Unternehmen

Crowdstrike-Panne und Kaspersky-Kontroverse: Die große Cyber(un)sicherheit im deutschen Mittelstand

Nach der Crowdstrike-Panne dürfte die Diskussion um das Verbot der russischen Antivirensoftware Kaspersky wieder aufflammen. In den USA ist die Nutzung der Software seit Ende Juni auch für Privatanwender verboten. Nicht so in Deutschland.
25.07.2024 12:15
Lesezeit: 3 min

IT-Ausfälle an Flughäfen ebenso wie in Supermärkten, Krankenhäusern und Banken - das weltweite Chaos nach dem Einspielen eines fehlerhaften Updates der IT-Sicherheitslösung Falcon des US-Herstellers Crowdstrike hat gezeigt, wie gefährlich es sein kann, wenn ein Teil der globalen Cybersicherheit von Unternehmen und kritischen Infrastrukturen in den Händen eines Anbieters liegt.

BSI stuft Crowdstrike-Ausfall als geschäftskritisch ein

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bewertet den Ausfall von Crowdstrike auf einer Skala von 1 („hohe IT-Bedrohungslage“) bis 4 („äußerst kritische Bedrohung“) mit 3 – „geschäftskritische IT-Bedrohungslage“. Weiter führt das BSI aus, dass der Sachverhalt als exemplarisch für Schäden angesehen werden könne, die eintreten, wenn die Anforderungen des Bausteins OPS.1.1.3 Patch- und Änderungsmanagement aus dem IT-Grundschutz-Kompendium nicht umgesetzt würden.

Was das heißt? Unternehmen, die den Baustein nicht umsetzen, riskieren erhebliche Sicherheitslücken, da sie möglicherweise keine effektiven Prozesse zur Verwaltung von Sicherheitsupdates und IT-Änderungen haben, so das BSI. Dies erhöhe wiederum die Anfälligkeit von Unternehmen für Cyberangriffe und andere sicherheitsrelevante Vorfälle.

Auch wenn die Verluste durch den Crowdstrike-Ausfall in die Milliarden gehen könnten, so Susannah Streeter, Head of Money and Markets bei der britischen Investmentgesellschaft Hargreaves Lansdown, gegenüber dem Nachrichtensender Bloomberg, habe der Vorfall auch etwas Positives: Er habe die mangelhafte Cybersicherheit vieler Unternehmen offengelegt.

Grundlegende Sicherheitslücken im Mittelstand

Tatsache ist, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) besonders im Fokus von Cyberkriminellen stehen. Rund 60 Prozent der Angriffe im Jahr 2023 sind laut der European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) auf deutsche KMU entfallen. Das Problem: Viele KMU erfüllen grundlegende Sicherheitsmaßnahmen nicht, was sie anfällig für existenzbedrohende Attacken macht. Hauptursachen seien vor allem Ressourcenmangel und fehlendes Know-how, so die Behörde. Um für die Zukunft gewappnet zu sein, sei es daher notwendig, eine holistische Cyber-Strategie aufzusetzen.

Vor diesem Hintergrund dürfte auch die Diskussion um die Nutzung der russischen Antiviren-Software Kaspersky wieder an Fahrt gewinnen. So warnte das BSI im März 2022 vor dem Einsatz von Kaspersky-Produkten, da das Ministerium ein erhebliches Risiko für einen erfolgreichen IT-Angriff als erwiesen ansah. Daher lautete die Empfehlung des BSI: „Anwendungen aus dem Portfolio von Virenschutzsoftware des Unternehmens Kaspersky durch alternative Produkte zu ersetzen.“

Kaspersky und die politischen Kontroversen

Kritiker, darunter auch Kaspersky selbst, warfen dem BSI vor dem Hintergrund der russischen Invasion in der Ukraine politische Motive vor. Kaspersky wies jedoch schon damals den Vorwurf zurück, ein Werkzeug der russischen Regierung zu sein und wehrte sich erfolglos per Eilantrag zunächst beim Verwaltungsgericht (VG) Köln und dann beim Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen gegen die Entscheidung des BSI. Schließlich wandte sich Kaspersky gegen diese Entscheidungen an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (BVerfG), scheiterte aber auch dort.

