Weltwirtschaft

Silicon Valley hat bei US-Wahlen zwei Eisen im Feuer: J.D. Vance - vor allem Kamala Harris

Lesezeit: 5 min
24.07.2024 19:15
Die Hi-Tech-Schmieden im – weltweit zum Synonym für Innovationsfähigkeit gewordenen – Silicon Valley halten sich selbstbewusst für den Maschinenraum der US-Wirtschaft. Entsprechend aufmerksam verfolgen die Chronisten Meldungen über Spenden und Nachträge der dortigen Internet- und KI-Gründer.

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Vorübergehend sah es so aus, als könnte Donald Trump nicht nur die libertären Milliardäre wie Peter Thiel oder die beiden gebürtigen Südafrikaner David Sacks und Elon Musk auf seine Seite ziehen. Vielleicht könnten sogar die Entwickler und Programmierer, Techniker und Tüftler im Silicon Valley ihre traditionelle Nähe zur Demokratischen Partei hinter sich lassen. Wohl auch deshalb holte er J.D. Vance als Running Mate in sein Wahlkampf-Team. Vance war einige Jahre lang in Kalifornien in Sachen Risiko-Finanzierung und Wagnis-Kapital tätig und gilt seither dort als bestens vernetzt.

Über wie viel „digitale Kompetenz“ J.D. Vance wirklich verfügt

Vance arbeitete für eine Investmentfirma Peter Thiels, der erzkonservative gebürtige Deutsche, der einst als Facebook-Aktionär sowie mit PayPal und Palantir an der Börse steinreich geworden ist, sich seither zunehmend politisch engagiert und auch Trump unterstützt hat in der Vergangenheit. J.D. Vance ist seither zugleich mit den „Big Shots“ Elon Musk und David Sacks befreundet, die 2022 seine Wahl-Kampagne für den von ihm erlangten Senatorenposten im Bundesstaat Ohio unterstützt haben.

Ob Vance wirklich „digitale Kompetenz“ hat, kann genauso mit Fragezeichen versehen werden, wie seine „Rags to riches“-Erzählung vom Hillbilly, der sich „vom Tellerwäscher zum Millionär“ hochgearbeitet hat. Das klingt zwar gut, liest sich auch in seinem Roman „Hillbilly-Elegy“ so, basiert im Wesentlichen aber auf seinem Opportunismus. J.D. Vance hat so viele Dinge in seinem Leben erzählt, von denen er mittlerweile öffentlich das Gegenteil vertritt. Notorisch wandelbar ist vor allem seine Haltung zu Ex-Präsident Trump, den er einst sogar mit Adolf Hitler verglichen hatte.

Wie Trumps Running Mate J.D. Vance am Aufstieg und Untergang von AppHarvest, Inc. partizipiert hat

Was wirklich stimmt, ist, dass J.D. Vance 2019 bei Branchengrößen wie Ex-Google-Chef Eric Schmidt, Marc Andreessen (Netscape) und wieder einmal Peter Thiel rund 100 Millionen Dollar für seine eigene Wagniskapital-Firma Narya Capital losgeeist hat. Narya, namentlich mal wieder eine Anspielung auf die Serie „Herr der Ringe“, engagierte sich u. a. für die rechte Video-Plattform Rumble und dann für einen der zwischenzeitlich an der Wall Street heiß gehandelten Spac-Deals. Investiert wurde in Indoor-Farmen in den Appalachen, jener Hinterwäldler-Region, in der J.D. Vance aufgewachsen ist. Es ging um das „Vertikale Farming“ – Tomaten wachsen gerne mal am Strauch! AppHarvest, Inc., so der Name der Firma, galt kurzzeitig bei Tradern als vermeintlicher „Hot Stock“.

Das Lebensmittel-Unternehmen hat eine 60 Hektar große Tomatenfarm in Morehead, Kentucky, betrieben - bewertet wurde sie mit etwa 30 Millionen Dollar. Die von J.D. Vance über den Spac an die Börse gebrachte und hochgejazzte Aktie schoss vorübergehend auf eine Milliarde Dollar hoch, um am Aktienmarkt wenig später komplett abzustürzen.

Schnell über alle Berge, um in Ohio Karriere in der Politik zu machen

2023 wurde nach Chapter Eleven Insolvenz angemeldet, seit Dezember ist die Aktie vom Börsen-Tableau verschwunden und fristet nun ein Dasein als Penny-Stock. Wer hat prächtig verdient? Peter Thiel vermutlich und die anderen Geldgeber – und J.D. Vance natürlich, der sich rechtzeitig im wahrsten Wortsinne über alle Berge abgesetzt hat und jenseits der Appalachen in Ohio mittlerweile als Senator für die Republikaner in die Politik gewechselt ist. Nach Berichten von Associated Press sind unterdessen „fünf Klagen vor Gericht anhängig, wegen angeblich irregeführter Aufsichtsbehörden und getäuschter Anleger“. Gut möglich, dass das Kapitel von Vance hierbei in den nächsten Wochen öffentlich in den Medien beleuchtet und aufgearbeitet wird.

