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KPI: Wie Kennzahlen manipuliert werden - und wie Sie das verhindern!

Lesezeit: 5 min
10.07.2024 11:30  Aktualisiert: 03.07.2030 16:17
KPI, Betriebskennzahlen, sind wie die Noten in der Schule: Ein wenig geschummelt wird immer! Jane Enny van Lambalgen, CEO der Beratungs- und Managementfirma Planet Industrial Excellence, bestätigt, dass viele Firmen ihre Zahlen so elegant frisieren, dass selbst Picasso neidisch wäre. In diesem Artikel erfahren Sie, was KPIs sind, warum sie oft manipuliert werden und wie Sie als Unternehmer sicherstellen können, dass Ihre Zahlen die Wahrheit sagen.
KPI: Wie Kennzahlen manipuliert werden - und wie Sie das verhindern!
KPI: Mitarbeiter schönen oft Betriebskennzahlen, um ihre Leistung besser darzustelle. (Foto: istockphoto/g-stockstudio).
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In der Geschäftswelt ist es wichtig, den Erfolg und die Leistung von Unternehmen genau zu bewerten. Hier spielen sogenannte Key Performance Indicators (KPIs) eine wichtige Rolle. KPI-Kennzahlen, also Betriebskennzahlen, sind entscheidend für die strategische Planung und das Monitoring von Fortschritten in verschiedensten Bereichen eines Unternehmens.

Doch Jane Enny van Lambalgen, CEO der Beratungs- und Managementfirma Planet Industrial Excellence, hat festgestellt, dass KPIs oft manipuliert werden und ein zu positives Bild der Unternehmenslage vermitteln, obwohl manche Firmen tatsächlich kurz vor der Insolvenz stehen. Jane Enny van Lambalgen ist dann häufig als Interim Managerin im Dienst, um Unternehmen in Krisensituationen vorübergehend zu führen und sie zu stabilisieren.

Die Expertin teilt ihre reiche Erfahrung bei der Unterstützung von Unternehmen in der Krise und gibt praktische Ratschläge. DWN beleuchtet das Thema im Folgenden umfassend und bietet weitere mögliche Optionen, wie ein Geschäftsmann richtig mit den Betriebskennzahlen arbeitet.

KPI: Was ist das?

Key Performance Indicators (KPIs, Deutsch: Schlüsselkennzahlen) sind messbare Werte, die den Erfolg eines Unternehmens oder einer bestimmten Aktivität in Beziehung zu seinen Zielen bewerten. Sie dienen als Orientierungshilfe, um festzustellen, wie gut ein Unternehmen seine strategischen und operativen Ziele erreicht. KPIs können verschiedene Dimensionen abdecken, darunter Finanzen, Kundenbeziehungen, interne Prozesse und Mitarbeitereffizienz.

Indicator KPI: Arten

Finanzielle KPIs

Diese Kennzahlen geben Aufschluss über die wirtschaftliche Gesundheit eines Unternehmens, zum Beispiel

  • Umsatzwachstum: Zeigt die prozentuale Veränderung des Umsatzes über einen bestimmten Zeitraum.
  • Bruttomarge: Verhältnis von Bruttogewinn zum Umsatz, das die Rentabilität des Kerngeschäfts misst.
  • Cash-Flow: Der Nettozufluss und -abfluss von Zahlungsmitteln, der die Liquidität eines Unternehmens widerspiegelt.

Kundenbezogene KPIs

Diese messen die Effektivität der Kundenbeziehungen und -zufriedenheit. Wichtige Kennzahlen in diesem Zusammenhang sind:

  • Net Promoter Score (NPS): Misst die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden das Unternehmen weiterempfehlen.
  • Kundenzufriedenheit (CSAT): Basierend auf Kundenbefragungen zur Bewertung der Zufriedenheit mit Produkten oder Dienstleistungen.

Prozessbezogene KPIs

Diese Kennzahlen bewerten die Effizienz interner Prozesse, beispielsweise:

  • Durchlaufzeit: Die Zeit, die für die Bearbeitung eines Prozesses oder Auftrags benötigt wird.
  • Fehlerquote: Anteil der fehlerhaften Produkte oder Dienstleistungen an der Gesamtproduktion.

Mitarbeiterbezogene KPIs

Diese Kennzahlen beziehen sich auf die Leistung und Zufriedenheit der Mitarbeiter. Beispiele sind:

  • Mitarbeiterfluktuationsrate: Der Anteil der Mitarbeiter, die das Unternehmen innerhalb eines festgelegten Zeitraums verlassen
  • Mitarbeiterengagement: Eine Messung der Motivation und des Engagements der Mitarbeiter durch Umfragen und Feedback.

