In Krisenzeiten hält man womöglich zusammen, möchte man meinen. Doch Experten sprechen tatsächlich von verbesserten Beziehungen wischen Ehepartnern in Deutschland.
Die Zahl der Scheidungen in Deutschland ist im vergangenen Jahr jedenfalls erneut zurückgegangen. So wurden 2023 rund 129.000 Ehen durch richterlichen Beschluss getrennt, das sind 6,1 Prozent weniger als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt diese Woche mitteilte. Der Wert erreichte 2023 den niedrigsten Stand seit der Deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 und zugleich den zweitniedrigsten Stand seit 1950. Ein Ehe-Aus kommt statistisch allerdings wieder etwas früher. Ließen sich Paare 2022 im Durchschnitt noch nach etwas mehr als 15 Jahren scheiden, waren die im Jahr 2023 geschiedenen Ehepaare 14 Jahre und neun Monate verheiratet.
„Ehen tatsächlich erheblich besser geworden"
Für den Psychotherapeuten Wolfgang Krüger aus Berlin bedeute dies allerdings keinen Trend-Einschnitt: «Wir beobachten, dass die Ehen tatsächlich in den letzten 20 Jahren erheblich besser geworden sind», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er führt diese Verbesserung auf mehrere Gründe zurück: Menschen würden mittlerweile oft nur noch heiraten, wenn sie wirklich ineinander verliebt seien und das Gefühl hätten, dass die Ehe gelinge. „Wir haben bei der Ehe vorher eine gewisse Qualitätsauswahl.“ Im Unterschied zu den 60er- und 70er-Jahren müsse oftmals auch nicht mehr aus finanziellen Gründen oder wegen sozialen Drucks geheiratet werden.
Auch die verbesserte Krisenkommunikation spiele in länger haltende Ehen eine große Rolle.
Viele Menschen wüssten mehr, wie man miteinander reden müsse oder Konflikte kläre. «Also wie Ehen wirklich gelingen, das wissen immer mehr Leute», sagte Krüger.
Zudem seien die äußeren Umstände ein Faktor: "Wir leben in schwierigen Zeiten, in denen man tiefe Verunsicherungen erlebt. Und dann will man einen Ort haben, mit Sicherheit, wo man das Gefühl hat, der andere hält zu mir“. Dieser Ort sei noch immer die Liebe und für viele letztlich auch die Ehe.
Schwierige Zeiten wie die Corona-Pandemie haben auf die Zahl der Ehescheidungen offenbar kaum Einfluss: „Auch die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung nicht beeinflusst“, erklärten die Statistiker.
Mehr als 100.000 Kinder von Scheidung betroffen
Laut Statistischem Bundesamt hatten mehr als die Hälfte der rund 129 000 getrennten Paare minderjährige Kinder. «Insgesamt waren im Jahr 2023 etwa 109 600 Minderjährige von der Scheidung ihrer Eltern betroffen.»
Die Statistik zeigt zudem, dass sich weiterhin einige Paare erst spät entscheiden, getrennte Wege zu gehen: So waren knapp 17 Prozent der Geschiedenen mindestens im 25. Jahr verheiratet. Zum Vergleich: 2022 waren es 18 Prozent und 1997 wurden nur etwa zehn Prozent im Jahr ihrer Silberhochzeit oder danach richterlich getrennt.
Einen Bruchteil der Scheidungen im Jahr 2023 nahmen gleichgeschlechtliche Paare ein - 1300 insgesamt. Dies waren etwa 200 oder 15 Prozent mehr als im Jahr 2022. Seit der Einführung der «Ehe für alle» im Oktober 2017 können in Deutschland keine Lebenspartnerschaften mehr begründet werden. Gleichgeschlechtliche Paare, die in einer zuvor eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, können diese laut Bundesamt nicht durch Scheidung, sondern durch Aufhebung beenden. 2023 wurden mit rund 700 Aufhebungen von Lebenspartnerschaften etwa 200 oder 19,4 Prozent weniger erfasst als im Vorjahr. Damit sank diese Zahl das vierte Jahr in Folge.
Auch die Zahl der Eheschließungen ging 2023 zurück, nachdem sie im Vorjahr deutlich gestiegen war. Rund 360.000 Trauungen wurden den Angaben nach durchgeführt, im Vorjahr lag dieser Wert noch bei mehr als 390.000. Anno 2021 war die Zahl der Eheschließungen auf einen coronabedingten Tiefstwert von etwa 357.000 gefallen.