Liebe Leserinnen und Leser,
Deutschland hat ein Problem mit: Björn Höcke! Über die AfD mag man sich noch gepflegt streiten - am Stammtisch. Aber selbst da ist der AfD-Chefideologe bei den meisten persona non grata - das beweisen derzeit vor den Thüringer Wahlen seine Sympathiewerte. Dennoch wollen derzeit die Mehrzahl der Bürger dort ihr Kreuz bei der AfD und Höcke machen. Wie kann das nur angehen?
Die vergangene Woche hat gezeigt, wie sehr Björn Höcke das Land spaltet und mit seinen ständigen Provokationen die Leute zur Weißglut treibt. Bis gut 2000 Demonstranten jetzt sogar so weit gegangen sind, den AfD-Spitzenkandidaten an der Teilnahme einer Wahlkampfveranstaltung in Jena zu hindern. Mit Gewalt! Das war, um es ganz klar zu sagen, völlig drüber. Auch wenn es wohl eher polizeitaktische Gründe für den Zusammenstoß gegeben haben mag, wie beispielsweise MDR und Spiegel berichten. Die Stimmung war so aufgeheizt, dass manche von uns sofort an den Mob in den USA denken mussten, der den Kongress in Washington gestürmt hat. Wie weit wird es bei uns gehen - nach den Wahlen? Spitzt sich die Lage zu? Stichwort "Zuspitzung" - auch wir nehmen uns an dieser Stelle dieses Recht heraus.
Angesichts dessen, was Thüringens AfD-Spitzenkandidat Höcke in seinen Reden immer wieder von sich gibt, könnte man mit aller Macht durchgesetzte Redeverbote nämlich - juristisch - auch als Akt der Notwehr einstufen. Nach dem Motto: Haltet den Dieb, haltet ihn auf! Und damit sind wir mitten im Thema. Wir haben entschieden, mal ein Gedankenexperiment zu wagen. Eines, das Höcke an den den eigenen Ansprüchen misst und ihn auch zeithistorisch genau da abholt, wo er sich offenkundig besonders wohl fühlt: in der autoritären NS-Zeit. Da wurde bekanntlich nicht lange gefackelt.
Wir fragen uns hier in Berlin jedenfalls schon lange: Was erlaubt sich Höcke? Anfangs noch im Spaß, der uns inzwischen aber vergangen ist. Der Mann stellt aus unserer Sicht eine Gefahr dar. Ein Querulant? Oder ist er nicht bereits ein unbelehrbarer Gewohnheitsverbrecher? Wenn Sie an dieser Stelle bereits angewidert abwinken, bitte sehr! Jeder darf seine Meinung haben! Sie könnten aber auch verleitet sein, sich wie wir zu fragen: „Ja, was denn sonst?“ Dann könnte dieser Kommentar der Deutschen Wirtschaftsnachrichten erhellend sein - oder bisweilen auch erheiternd.
Verwendung einer SA-Parole
Wir haben uns, wie gesagt, sehr zugespitzt, Gedanken über Björn Höckes Welt gemacht. Jenen 52-jährigen Gymnasiallehrer aus Lünen, der sich so sehr in die Untiefen deutscher Geschichte begeben und dort verirrt hat. Seine umtriebigen Aktionen und PR-Stunts für die vermeintliche „gute Sache“ seiner Ideologie sind hinlänglich bekannt.
Anlass für diesen Kommentar war eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur vom 10. Juli: „Immunität von AfD-Politiker Höcke erneut aufgehoben!“ Der Thüringer Landtag in Erfurt hat damit nun bereits zum dritten Mal den Weg freigemacht für strafrechtliche Ermittlungen gegen den Mitbegründer der rechtsextremen AfD-Gruppierung „Der Flügel“. Es geht um Paragraf 90a Strafgesetzbuch - Verdacht der Verunglimpfung des Staates. Diesmal geht es um eine der typischen Höcke-Reden zum Tag der Deutschen Einheit 2022 in Gera, die die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen hat.
Nun also zu unserem Gedanken-Experiment: Wir wollen uns an dieser Stelle nicht weiter mit der Frage herumschlagen, ob der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende mit ständigen Wortspielen, Verdrehungen und Referenzen aus schierer Begeisterung und einfach nur Unverständnis immer wieder absichtlich auf den Nationalsozialismus, Hitler und die SS rekurriert. Erste Urteile sind gesprochen, weitere dürften wohl folgen und endlich auch die fällige Rechtskraft erlangen.
Erst im Juli ist Höcke wegen Verwendung einer SA-Parole verurteilt worden. Nun wird er wohl schon bald wieder vor die Richter treten müssen. Die Vorschrift in unserem Strafrecht droht jedem Bürger bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe an, der bei einer Versammlung die Bundesrepublik Deutschland, ein Bundesland oder gar die verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht.
