Der deutsche Arbeitsmarkt wird internationaler. Und Unternehmen sehen sich immer mehr mit der Herausforderung konfrontiert, qualifizierte Fachkräfte zu finden und langfristig zu halten. Ein oft übersehener Aspekt in diesem Kontext ist die Einbürgerung ausländischer Mitarbeiter. Mit der Einführung des neuen „Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“ ändern sich die Bedingungen für die Einbürgerung erheblich.
Doch warum sollte dieses Thema für Arbeitgeber besonders interessant sein? In diesem Artikel beleuchten wir die wichtigsten Gründe, warum die Einbürgerung von Mitarbeitern nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Unternehmen selbst von großem Vorteil sein kann.
Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft: Neue Regeln ab 27. Juni
Einfachere Einbürgerung durch kürzere Aufenthaltszeiten
Die Mindestaufenthaltsdauer für die Einbürgerung wird von acht auf fünf Jahre verkürzt. Bei besonderen Integrationsleistungen, wie etwa herausragenden schulischen oder beruflichen Leistungen, ehrenamtlichem Engagement oder dem Nachweis von Sprachkenntnissen auf C1-Niveau, kann diese Frist sogar auf drei Jahre verkürzt werden.
Neue Einbürgerungsvoraussetzungen
Einbürgerungsbewerber müssen sich zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands bekennen, besonders im Hinblick auf den Schutz jüdischen Lebens. Es gibt Lockerungen bei den Sprachanforderungen, zum Beispiel für ehemalige Gastarbeiter, die sich mündlich im Alltag verständigen können.
In bestimmten Fällen entfällt das Einbürgerungshindernis der Sozialleistungsinanspruchnahme, beispielsweise bei langjährig in Deutschland lebenden Gastarbeitern oder Vollzeiterwerbstätigen.
Änderungen beim Verlust der Staatsangehörigkeit
Die Gründe für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit werden angepasst. Dazu zählen:
- Verzicht
- Eintritt in ausländische Streitkräfte oder terroristische Aktivitäten im Ausland
- Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts
Bei Kindern kann es zu einem rückwirkenden Verlust kommen, wenn die Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsangehörigkeit nicht mehr erfüllt sind.
Neues Einbürgerungsgesetz: Win-Win für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Die Einbürgerung kann auch für Arbeitgeber aus mehreren Gründen interessant sein:
Stabile Arbeitsverhältnisse: Durch die Einbürgerung erhalten Arbeitnehmer eine langfristige Perspektive im Land, was zu einer höheren Arbeitsplatzstabilität führen kann. Dies reduziert die Fluktuation und die damit verbundenen Kosten für die Rekrutierung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
Erweiterung des Talentpools: Eingebürgerte Mitarbeiter haben oft diverse kulturelle Hintergründe und Sprachkenntnisse. Dies kann besonders wertvoll sein, wenn das Unternehmen international tätig ist oder Kunden aus verschiedenen Kulturen bedient.
Motivation und Loyalität: Die Aussicht auf Einbürgerung kann die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter steigern. Arbeitnehmer, die sehen, dass ihr Arbeitgeber sie bei diesem Prozess unterstützt, fühlen sich oft wertgeschätzt und sind eher bereit, sich langfristig zu engagieren.
Rechtssicherheit und Planungssicherheit: Eingebürgerte Mitarbeiter haben ein gesichertes Aufenthaltsrecht, was den Arbeitgebern mehr Sicherheit und Planbarkeit in Bezug auf ihre Personalressourcen gibt. Es reduziert die Unsicherheiten, die mit befristeten Aufenthaltstiteln und Arbeitserlaubnissen verbunden sind.
Förderung der Integration: Unternehmen, die die Einbürgerung ihrer Mitarbeiter unterstützen, tragen aktiv zur Integration und sozialen Stabilität bei. Dies kann das Arbeitsklima verbessern und zu einer inklusiveren Unternehmenskultur führen.
Wettbewerbsvorteil: In Branchen mit Fachkräftemangel kann die Unterstützung bei der Einbürgerung ein Wettbewerbsvorteil sein. Es zeigt potenziellen Mitarbeitern, dass das Unternehmen bereit ist, sie langfristig zu unterstützen und in ihre Zukunft zu investieren.
