Politik

Wo Kamala Harris beste Angriffsflächen im Team von Donald Trump erkennt

Lesezeit: 4 min
30.07.2024 15:07
Der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten kommt allmählich in die heiße Phase. Nicht mal mehr 100 Tage sind es, bis zur Wahl des oder der künftigen US-Präsidenten/in am 5. November. Kamala Harris ist noch gar nicht mal nominiert und doch scheinbar gesetzt bei den Demokraten - Trump hält sie für „dumm wie Brot“, unterschätzt offenkundig die Gefahren und die Gegnerin.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Noch ist Kamala Harris selbst auf der Suche nach dem optimalen Kandidaten an ihrer Seite. Dabei ist der US-Vize-Präsidentin Kamala offenbar bewusst geworden, welche Gefahren aus einer strategisch falschen Wahl entstehen können. Abschreckendes Beispiel ist J.D. Vance, Trump junger Kandidat für das Amt, das Kamala Harris unter Joe Biden innehat.

Vom Hoffnungsträger zur Belastung Trumps in unter einer Woche

Der Hoffnungsträger der Rechten ist nur wenige Tage nach seiner Nominierung bereits zur Belastung von Trumps Wahlkampf avanciert. Die wütenden Angriffe der Republikaner und des Trump-Teams verpuffen wie beim Schattenboxen als Schläge in der Luft. Wie ein Pennäler versucht Trump die Konkurrentin Trump zu beleidigen, selbst der Ehemann von Kamala Harris wusste den dummen Spruch mit den Worten „Is that all you got?“ abtropfen zu lassen. Partner J.D. Vance vermochte nur den Multiplikator anzusetzen und hält Harris für „1000 Mal schlimmer“ als der laut Trump „schlechteste Präsident aller Zeiten“ – also Joe Biden.

Punkte gewinnt man so nur da, wo man ohnehin also unangefochten gilt – bei den Hinterwäldlern, die die Angst vor dem sich verändernden USA umtreibt. In der Mitte bieten Trump & Co. Profilierungschancen.

Wahrscheinlich durchlebt Kamala Harris bei ihrem Auswahlprozess des eigenen Running Mates gerade ein Déjà-vu. Worauf kommt es an? Sie selbst hat Joe Biden im Wahlkampf 2020 ärger angegriffen als alle anderen Mit-Kandidaten der Demokratischen Partei – das bescherte ihr Bidens Respekt und plötzliche Nominierung als Einwechsel-Spielerin – für den Fall der Fälle, der haarklein in der Verfassung geregelt ist.

Geholfen hat Kamala Harris dabei ihre Erfahrung als Senatorin. Vor allem aber ihre Expertise durch unzählige Ämter im Bundesstaat Kalifornien. Vance hat nichts dergleichen anzubieten. Von ihm gibt es keine unterzeichneten Akten, dafür nur peinliche Video-Mitschnitte und Chats, die ihn derzeit fast tagtäglich in die Bredouille bringen. Dort schimpft er über die Polizei, die er angeblich hasst, und über alleinstehende Frauen, die offenbar lieber mit Katzen zusammenleben als mit Männern wie ihm. Peinlich!

Was, wenn Trump wie einst FDR Roosevelt das Zeitige segnet?

Harris hat sich festgelegt: Vance wird von ihr als „weird“ bezeichnet – seltsam, schräg und unheimlich. Und dann erinnert sie ihre Zuhörer bei Wahlkampf-Veranstaltungen gruselnd daran, was passiert, wenn ein steinalter US-Präsident wie Trump (78) das Zeitige segnet. Der Ball, den Trump als Elfmeter gegen Joe Biden mit verbundenen Augen verwandeln wollte, wird auf der anderen Seite jetzt ins leere Tor gekickt.

Volltreffer! Und prompt wird der Lebenslauf von J.D. Vance hinterfragt. „Wir haben eine schwarze Frau und einen weißen Mann - aber den fragt niemand nach seiner Erfahrung“, entlarvte bei CNN Mitch Landrieu, stellvertretender Kampagnen-Chef, die Doppelmoral.

Harris hat J.D. Vance als Trumps „Höfling“ und „Heuchler“ geoutet. Inzwischen nehmen sich abwechselnd im US-Fernsehen die potenziellen Anwärter für den Job des demokratischen Running Mates J.D. Vance vor, um ihn als Pudding an die Wand zu nageln -als wankelmütigen Opportunisten, der einen Tag das eine sagt, und dann etwas anderes.