In den USA blieb es nicht bei einer Empfehlung. Ende Juni hat das Department of Homeland Security den Einsatz russischer Antivirensoftware auch für den privaten Gebrauch komplett verboten. Seit dem 20. Juli ist der Verkauf der Software in den USA komplett untersagt, ab September sind keine Updates mehr erlaubt. Bereits 2017 hatte das US-Handelsministerium Kaspersky-Software auf Regierungscomputern verboten. Diese Entscheidung wurde nun verschärft.

Kaspersky betont stets, unabhängig zu sein und keine Daten mit der russischen Regierung zu teilen. Zur Ausräumung von Zweifeln verlagerte das Unternehmen Teile der Datenverarbeitung in die Schweiz und bot unabhängigen Experten die Prüfung des Quellcodes an. Überzeugen konnten diese Maßnahmen die USA jedoch nicht.

Infobox

Fehlende Cyber Readiness im Mittelstand

Damit der deutsche Mittelstand nicht weiterhin primäres Ziel von Cyberkriminellen bleibe, müsse er der Cybersicherheit eine höhere Priorität einräumen, heißt es im Cisco Index 2023, der einmal jährlich die Cybersicherheitslage und entsprechende Maßnahmen in deutschen Unternehmen untersucht.

Laut dem Index sind grundlegende Maßnahmen wie Antivirensoftware oder Multi-Faktor-Authentifizierung im Mittelstand derzeit oft unzureichend. Gerade einmal 11 Prozent der untersuchten Unternehmen befinden sich auf einem fortgeschrittenen Cyber Readiness-Level. Eine funktionierende Cybersicherheitsstrategie, die nicht nur auf die Einführung fortschrittlicher Technologien setzt, sondern auch auf den Schutz im Falle eines Angriffs, sei daher unerlässlich.

Welche Rolle Kaspersky in dieser Gemengelage künftig spielen wird, bleibt abzuwarten. Solange die EU keine Maßnahmen wie die US-Regierung ergreift, besteht für Unternehmen in Deutschland kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Dennoch: Vor dem Hintergrund der Crowdstrike-Panne und der anhaltenden Diskussion um Kaspersky dürfte der Handlungsdruck für deutsche KMU beim Thema Cyber-Sicherheit nicht weniger werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Funkmast auf Futterwiese: Das verdienen Landwirte mit Mobilfunkmasten
26.04.2025

Wer als Landwirt ungenutzte Flächen oder Scheunendächer für Mobilfunkanbieter öffnet, kann mit Funkmasten stabile Zusatzeinnahmen...

DWN
Panorama
Panorama Generation Z lehnt Führungspositionen ab – Unternehmen müssen umdenken
25.04.2025

Die Generation Z zeigt sich zunehmend unbeeindruckt von traditionellen Karrierewegen und Führungspositionen im mittleren Management. Eine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
25.04.2025

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise....

DWN
Politik
Politik Rentenbeiträge und Krankenkasse: Sozialabgaben werden weiter steigen
25.04.2025

Gerade bei der Rente hat die kommende Merz-Regierung ambitionierte Pläne. Doch gemeinsam mit den Krankenkassenbeiträgen droht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gold im Höhenrausch: Wenn Trump das Gold sieht, wird es gefährlich
25.04.2025

Der Goldpreis steht kurz davor, einen historischen Rekord nicht nur zu brechen, sondern ihn regelrecht zu pulverisieren. Die Feinunze Gold...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Autoindustrie unter Druck: Zollkrieg sorgt für höhere Preise und verschärften Wettbewerb
25.04.2025

Der Zollkrieg zwischen den USA und Europa könnte die Auto-Preise in den USA steigen lassen und den Wettbewerb in Europa verschärfen....

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen der Deutschen auf Rekordhoch – aber die Ungleichheit wächst mit
25.04.2025

Private Haushalte in Deutschland verfügen so viel Geld wie nie zuvor – doch profitieren längst nicht alle gleichermaßen vom...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wirtschaftsmodell zerbricht, Polen rückt vor
25.04.2025

Deutschlands Wirtschaftsmaschinerie galt jahrzehntelang als unaufhaltsam. Doch wie Dr. Krzysztof Mazur im Gespräch mit Polityka...