Die Auswahl der richtigen KPI

Die Auswahl der richtigen KPI hängt von den spezifischen Zielen und Bedürfnissen eines Unternehmens ab. Hier sind einige Schritte zur Auswahl geeigneter KPIs:

  • Zieldefinition: Klare und präzise Definition der Ziele ist unerlässlich. KPIs sollten direkt auf die strategischen Ziele des Unternehmens abgestimmt sein
  • Relevanz: Die KPIs sollten relevante Informationen liefern, die zur Entscheidungsfindung beitragen. Vermeiden Sie Kennzahlen KPI, die wenig Einfluss auf die Unternehmensziele haben.
  • Messbarkeit: KPIs müssen quantifizierbar sein. Es sollte möglich sein, die Kennzahlen regelmäßig und zuverlässig zu messen.
  • Realistische Zielvorgaben: Setzen Sie realistische und erreichbare Zielvorgaben für die KPIs. Übermäßige oder unerreichbare Ziele können demotivieren.

Umsetzung und Monitoring von KPIs

Die Implementierung von KPIs erfordert eine systematische Herangehensweise:

  • Datenquelle und -erhebung: Stellen Sie sicher, dass Sie über zuverlässige Datenquellen verfügen und die notwendigen Daten regelmäßig erheben.
  • Berichterstattung/Reporting: KPIs sollten in regelmäßigen Abständen berichtet werden, um Trends und Abweichungen frühzeitig zu erkennen.
  • Analyse und Anpassung: Analysieren Sie die KPI-Daten, um Stärken und Schwächen zu identifizieren. Passen Sie Ihre Strategien entsprechend an.
  • Kommunikation: Kommunizieren Sie die Ergebnisse der KPI-Analyse an alle relevanten Stakeholder, um Transparenz und Verständnis zu fördern.

Nutzung von KPIs: Nachteile

Trotz ihrer Vorteile können KPIs auch Herausforderungen mit sich bringen. Jane Enny van Lambalgen, eine erfahrene Interim-Managerin, erklärt, dass in vielen Unternehmen Diskrepanzen oft durch Manipulationen in Excel-KPI-Tabellen entstehen. Mitarbeiter neigen dazu, Zahlen zu schönen, um ihre Leistung besser darzustellen. Wenn dies unbemerkt bleibt, wird die Manipulation zur Gewohnheit, was dazu führt, dass Manager die tatsächlichen Probleme nicht erkennen. Dies kann zu einer falschen Darstellung der Unternehmenslage führen, die erst spät entdeckt wird, wenn das Unternehmen bereits in Schwierigkeiten steckt. Van Lambalgen schätzt, dass in Deutschland Zehntausende von Mitarbeitern solche Phantomzahlen erstellen, die von vielen Managern nicht durchschaut werden.

„Zehntausende von Beschäftigten in Deutschland in Excel Phantomzahlen, auf die Hunderte, wenn nicht Tausende von Managern hereinfallen.“

Jane Enny van Lambalgen warnt, dass eine ausschließliche Fokussierung auf KPIs auch ohne Manipulation Schwächen aufweist. Sie hebt Risiken hervor wie die übermäßige Betonung kurzfristiger Ziele, das Vernachlässigen schwer messbarer Faktoren wie Mitarbeitermotivation, das Hemmen von Innovation, die Förderung ungesunden Wettbewerbs zwischen Abteilungen und den Verlust der strategischen Ausrichtung, wenn Kennzahlen die strategischen Ziele überlagern.

Es gibt auch weitere Aspekte, die Arbeit mit den KPIs erschweren:

  • Überfrachtung: Zu viele KPIs können überwältigend sein und die Entscheidungsfindung erschweren. Wählen Sie eine sinnvolle Anzahl an Kennzahlen aus.
  • Fehlinterpretation: KPIs müssen im richtigen Kontext interpretiert werden. Ohne umfassende Analyse können die Daten irreführend sein.
  • Datenqualität: Ungenaue oder unvollständige Daten können die KPIs verfälschen und zu falschen Entscheidungen führen.