Reputation und CSR (Corporate Social Responsibility): Unternehmen, die sich für die Einbürgerung ihrer Mitarbeiter einsetzen, können ihre gesellschaftliche Verantwortung unter Beweis stellen und ihr öffentliches Image verbessern. Dies kann sowohl bei Kunden als auch bei potenziellen Mitarbeitern positiv wahrgenommen werden.
Einbürgerungsanträge: Verteilung nach Bundesländern
Die PassExperten haben eine Umfrage zur Einbürgerung durchgeführt und die Ergebnisse den Deutschen Wirtschaftsnachrichten zur Verfügung gestellt. Diese Analyse zeigt, in welchen Bundesländern die meisten Einbürgerungsanträge gestellt werden.
Wird die Anzahl der Anträge im Verhältnis zur Einwohnerzahl betrachtet, führen die Stadtstaaten die Liste an: Bremen, Hamburg und Berlin stehen an der Spitze. Es folgen die westdeutschen Bundesländer auf den Plätzen drei bis elf. Die fünf Schlusslichter sind die ostdeutschen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern.
In absoluten Zahlen dominieren die wirtschaftsstarken Bundesländer, die auch die Geberländer im Länderfinanzausgleich sind. Nordrhein-Westfalen (23,7 Prozent), Bayern (14,7 Prozent), Baden-Württemberg (13,8 Prozent) und Hessen (8,3 Prozent) vereinen fast 60 Prozent aller Anfragen auf sich. Die neuen Bundesländer, ohne Berlin, machen nur sieben Prozent der Anfragen aus (mit Berlin etwa 15 Prozent).
Ein Blick auf die Ergebnisse offenbart, dass in Ostdeutschland deutlich weniger Einbürgerungen stattfinden als in Westdeutschland. Diese Ergebnisse korrelieren weitgehend mit dem Anteil an Ausländern, die in den jeweiligen Bundesländern leben.
Die PassExperten haben über 50.000 Einbürgerungsanträge ausgewertet, die zwischen Januar und Mai 2024 gestellt wurden.
Einbürgerungsantragsteller: Bildungsgrad und Deutschkenntnisse
Die PassExperten haben auch Einbürgerungsantragsteller befragt, ob sie über einen deutschen Bildungsabschluss verfügen. Die Befragten kann man in zwei nahezu gleich große Gruppen einteilen. 56,7 Prozent der Befragten besitzen keinen deutschen Abschluss. Die andere Gruppe besitzt einen deutschen Bildungsabschluss, wobei ein signifikanter Teil eine Ausbildung in Deutschland abgeschlossen hat (17,7 Prozent). Weitere 8,2 Prozent haben ihren Abschluss nach der 9. Klasse erworben, 8 Prozent nach der 10. Klasse, 6 Prozent haben in Deutschland studiert, und 3 Prozent haben Abitur oder Fachabitur absolviert.
Dass fast 60 Prozent der Befragten keinen deutschen Bildungsabschluss haben, muss nicht zwangsläufig negativ bewertet werden, da es sich dabei um hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland handeln kann, die zusätzlich Sprachzertifikate in Deutschland erworben und Weiterbildungen absolviert haben. Diese Kollegen könnten sogar frische und interessante Ideen aufgrund ihrer Auslandserfahrung einbringen.
Des Weiteren hat die Analyse der PassExperten ergeben, dass Einbürgerungsantragsteller die deutsche Sprache gut oder ausreichend beherrschen können. Von den Befragten besitzen 31,5 Prozent kein offizielles deutsches Sprachzertifikat, was jedoch nicht bedeutet, dass sie die deutsche Sprache nicht beherrschen, sondern lediglich, dass sie ihre Sprachkenntnisse nicht nachgewiesen haben.
Weitere 32,6 Prozent der Befragten besitzen ein B1-Zertifikat, 13,8 Prozent ein B2-Zertifikat. Auf diesen Niveaus ist bereits eine gute Kommunikation auf Deutsch möglich, und in bestimmten Berufsfeldern wie etwa der Pflege können sie ebenfalls tätig sein.
