Unternehmen

Chemie-Tarifeinigung: Bonus-Tage für Gewerkschafter

Es kann auch ohne Streiks gehen. Gewerkschaft und Arbeitgeber haben sich ohne Arbeitskampf auf einen Tarifvertrag für die Chemie-Industrie geeinigt. Eine Gruppe wird dabei erstmals besonders bedacht.
27.06.2024 15:01
Aktualisiert: 27.06.2024 15:01
Lesezeit: 2 min
Chemie-Tarifeinigung: Bonus-Tage für Gewerkschafter
Es darf auch etwas mehr sein: Geochemikerin Marion Tichomirowa präpariert in einem neuen Reinraumlabor der TU Bergakademie Freiberg Proben für einen Versuch. (Foto: dpa) Foto: Hendrik Schmidt

Bei den Tarifverhandlungen für die deutsche Chemie-Industrie haben IG BCE und Arbeitgeber einen zusätzlichen freien Tag nur für Gewerkschaftsmitglieder vereinbart. Erstmals wurden damit neben den allgemeinen Gehaltssteigerungen um 6,85 Prozent exklusive Vorteile für Gewerkschafter in einem großen Flächentarifvertrag festgeschrieben. Sie müssen dem Arbeitgeber ihre Mitgliedschaft aber anzeigen und erhalten bei Mitgliedsjubiläen noch zusätzlich einen zweiten Tag frei.

Ziel der Vereinbarung sei die Steigerung der Tarifbindung, teilten beide Seiten am Donnerstag mit. Streng genommen gelten Tarifabschlüsse generell ausschließlich für Gewerkschaftsmitglieder. Die Arbeitgeber wenden sie aber meist für alle Beschäftigten an, was gelegentlich zu Ärger über „Trittbrettfahrer“ geführt hat, die Vorteile genießen, ohne Mitgliedsbeiträge an die Gewerkschaften zu zahlen. Diese betragen bei der IG BCE rund ein Prozent des durchschnittlichen monatlichen Brutto-Einkommens.

585.000 Tarifbeschäftigte werden von der Gewerkschaft BCE vertreten

Beim Mitgliederbonus habe man am Ende eine einfache Lösung ausgehandelt, deren Vorteil sich für die Menschen sofort erschließe und der die Betriebe nicht überfordere, sagte der IGBCE-Verhandlungsführer Oliver Heinrich. „Damit schlagen wir ein neues Kapitel in der Tarifpolitik auf.“ Er äußerte die Hoffnung, dass in den Unternehmen nun nicht nach Sonderlösungen gesucht werde. „Wir trauen uns“, sagte IG BCE-Chef Michael Vassiliades über das Verhältnis zu den Arbeitgebern. Nach seinen Angaben sind etwa 35 Prozent der 585.000 Tarifbeschäftigten Mitglied in der Gewerkschaft und haben jetzt Anspruch auf den Bonus-Tag. Er hoffe, dass dieser Anteil mit der neuen Regelung weiter steige.

Auch in den laufenden Verhandlungen hatten die Arbeitgeber betont, die Belegschaften nicht spalten zu wollen. «Für uns ist wichtig, dass wir das Prinzip ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘ nicht antasten», sagte BAVC-Verhandlungsführer Matthias Bürk. Der Bonus sei ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung und solle das ehrenamtliche Engagement der Gewerkschafter in deren Freizeit belohnen.

Die Verhandlungen, bei denen die Arbeitgeber erst in der dritten bundesweiten Runde ein Angebot vorgelegt haben, standen unter Zeitdruck. Die Friedenspflicht wäre zum 30. Juni ausgelaufen. Danach wären Warnstreiks möglich gewesen. So blieb es bei Protestaktionen außerhalb der Arbeitszeit an mehreren großen Chemiestandorten mit tausenden Teilnehmern. Die Parteien schrieben auch ihre zum 30. Juni gekündigte Schlichtungsvereinbarung fort, die weiterhin ohne externe Schlichter auskommt.

Die gewerkschaftliche Forderung nach sieben Prozent mehr Geld wurde mit 6,85 Prozent in zwei Stufen annähernd erfüllt, dafür aber auf eine Laufzeit von 20 Monaten gestreckt. Die erste Stufe von zwei Prozent greift bereits zum 1. September, während der zweite Schritt zum 1. April 2025 in Kraft tritt. Dieser kann in einzelnen Betrieben aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu drei Monate nach hinten verschoben werden.

Die Arbeitgeber hatten in der Verhandlung die doppelte Krisensituation der Branche beschrieben und einen dazu passenden Abschluss verlangt. Die lahmende Konjunktur mit schwacher Nachfrage und hohem Importdruck treffe auf strukturelle Nachteile wie teurer Energie, hohen Arbeitskosten und ausufernder Bürokratie.

Zumindest im wichtigen Teilbereich Pharma stehen die Zeichen aber wieder auf Wachstum. Vor allem Bestellungen aus Nordamerika und Europa haben den Umsatz in den ersten vier Monaten um knapp fünf Prozent wachsen lassen, wie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) vor wenigen Tagen berichtete. Damit konnte auch das weiterhin schwache Geschäft im Inland ausgeglichen werden. Produktion und Preise zogen leicht an. Die weiteren Aussichten wurden als stabil bis positiv bewertet.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Frühere AfD-Chefin: Frauke Petry kündigt Gründung neuer Partei an - Alternative für die FDP?
11.05.2025

Die frühere Vorsitzende der AfD will vom kommenden Jahr an mit einer neuen Partei bei Wahlen antreten. Ziel der Partei soll sein, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands Zukunft? Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung
11.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...