Jemand, der tatsächlich tief in Kaliforniens Hauptstadt Sacramento und dem Silicon Valley verwurzelt ist, und über ihre jahrelange Arbeit als Generalstaatsanwältin und Senatorin mit den Akteuren der Internet-Branche bestens vertraut, ist Kamala Harris – Joe Bidens (während der Amtszeit unterbelichtet gebliebene) Vize-Präsidentin. Sie könnte Bidens Vermächtnis fortführen.

Als wahre Einfluss-Größen in Kalifornien gelten Kamala Harris und ihr Mann Douglas Emhoff

Harris setzte sich in ihren Jahren in Kaliforniens Hauptstadt Sacramento für eine Kampagne gegen die Verbreitung von Pornographie im Internet und den sozialen Medien ein. Vor allem ging es dabei um „Rache-Pornos“, bei der Fotos ohne die Zustimmung von Betroffenen im Netz veröffentlicht werden. Ihr Druck führte dazu, dass Meta, Google und andere Dienste Maßnahmen in den sozialen Medien ergriffen haben, um derlei Bilder und Videos von den Seiten zu entfernen und zu verbannen.

„Ich kann nicht genug betonen, wie sich führende Technologie-Unternehmen engagiert haben“, betonte Harris damals augenzwinkernd auf ihrer Pressekonferenz. „Ich will damit nicht sagen, dass sich einer von ihnen über einen Anruf der Generalstaatsanwältin gefreut hat, in dem es hieß: ‚Kommen Sie rein, wir wollen mit Ihnen sprechen.‛ Aber das haben sie alle. Das haben sie.“ Zur Erinnerung: Bei den letzten Präsidentschaftswahlen stimmten in der Bay Area, also der Südbucht von San Francisco, die das Silicon Valley umfasst, nur 24 Prozent der Wähler für Donald Trump. Bei der Wahl davor, wurde ernsthaft diskutiert, wie sich Kalifornien aus der Union lösen und separieren könnte. Viele gute Freunde hat Donald Trump dort wahrlich nicht.

Selfmade-Millionär? Im Silicon Valley sind die meisten durch das Pentagon reich geworden

Die Begeisterung über die angekündigten Großspenden etwa von Elon Musk, der bis zur Wahl am 5. November jeden Monat 45 Millionen Dollar für den Trump-Wahlkampf spenden will, sowie des Hedgefonds-Managers Bill Ackman und von David Sacks (Investor auch bei Uber, SpaceX und Palantir) könnte insofern eine kurze Episode bleiben. Weder Elon Musk noch Peter Thiel sind aus Sicht der Branchenvertreter Aushängeschilder für Big-Tech – sie sind als die „PayPal-Mafia“ verschrien.

Sie agieren aus Eigeninteresse und sind in ihren radikalen Ansichten vereint, den Einfluss des Staates einzuschränken. Alle andere im Silicon Valley wissen freilich, dass sie beileibe keine klassischen Selfmade-Millionäre oder gar Milliardäre sind, sondern stets von staatlicher Unterstützung und Förderung profitiert haben. Das Pentagon hat das Silicon Valley einst groß gemacht – das vergessen so manche der Superreichen. Darum, mit der Künstlichen Intelligenz weiterhin unbeschränkt Geld scheffeln zu können, geht es ihnen. Sie fürchten zu viel Regulierung durch Washington - und spenden deshalb den politischen Super-Pacs, die Trumps Wahlkampf befeuern. Wie Vance sich hier verhält, gilt als einigermaßen dubios. Zumal er sich in der Vergangenheit immer wieder lobend über Lina Khan geäußert hatte, die als Spitze der Federal Trade Commission über das Kartellrecht wacht. Gut möglich, dass hier die nächste Pirouette droht.

Beobachter von Big-Tech in Kalifornien, sind sich insofern sicher, dass Kamala Harris relativ schnell die Bemühungen von J.D. Vance um Unterstützung in der Branche in den Schatten stellen wird. Kamala Harris war auf der Hochzeit von Sean Parker, dem früheren Manager von Napster und Facebook-Berater. Sie erhielt Spenden von Reid Hoffman, dem Risikokapitalgeber und Mitbegründer des Karriere-Netzwerks LinkedIn. Auch der Milliardär Marc Benioff, Chef des Software-Konzerns Salesforce, steht hinter ihr. Zudem zählt Sheryl Sandberg, ehemals für das operative Geschäft bei Facebook zuständig, zu den Unterstützern des wahren Silicon Valleys.

Auch Doug Emhoff, der First Gentleman, kennt an der Westküste beinahe jeden

Und nicht nur die Vize-Präsidentin, auch ihr Mann Douglas Emhoff gehören schon lange selbst zur Prominenz der Westküste. Wie selbstverständlich werden sie zu den Partys und in die Villen der Reichen und Einflussreichen eingeladen und sind Teil der dortigen Peergroup. Doug Emhoff war als Rechtsanwalt eine große Nummer an der Westküste, der in den Hollywood-Studios genauso ein und aus gegangen ist wie in den Firmenzentralen der Internet-Wirtschaft im Silicon Valley. Erst als First Gentleman seiner Frau in Washington stellte er seine Tätigkeit als Jurist ein und engagiert sich seither vor allem für mildtätige Zwecke – wie im Weißen Haus so üblich.

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.



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