uns schon lange eine wichtige Orientierungsgröße für die strategische Produktentwicklung: Die Steigerung der Kundenzufriedenheit haben wir sogar fest in unseren Unternehmenszielen verankert. Gerade deshalb ist für uns der direkte und regelmäßige Austausch mit den Kunden immens wichtig, um deren Anwendungen zu verstehen und weitere Potenziale zu antizipieren.

DWN: Welche Innovationsprojekte sind aktuell in Ihrer Pipeline und welche Erwartungen haben Sie an deren Markteinführung?

Leinker: Aktuell arbeiten wir an unserem neuen CLAAS connect als einem digital vernetzten Ökosystem, das ab Oktober 2023 auf den Markt kommen wird. Zusätzlich hat CLAAS in Kooperation mit AgXeed und Amazone den weltweit ersten herstellerübergreifenden Autonomie-Verbund „3A – ADVANCED AUTOMATION & AUTONOMY“ gegründet. Das Ziel: Hochautomatisierte bis autonome Landmaschinen und Arbeitsprozesse durch Standardisierung und partnerschaftliche Entwicklungen schneller voranbringen – beispielsweise innerhalb der AEF. Dadurch will CLAAS helfen, den Fachkräftemangel in der Landwirtschaft zu bewältigen und die Effizienz landwirtschaftlicher Prozesse zu steigern.

DWN: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wie CLAAS eine Innovation im Bereich Smart Farming erfolgreich auf den Markt gebracht hat?

Winter: Eine von vielen Erfolgsgeschichten ist beispielsweise unser selbstlernendes Maschinenoptimierungssystem CEMOS, das wir nach dem Mähdrescher auf mehrere Produktgruppen ausgeweitet haben. CEMOS ist produktübergreifend mehrfach international ausgezeichnet worden: So wurde beispielsweise unser AXION 960 CEMOS im Jahr 2021 als „Sustainable Tractor of the Year“ prämiert.

DWN: Wie stellen Sie sicher, dass die entwickelten Smart-Farming-Lösungen den unterschiedlichen Bedürfnissen und Betriebsgrößen der Landwirte gerecht werden?

Leinker: Ein Team aus Produktmanagern, Marktanalysten, Entwicklern und Vertriebsmitarbeitern steht in einem kontinuierlichen Austausch mit unseren Kunden und ist dadurch Garant für eine stetige Verbesserung unserer Lösungen. Das vor einigen Jahren verstorbene Oberhaupt unserer Eigentümerfamilie, Helmut Claas, pflegte immer zu sagen: „If you want to be the leader, you must keep running!“

DWN: Wie sieht Ihre mittelfristige Strategie aus, um die Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der digitalen Landwirtschaft zu sichern und auszubauen?

Winter: Neben einem kontinuierlichen Optimierungsprozess halten wir stets Ausschau nach neuen Partnern und Anwendungsgebieten. Zugleich haben wir eine klare Vorstellung, wann wir beispielsweise im Bereich Automatisierung und Autonomie neue Produkte auf den Markt bringen möchten.

DWN: Wie identifizieren Sie Trends und wie lange dauert es von der ersten Produktidee bis zur Marktreife einer Innovation?

Leinker: Trends erheben wir auf unterschiedlichen Ebenen – auf gruppenstrategischer Ebene genauso wie auf technologie- oder produktstrategischer Ebene. Die Dauer der Umsetzung von der Produktidee zur Marktreife hängt dabei von der jeweiligen Produktkategorie ab: Während Änderungen in der Maschinenarchitektur mehrjährige Lebenszyklen durchlaufen, ist die Softwarewelt deutlich agiler und kurzlebiger.

DWN: Abschließende Frage: Wie viele Mitarbeitende sind bei Ihnen im Strategieteam tätig und welche Skills und Berufsbilder sind dafür primär gefragt?

Winter: In unseren Bereichen arbeitet ein Team von insgesamt 10 bis 15 Mitarbeitenden mit unterschiedlichem Hintergrund. Bei uns gibt es Agrarwissenschaftler und Maschinenbauer genauso wie Unternehmensberater, Betriebs- oder Volkswirte. Diesen interdisziplinären Zugang begreifen wir als eine große Stärke.

DWN: Herr Leinker, Herr Winter, vielen Dank für das Gespräch.



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