So können Ihre Manager keine Betriebskennzahlen mehr manipulieren

Um sicherzustellen, dass Manager in Marketing die KPI nicht manipulieren (auch in anderer Abteilungen: KPI Sales, KPI IT oder KPIs Controlling), kann ein Geschäftsführer verschiedene Maßnahmen ergreifen. So empfiehlt Jane Enny van Lambalgen, nur auf KPIs aus Maschinen oder Computersystemen zu setzen, da diese meist korrekt sind – vorausgesetzt, die Datenklassifizierungen im ERP-System stimmen. Sie warnt, dass Excel-KPIs oft manipuliert sind, und kritisiert die weit verbreitete, naive KPI-Gläubigkeit im Management.

Hier sind weitere mögliche Strategien zum Schutz von Betriebskennzahlen vor Manipulationen:

  1. Transparente und klare Richtlinien:
    • Etablieren Sie klare, nachvollziehbare Richtlinien und Verfahren für die Erfassung und Meldung von Kennzahlen.
    • Definieren Sie eindeutig, welche Daten gesammelt werden und wie sie interpretiert werden sollen.
  2. Regelmäßige Audits und Kontrollen:
    • Führen Sie regelmäßige interne und externe Audits durch, um die Genauigkeit und Integrität der Kennzahlen zu überprüfen.
    • Setzen Sie ein unabhängiges Kontrollteam ein, das speziell für die Überprüfung der Kennzahlen zuständig ist.
  3. Automatisierte Systeme:
    • Implementieren Sie automatisierte Systeme zur Datenerfassung und -analyse, um menschliche Fehler und Manipulationen zu minimieren.
    • Nutzen Sie fortschrittliche Analytik und Algorithmen, um ungewöhnliche Muster oder Abweichungen in den Daten zu erkennen.
  4. Anreizsysteme überdenken:
    • Überprüfen und justieren Sie die Anreizsysteme, um sicherzustellen, dass sie nicht ungewollt zur Manipulation von Kennzahlen anregen.
    • Berücksichtigen Sie qualitative statt nur quantitative Kennzahlen bei der Leistungsbewertung.
  5. Kultur der Ethik und Integrität fördern:
    • Fördern Sie eine Unternehmenskultur, die auf Integrität und ethischem Verhalten basiert.
    • Schaffen Sie ein Umfeld, in dem Ehrlichkeit und Transparenz geschätzt werden, und belohnen Sie ethisches Verhalten.
  6. Whistleblower-Systeme einführen:
    • Implementieren Sie ein anonymes Whistleblower-System, das Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, Verdachtsfälle von Manipulationen zu melden.
    • Schützen Sie Whistleblower vor Vergeltungsmaßnahmen und nehmen Sie alle Meldungen ernst.
  7. Training und Sensibilisierung:
    • Bieten Sie regelmäßige Schulungen an, um Manager und Mitarbeiter über die Bedeutung korrekter Datenerfassung und -berichterstattung zu informieren.
    • Sensibilisieren Sie das Team für die Konsequenzen von Datenmanipulation sowohl für das Unternehmen als auch für die betroffenen Personen.
  8. Trennung von Verantwortlichkeiten:
    • Implementieren Sie eine klare Trennung von Verantwortlichkeiten bei der Datenerfassung, -analyse und -berichterstattung, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
    • Stellen Sie sicher, dass mehrere Personen in den Prozess involviert sind, um eine gegenseitige Kontrolle zu gewährleisten.

Durch die Kombination dieser Maßnahmen kann ein Geschäftsführer das Risiko der Manipulation von Kennzahlen erheblich reduzieren und sicherstellen, dass die berichteten Daten zuverlässig und genau sind.

Fazit: Vertrauen, aber überprüfen!

Key Performance Indicators (KPIs) sind essenzielle Werkzeuge zur Messung des Unternehmenserfolgs. Egal, ob es um KPI im Vertrieb oder um KPI im Einkauf geht. Doch sie bergen auch Risiken der Manipulation und Fehlinterpretation. Um Manipulationen zu vermeiden, empfehlenswert sind die Nutzung automatisierter Systeme, regelmäßige Audits, transparente Richtlinien und die Förderung einer Unternehmenskultur der Integrität. Durch diese Maßnahmen können Unternehmen die Genauigkeit ihrer KPIs sicherstellen und fundierte Entscheidungen treffen.

 

                                                                            ***

Iana Roth ist Redakteurin bei den DWN und schreibt über Steuern, Recht und HR-Themen. Zuvor war sie als Personalsachbearbeiterin tätig. Davor arbeitete sie mehrere Jahre als Autorin für einen russischen Verlag, der Fachliteratur vor allem für Buchhalter und Juristen produziert.


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