Finanzen

Europäische Investitionsbank (EIB): Deutschland haftet mit über 50 Milliarden Euro – für möglicherweise hochriskante Klimaschutz-Kredite

Die Europäische Investitionsbank (EIB), die sich in den letzten Jahren auf die Förderung von Klimaschutzprojekten spezialisiert hat, weist laut Bundesrechnungshof erhebliche Mängel in Aufsicht und Kontrolle auf. Drei Viertel der Kredite würden ohne jegliche externe Risikoprüfung vergeben. Auf Deutschland lasten ein Großteil der Haftungsrisiken.
30.06.2024 16:15
Lesezeit: 3 min
Europäische Investitionsbank (EIB): Deutschland haftet mit über 50 Milliarden Euro – für möglicherweise hochriskante Klimaschutz-Kredite
Die Kreditvergabe der Europäischen Investitionsbank ist kaum überwacht - und natürlich darf Deutschland dafür haften. (Bild: iStockphoto.com, niphon) Foto: niphon

Der Bundesrechnungshof hat scharfe Kritik an der Europäischen Investitionsbank (EIB) geübt. Die Förderbank unterliege „trotz ihrer Größe keiner unabhängigen externen Bankenaufsicht und nur einer eingeschränkten Finanzkontrolle“, heißt es in einem Kurzbericht.

Deutschland haftet demnach für mindestens 46,7 Milliarden an Krediten und Beteiligungen der mittlerweile auf Klimaschutz spezialisierten EU-Förderbank. Dieser Anteil hat sich in den letzten 30 Jahren fast verneunfacht und stellt ein erhebliches Risiko für den ohnehin schon angeschlagenen Bundeshaushalt dar. Der Bundsrechnungshof fordert deshalb in Unison mit dem österreichischen Rechnungshof Österreich „eine externe Aufsicht und mehr Kontrolle, um den wirtschaftlichen und ordnungsgemäßen Einsatz der öffentlichen Mittel sicherzustellen.“

Mangelhafte Aufsicht

Die fast 50 Milliarden schwere Haftung über das gezeichnete Kapital sei nicht das einzige Risiko für Deutschland, denn man hafte darüber hinaus auch für verschiedene Fonds und Garantien „in nicht bezifferbarer Höhe“, wie die Finankontrolleure in ihrem Bericht schreiben.

Angesichts der mangelnden Überwachung sei das in den letzten Jahrzehnten rapide angewachsene Kredit-Engagement der EIB generell „mit erheblichen Risiken für die nationalen Haushalte der EU-Mitgliedstaaten verbunden“, resümiert der Rechnungshof. Ein Großteil der (Klimaschutz-)Finanzierungen der letzten Jahre läuft relativ intrasparent und ohne externe Risikoprüfung ab.

In der EU unterliegen alle Geschäftsbanken einer unabhängigen externen Aufsichtsbehörde (European Banking Authority, kurz EBA). Damit soll sichergestellt werden, dass sich Finanzinstitute an regulatorische Vorgaben - auch bezüglich des Risikomanagements - halten. Für die Europäische Investitionsbank exisitert jedoch keine solche Aufsicht. Es finden lediglich interne Prüfungen statt. Im Vergleich zu normalen Geschäftsbanken kann die EIB relativ frei schalten und walten. Die Anteilseigner, also die EU-Mitgliedsstaaten, hätten jedoch das Recht auf dasselbe Schutzniveau wie Bankaktionäre.

Eine interne Aufsicht könne eine unabhängige externe Bankenaufsicht nicht ersetzen, meint der Rechnungshof. Dieser mangele es an „umfassenden Kompetenzen, Unabhängigkeit und Durchsetzungskraft gegenüber der EIB, um Risiken angemessen begegnen zu können.“ Es sei sehr wichtig, Risiken in den Strukturen und Geschäften der EU-Förderbank frühzeitig erkennen zu können.

Drei Viertel der EIB-Finanzierungen werden nicht unabhängig geprüft

„Die EIB unterliegt für den wesentlichen Teil ihres Geschäfts keiner unabhängigen externen Finanzkontrolle“, heißt es in dem Bericht. Der Bundesrechnungshof schätzt, dass rund drei Viertel der Finanzierungen der EIB nicht durch eine unabhängige externe Finanzkontrolle geprüft werden. Das eine Viertel der Geschäfte wird nur deshalb vom Europäischen Rechnungshof (EuRH) geprüft, weil diese Geschäfte über den EU-Haushalt finanziert oder abgesichert sind.

Eine unabhängige Kontrolle aller Finanzierungen der Europäischen Investitionsbank wäre entscheidend für einen ordnungsgemäßen und wirtschaftlich sinnvollen Einsatz dieser öffentlichen Fördergelder. Einen Schritt in die richtige Richtung sieht die deutsche Prüfbehörde in einem „komplementären Prüfungsrecht“ für die Finanzkontroll-Organe der Mitgliedsländer, also etwa auch dem Bundesrechnungshof selbst. Derzeit besteht dieses Prüfungsrecht nicht.