Da gibt es keine Missverständnisse mehr, die noch zu Höckes Gunsten angenommen werden könnten. Den geistigen Brandstifter als unbelehrbaren Querulanten oder gar als Querdenker abzutun, darüber sind wir, Leser wie auch Journalisten, gleichfalls hinaus.
Als Bürger dieses Staates sollten wir uns vielmehr fragen, wie man dem Delinquenten endlich das Handwerk legt. Jeder Trainer würde längst verzweifelt fragen: „Was erlaubt sich Höcke?“ Es geht ja immer wieder um dieselben Straftaten, nicht wahr? Da darf man - wohl oder übel - annehmen, dass Höcke eine Art „Gewohnheitsverbrecher“ ist.
Ihm selbst wird sicher gleich in den Sinn kommen, worauf wir hier rechtsgeschichtlich anspielen. Wir indessen haben eigens den Umweg über das Strafrecht der USA (im vermeintlichen „Land der Freiheit“) gewählt, um uns Höckes Absurditäten, Verstößen, Beleidigungen und bösen Fouls zu nähern.
Höcke und das three-strikes-law
Haben Sie schon einmal vom Drei-Verstöße-Gesetz gehört? In den USA verweist es als das „three-strikes-law“ auf die allgemein bekannten Regeln des US-Volkssports Nr. 1 - dem Baseball. Wie jeder Schlagmann, der beim dritten Fehlschlag ausscheiden (und auf die Spielerbank zurück) muss, gilt in den meisten Bundesstaaten der USA die unerbittliche Regel, nachdem dem Straftäter nach seiner dritten Verurteilung automatisch eine verschärfte Strafe aufgebrummt wird.
Maßstab für die Gesetzes-Anwendung ist die offenkundige „Unbelehrbarkeit“ eines Angeklagten - also das „Persistent Felony Offender Law“ oder, wie es im Kompendium Wikipedia auf Deutsch nachzulesen ist: das einfache Gewohnheitsverbrechergesetz.
Bevor wir zu krassen Konsequenzen für die Täter etwa im US-Bundesstaat Kalifornien kommen, möchten wir hier das oberste US-Gericht, den Supreme Court, zitieren. Im Ergebnis 25 Jahre oder mehr Haft für die dritte Straftat sei weder „grob überzogen“, noch eine „grausame oder ungewöhnliche Bestrafung“ gemäß der US-Verfassung.
An der Westküste, im sonnigen Kalifornien, gibt es nicht einmal mehr den Hinweis auf körperliche Gewalt gegen Menschen als Bedingung für eine Haftstrafe. Wer dort etwa zum dritten Mal wegen Autodiebstahls oder Einbruchs verknackt wird, ist fällig und kann lebenslänglich in den Bau geschickt werden - die vorzeitige Entlassung bei guter Führung ist zumeist erst nach 25 Jahren möglich.
Wie sind die Amerikaner da bloß drauf gekommen? Höcke wird es sicher wissen. Es waren jene notorisch Furchtbaren Juristen (so der Name von Ingo Müllers Standardwerk zur NS-Justiz anno 1984) wie Carl Schmitt und andere Vordenker der braunen Ideologie, die die Fundamente für das knallharte Durchgreifen gegen alle Gewohnheitsverbrecher und sogenannte Volksschädlinge gelegt haben. Unglaublich: Vorschrift § 20a Reichsstrafgesetzbuch (vom 1. Januar 1934) blieb in der Bundesrepublik bis zur großen Strafrechtsreform 1969 und damit noch bis April 1970 wirksam in Kraft.
Höcke kennt natürlich seinen Carl Schmitt und dessen paradoxe Interpretationen des Katechon. Es geht mithin um das von AfD-Anhängern beschworene „Jüngste Gericht“. Erbarmungslose Härte - statt Nächstenliebe.
Was heißt das also für einen Demagogen wie Björn Höcke? Man könnte meinen, endlich könne sich mal unser Justizminister Marco Buschmann von der FDP nützlich machen. Der Polit-Schreck aus Thüringen grinst nur, die Wahlen stehen vor der Tür. „Björn Höcke wird sich in dieser Angelegenheit nicht weiter äußern“, das teilte ein Sprecher mit.
Vielleicht aber ist es Zeit, dass die Richter endlich durchgreifen und den unwürdigen Inszenierungen Höckes ein Ende bereiten. Wie lange soll uns Björn Höcke denn noch am Nasenring durch die Manege führen?
Ihr Peter Schubert
Stellvertretender DWN-Chefredakteur