Zusätzlich besitzen 7,7 Prozent ein A2-Zertifikat, 7,5 Prozent ein C1-Zertifikat. Weitere 3,6 Prozent und 2,8 Prozent der Befragten verfügen über ein A1- und. C2-Zertifikat. Das C2-Zertifikat entspricht dem höchsten Sprachniveau.
Einbürgerungsantrag: Fakten gegen Vorurteile
Entgegen weitverbreiteter Vorurteile werden Einbürgerungsanträge nicht hauptsächlich von Arbeitslosen oder Bürgergeldempfängern gestellt. Eine Analyse der PassExperten zeigt, dass die Mehrheit der Antragsteller in einem festen Arbeitsverhältnis steht oder selbstständig ist. 86 Prozent der Antragsteller sind berufstätig, und 43 Prozent haben ihren Bildungsabschluss in Deutschland erworben. Nur neun Prozent der Antragsteller beziehen Bürgergeld, was den weitverbreiteten Mythos widerlegt, dass Einbürgerungswillige dem Staat zur Last fallen.
"Immer wieder hören wir Vorurteile, dass Menschen, die sich einbürgern lassen wollen, deutschen Staatsbürger*innen die Arbeitsplätze wegnehmen oder dem Staat auf der Tasche liegen. Unsere Daten zeigen ein völlig anderes Bild," sagt Mohamed El-Zaatari, Rechtsanwalt und Leiter der Rechtsabteilung bei den PassExperten.
Demografische Einblicke
Ein Blick auf die demografischen Daten der PassExperten zeigt, dass fast 70 Prozent der Einbürgerungsanträge von Männern gestellt werden. Zudem sind 41 Prozent der Antragsteller verheiratet, wobei die meisten keine Kinder haben.
Langjährige Aufenthalte
Ein Großteil der Antragsteller lebt bereits seit vielen Jahren in Deutschland. Über 60 Prozent sind seit 2015 oder länger hier, 33,3 Prozent sogar seit 2012 oder früher. Dies übersteigt deutlich die bisherige Mindestaufenthaltsdauer von acht Jahren für eine Einbürgerung. Fast die Hälfte der Antragsteller hat ein unbefristetes Aufenthaltsrecht und etwa 70 Prozent verfügen über ein deutsches Sprachzertifikat.
"Die meisten Menschen, die einen Einbürgerungsantrag stellen, leben schon länger in Deutschland als der vierte WM-Titel alt ist. Unsere Erfahrung zeigt, dass viele von ihnen sich bereits eine Existenz in Deutschland aufgebaut haben und durch die Einbürgerung ihre Position festigen wollen," so El-Zaatari.
Neue Gesetzesreformen
Das neue Einbürgerungsgesetz sieht vor, die Mindestaufenthaltsdauer je nach Voraussetzung auf fünf oder drei Jahre zu senken. Auch die doppelte Staatsbürgerschaft wird nun ermöglicht. Doch El-Zaatari sieht weiteren Handlungsbedarf:
„Wir erhalten monatlich 20.000 Anfragen zur Einbürgerung. Was diese Menschen vor allem brauchen, ist Klarheit und Vorhersehbarkeit im Verfahren sowie funktionsfähige Behörden. Dies fehlt im neuen Gesetzesentwurf.“
Fazit: Neue Chancen für Arbeitgeber durch Gesetzesreform
Die Reform des Einbürgerungsgesetzes bietet sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern zahlreiche Vorteile. Für Unternehmen bedeutet die Einbürgerung von ausländischen Mitarbeitern mehr Stabilität, einen erweiterten Talentpool und gesteigerte Motivation und Loyalität der Belegschaft. Zudem bieten eingbürgerte Mitarbeiter eine höhere Rechtssicherheit und Planungssicherheit. Unternehmen, die den Einbürgerungsprozess aktiv unterstützen, fördern nicht nur die Integration und schaffen ein inklusiveres Arbeitsumfeld, sondern können sich auch einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil in Zeiten des Fachkräftemangels sichern. Letztlich zeigt sich, dass die Einbürgerung eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten darstellt und die soziale und wirtschaftliche Stabilität in Deutschland weiter stärkt.