Weltwirtschaft

Zollkrise: Personalnotstand lässt Schwarzarbeit boomen

Lesezeit: 3 min
13.08.2024 11:02
Täglich überprüfen die Zollfahnder der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, ob sich Unternehmen an das Arbeitsrecht halten. Doch inzwischen ist jede fünfte Stelle unbesetzt. Dem Staat entgehen dadurch Milliarden, während die Schwarzarbeit boomt.

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Der Personalmangel beim Zoll beeinträchtigt zunehmend den Kampf gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung. Nach einem Bericht der »Augsburger Allgemeine« ist inzwischen jede fünfte Stelle in der zuständigen Zollabteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit unbesetzt, wie die Zeitung unter Berufung auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken schreibt.

Linke kritisieren Bundesfinanzminister Lindner

Demnach sank die Zahl der Betriebsprüfungen im vergangenen Jahr um rund 20 Prozent von 53.182 auf 42.631. Die Linken-Abgeordnete Susanne Ferschl warf dem für den Zoll zuständigen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor, Lohnbetrug billigend in Kauf zu nehmen. “Die Bundesregierung lobt sich immer für ihre Personalpolitik, aber Fakt ist, dass die Lücke zwischen Planstellen und besetzten Stellen immer größer wird”, wird Ferschl zitiert.

Besonders beunruhige die Politikerin, dass aufgrund mangelnder Kontrollen viele Verstöße gegen das Mindestlohngesetz unentdeckt blieben. Trotz sinkender Kontrollzahlen stieg die Zahl der aufgedeckten Verstöße gegen das Mindestlohngesetz laut Bericht von 5.898 auf einen neuen Höchststand von 7.249. “Das zeigt, dass intensive Kontrollen entscheidend sind - auch wenn sie deutlich mehr Zeit und Personal binden”, so Ferschl. Es sei an der Zeit, das Fachkräfteproblem beim Zoll zu lösen.

Zollgewerkschaft fordert mehr Ressourcen und Kompetenzen

Auch Thomas Liebel, Bundesvorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ), wies in der RTL-Sendung »stern TV« auf die Problematik hin. Dort betonte Liebel, dass man bei den Kontrollen Schwerpunkte setzen und insbesondere die organisierte Schattenwirtschaft in den Blick nehmen müsse. “Die Politik und die ehrlichen Gewerbetreibenden erwarten von uns, dass wir hohe Schadenssummen aufdecken und gezielt gegen organisierte Formen der Schattenwirtschaft vorgehen”, so Liebel. Für einen insgesamt höheren Kontrolldruck müsse die Zahl der Einsatzkräfte beim Zoll von rund 9.000 auf 15.000 erhöht werden. Notwendig seien zudem eine bessere Technik und mehr Befugnisse für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit.

Eine halbe Billion Euro Schaden durch Schwarzarbeit

Der volkswirtschaftliche Schaden der Schwarzarbeit ist immens. Ökonomen schätzen, dass hierzulande rund zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung an Recht und Gesetz vorbei erbracht werden, was einem Wert von rund 500 Milliarden Euro entspräche.

Nach einer Prognose des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen wird das Volumen der Wirtschaftskriminalität in Deutschland bis 2024 voraussichtlich um 38 Milliarden Euro auf insgesamt 481 Milliarden Euro steigen. Das wäre ein Zuwachs von 8,4 Prozent, der Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt steigt damit auf 11,3 Prozent. Diese Summen fehlen letztlich den öffentlichen Kassen und wirken sich auf Infrastrukturprojekte, Bildung und soziale Sicherungssysteme aus.

Wenn das Grundsicherungssystem verlockender ist als Arbeit

Zeitgleich verschärft das Bürgergeld die Situation, wie eine Studie des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) zeigt. Über 70 Prozent der mittelständischen Unternehmen haben seit Einführung des Bürgergeldes Probleme, Geringverdiener zu finden. So kritisierte BVMW-Präsident Christoph Ahlhaus gegenüber den DWN: “Das Bürgergeld setzt Fehlanreize und belohnt Nichtstun.”

Tatsächlich lohnt es sich im aktuellen Grundsicherungssystem für viele Leistungsbezieher finanziell kaum, eine Arbeit aufzunehmen oder ihre Erwerbstätigkeit auszuweiten, wie die Studie „Ungelöste Probleme der Grundsicherung“ des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) aus dem März 2023 zeigt. Derzeit werden beim Bürgergeld nur die ersten 100 Euro Arbeitseinkommen nicht auf staatliche Leistungen angerechnet. Von jedem zusätzlich verdienten Euro dürfen die Bezieher 30 Cent behalten.

Für Einkommen zwischen 100 und 520 Euro bleiben 20 Prozent anrechnungsfrei, bei Einkommen zwischen 520 und 1.000 Euro sind es 30 Prozent. Weitere 10 Prozent bleiben bei einem Einkommen zwischen 1.000 und 1.200 Euro (bzw. bis zu 1.500 Euro bei minderjährigen Kindern) anrechnungsfrei.

BVMW-Chef Ahlhaus: “Anreize für Arbeit müssen gestärkt werden”

Angesichts dieser Situation fordert Ahlhaus: “Wer jeden Morgen aufsteht und die Ärmel hochkrempelt, muss am Ende des Monats mehr Geld in der Tasche haben als jemand, der das nicht tut.” Arbeit müsse wieder attraktiver werden, etwa durch eine Senkung von Steuern und Abgaben. Nur so lasse sich das Lohnabstandsgebot einhalten und Schwarzarbeit effektiv bekämpfen.

Laut Ahlhaus sei es essenziell, die Struktur des Bürgergeld-Systems zu reformieren, um Fehlanreize zu beseitigen und mehr Menschen in reguläre Arbeitsverhältnisse zu bringen. Immer mehr Unternehmer beklagen, dass das aktuelle System dazu führe, dass Schwarzarbeit attraktiver werde als legale Beschäftigung. Die Reformen müssen darauf abzielen, das Arbeiten lohnender zu machen als den Bezug von Sozialleistungen, um die Schwarzarbeit effektiv zu bekämpfen und die wirtschaftlichen Schäden zu minimieren.

SPD plant Strafverschärfung bei Schwarzarbeit

Zur Eindämmung des Betrugs durch Schwarzarbeit von Empfängern des Bürgergeldes plant die SPD einem Zeitungsbericht zufolge eine Verschärfung der Strafen bei Betrug durch Schwarzarbeit von Empfängern des Bürgergeldes. So soll die staatliche Leistung gestrichen werden, wenn Bürgergeldempfängern Schwarzarbeit nachgewiesen wird. Ähnlich wie bei den Sanktionen gegen so genannte Totalverweigerer soll der Regelsatz für die Dauer von zwei Monaten nicht gezahlt werden. Damit soll der Druck auf Bürgergeldempfänger erhöht werden, eine reguläre Arbeit aufzunehmen.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) lag die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Anspruch auf Bürgergeld im Mai 2024 bei 4,021 Millionen Personen, das sind 82.000 Personen mehr als im Mai des Vorjahres. Das Bürgergeld löste im Januar 2023 die Grundsicherung (Hartz IV) ab. Ziel der Reform war es, die Vermittlung in dauerhafte Arbeit statt in reine Helfertätigkeiten zu verbessern.


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