Als Elite-Soldat bei den Marines gedient, sonst ohne Erfahrung

In seinem überschaubaren Lebenslauf kann J.D. Vance nur mit seinen Jahren als Elite-Soldat bei den Marines, für die er freilich als Kriegskorrespondent im Einsatz war und nicht etwa als Kampftaucher. Das verbreitet sich sukzessive und tröpfelt wie Gift ins Bewusstsein der kritischen Wähler ein. „Er hat nicht mal erfolgreich eine Firma geführt, hat überhaupt noch nirgends was geführt“, noch so ein Wirkungstreffer Mitch Landrieus im medialen Raum.

J.B. Pritzker, Gouverneur von Illinois und einer der Top-Anwärter auf den Stellvertreter-Posten mit Kamala Harris im Weißen Haus, gab zu Protokoll: „Ich habe in meinem Leben viele Einstellungen vorgenommen – in der Wirtschaft, in gemeinnützigen Organisationen und in der Regierung. Und es ist ziemlich offensichtlich, dass etwas nicht stimmt, wenn der Lebenslauf von jemandem zeigt, dass er keinen Job behalten kann oder nicht länger als ein oder zwei Jahre am Stück einen Job ausfüllen konnte.“ Der gleichfalls recht junge US-Verkehrsminister Pete Buttigieg (42) stichelt: „Ich bin jemand, der glaubt, dass jüngere Leute was einbringen können. Aber ich denke, wenn man überhaupt gar keine Erfahrung als Führungskraft aufweist, schon gar nicht in der öffentlichen Verwaltung, und generell sehr wenig Expertise in öffentlichen Ämtern, dann ist das ein echtes Problem.“

Harris (59) hat den Vorteil, den Auswahlprozess vor nur vier Jahren selbst durchlaufen zu sein. Dieses Argument hat letztlich wohl auch Barack Obama für sie eingenommen, als er und Ehefrau Michelle vor wenigen Jahren als letzte Granden der Partei gleichfalls auf ihr Ticket einschwenkten und den verkürzten Auswahlprozess favorisieren. „She’s ready“, ist sich Obama mit Biden sicher.

Die Situation erinnert an McCains Wahl von Sarah Palin – im Rennen gegen Obama

J.D. Vance ist es offenkundig nicht. Und die Situation erinnert fatal an das Rennen Obamas mit dem Favoriten aus Reihen der Republikaner im Jahr 2008. Als der damalige US-Senator des Bundesamtes Arizona, John McCain, die Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, als Kandidatin auswählte, sah er sich prompt mit dem gleichen Vorwurf konfrontiert. Es sei leichtsinnig gewesen, jemanden mit so wenig Erfahrung auszuwählen, zumal er damals der älteste Präsidentschaftskandidat beim ersten Mal war und bereits eine Krebserkrankung hinter sich hatte. McCain war anno 2008 sechs Jahre jünger als Donald Trump heute. Palin hatte ein paar Monate mehr Zeit als Gouverneurin von Alaska – und davor als Bürgermeisterin und Stadträtin ihrer kleinen Stadt Wasilla - als Vance je im Senat verbracht hat.

Wie kontert das Team Trump dieser Tage? So wie die Demokraten, als alle Welt Biden für einen senilen Greis hielt und ihn zum Aufgeben zwang. „Es kommt nicht aufs Alter an, sondern auf die Kompetenz“, so Trumps Sprecherin, Karoline Leavitt. Das erinnert die Amerikaner sogleich an die letzte Amtszeit Franklin D. Roosevelts im Alter von nur 62 Jahren (gegen Ende des Zweiten Weltkrieges), als Harry S. Truman 1945 die Amtsgeschäfte übernehmen musste. In dessen Amtszeit fallen die Atombombenabwürfe auf Japan und der Beginn des Kalten Krieges mit der Sowjetunion. Truman, Ex-Senator aus Missouri, war bekannt für seine „Truman-Doktrin“, mit der die USA den „freien Völkern“ ihre Unterstützung zusagten, um den Einfluss des Kommunismus und der Russen einzudämmen. Ein vermutlich beunruhigender Vergleich mit Vance heute.

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch kurz vor 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag hat die wichtigste Kryptowährung direkt nachgelegt. Seit dem Sieg von Donald...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Von Dividenden leben? So erzielen Sie ein passives Einkommen an der Börse
21.11.2024

Dividenden-ETFs schütten jedes Jahr drei bis vier Prozent der angelegten Summe aus. Wäre das auch was für Ihre Anlagestrategie?...

DWN
Politik
Politik Weltstrafgericht erlässt auch Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant - wegen Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen
21.11.2024

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den früheren...

DWN
Politik
Politik US-Staatsapparat: Tech-Milliardär Elon Musk setzt auf Technologie statt Personal - Unterstützung bekommt er von Trump
21.11.2024

Elon Musk soll dem künftigen US-Präsidenten Trump dabei helfen, Behördenausgaben zu kürzen und Bürokratie abzubauen. Er gibt einen...