Weiter fordert der Rechnungshof, dass die deutsche Regierung den Bundestag besser über die Aktivitäten der EIB auf dem Laufenden halten sollte, „insbesondere wenn diese Auswirkungen auf den Bundeshaushalt haben können.“

EIB: Die Klimabank der EU

Die EIB wurde 1958 gegründet und entwickelte sich zur größten staatsübergreifenden Förderbank der Welt. Sie fördert Investitionen in den Mitgliedstaaten der EU (und zu einem kleinen Teil in ausgewählten Partnerländern) durch Darlehen und Garantien zu günstigen Konditionen. Ein Großteil der Fördersummen machen Projektdarlehen mit einem Mindestbedarf von 25 Millionen Euro aus, weitere Kanäle sind Kreditgarantien, Risikokapital für KMUs und ausgewählte Fondsbeteiligungen.

In jüngster Zeit fokussiert sich die EIB auf die Förderung von Klimaschutz-Projekten und bezeichnet sich sogar auf ihrer eigenen Website als „Klimabank der EU“. Die EIB emittierte 2007 als erstes Finanzinstitut der Welt grüne Anleihen. Innerhalb des letzen Jahres stiegen die Investitionen der EU-Förderbank in Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit um 29 Prozent auf 49 Milliarden Euro – ein Anteil von 55 Prozent am gesamten Neugeschäft. Laut eigenen Angaben wurden seit 2021 grüne Investitionen in Höhe von 349 Milliarden Euro angeschoben und bis 2030 sollen es eine Billion Euro sein.

Getreu ihrer Vergangenheit ist die EU-Förderbank zurzeit sehr stark in Spanien (Neufinanzierungen im laufenden Jahr: 5,4 Milliarden Euro) und Italien (3,68 Milliarden) engagiert. In Frankreich (2,6 Milliarden Euro) und Deutschland (2,5 Milliarden) wurden 2024 bisher fast identische Summen investiert. Die EIB fördert unterschiedlichste Projekte, etwa auch in den Bereichen Militär, Digitalisierung und Landwirtschaft. Aktuelle Beispiele sind der Ausbau der 5G-Infrastruktur in Schweden für 140 Millionen Euro und ein mit 100 Millionen Euro beziffertes Beratungsprojekt in der Ukraine.

Die Bilanzsumme der EIB beträgt 547 Milliarden Euro bei einem Eigenkapital von 80,7 Milliarden. 2023 erwirtschaftete die Bank einen Gewinn von knapp 2,3 Milliarden Euro. Das gezeichete Kapital aus den Haushalten der EU-Mitgliedstaaten liegt bei 248,8 Milliarden Euro, wobei die Finanzierung heutzutage vorwiegend am Anleihemarkt erfolgt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Jakob Schmidt

                                                                            ***

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.

DWN
Technologie
Technologie Natrium-Batterien: Wie China die nächste Akkurevolution vorantreibt
20.12.2025

Chinesische Hersteller treiben die Entwicklung von Natrium-Batterien rasant voran und bedrohen damit das bisherige Lithium-Dominanzmodell...

DWN
Politik
Politik Härtefallfonds für bedürftige Ostrentner schliesst: 425 Millionen Euro ungenutzt
20.12.2025

Aus dem Härtefallfonds für bedürftige Rentner aus der ehemaligen DDR und Osteuropa fließen zu Jahresende mehrere Hundert Millionen Euro...

DWN
Panorama
Panorama Grüne Stadt der Zukunft: Wie realistisch CO2-neutrale Metropolen bis 2040 sind
20.12.2025

Städte sollen Europas Klima-Rettungsanker werden – doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine Lücke. EU-Ziele, Modellstädte und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chefin der Wirtschaftsvereinigung Stahl warnt: Die Deindustrialisierung ist real
20.12.2025

Kerstin Maria Rippel ist Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Im DWN-Interview sagt sie, dass Berlin nach dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Eigenkapitalbildung: Immobilienkauf laut IfW-Studie für Millennials schwerer
20.12.2025

Eigenkapitalbildung wird für viele Kaufwillige zur größten Hürde: Eine neue Studie vergleicht, wie stark sich die Anforderungen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-CO2-Zoll wird ausgeweitet: Kommt die nächste Stufe für Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte?
20.12.2025

Der EU-CO2-Zoll steht vor der nächsten Ausbaustufe: Brüssel will ihn auf Haushaltsgeräte und weitere Industrieprodukte ausdehnen. Ab...

DWN
Politik
Politik Neues Ranking: Wer jetzt über Europas Zukunft entscheidet
20.12.2025

Donald Trumps Aufstieg an die Spitze des aktuellen Politico-Rankings zeigt, wie stark externe Kräfte Europas Politik inzwischen bestimmen....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Rallye mehrerer Technologieunternehmen treibt US-Aktien an
19.12.2025

Die US-Aktien unterbrachen ihre jüngste Verlustserie und stiegen am Freitag, da Anzeichen einer abkühlenden Inflation und nachlassende...