Politik

Eskalation in Nahost: Steht der Angriff des Iran auf Israel kurz bevor?

Lesezeit: 3 min
13.08.2024 08:20
Ob, wann und wie ein Angriff durch den Iran und seine Stellvertreter auf Israel stattfinden wird, bleibt unklar. Kann eine neue Verhandlungsrunde über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg eine Eskalation in Nahost noch abwenden? Nach Einschätzung Israels und der USA könnte der bereits seit Tagen befürchtete Gegenschlag des Irans und seiner Verbündeten gegen Israel nun unmittelbar bevorstehen.
Eskalation in Nahost: Steht der Angriff des Iran auf Israel kurz bevor?
Der iranische Präsident Masoud Pezeshkian (Mitte) nimmt an einer Regierungssitzung teil. Seit Tagen bereitet sich Israel auf eine mögliche Attacke durch den Iran oder dessen Partner vor (Foto: dpa).
Foto: Iranian Presidency

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Iran  
Israel  
USA  
Naher Osten  

Die Einschätzung der israelischen Behörden, dass es "in dieser Woche" zu einem Angriff kommen könnte, wird von den USA geteilt, erklärte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Diplomatische Bemühungen, den Iran und seine Verbündeten von einem Angriff abzuhalten, laufen derzeit auf Hochtouren. Eine für Donnerstag geplante Verhandlungsrunde über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas könnte entscheidend sein, um die Lage im Nahen Osten zu entschärfen.

Deutschland, die USA, Großbritannien, Frankreich und Italien forderten den Iran auf, die andauernden Drohungen gegen Israel einzustellen. Die Staats- und Regierungschefs der fünf Länder äußerten sich nach einem gemeinsamen Gespräch über die Lage in Nahost. Ein Angriff des Irans würde ernste Konsequenzen für die Sicherheit in der Region nach sich ziehen. Die Länder unterstützen die laufenden Bemühungen um eine Deeskalation, die Erreichung einer Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sowie die Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln. Es bleibt keine Zeit zu verlieren.

Kann eine neue Verhandlungsrunde die Eskalation in Nahost verhindern?

Die Vermittler USA, Katar und Ägypten sowie Israel haben erklärt, dass ihre Vertreter am Donnerstag in Doha oder Kairo zu den Verhandlungen erscheinen werden. Unklar ist jedoch, ob die Hamas daran teilnehmen wird. US-Außenminister Antony Blinken sprach mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan über die Bedeutung einer Teilnahme der Hamas, um den Rahmen für eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe im Gazastreifen abzuschließen und die Freilassung aller Geiseln sicherzustellen, so ein Sprecher des US-Außenministeriums.

Die Vermittler forderten Israel und die Hamas in einer gemeinsamen Erklärung auf, die Gespräche am 15. August wieder aufzunehmen, "um alle verbleibenden Differenzen zu klären und ohne weitere Verzögerung mit der Umsetzung des Abkommens zu beginnen". Blinken bedankte sich bei der Türkei für die Unterstützung dieser Erklärung, sagte der Sprecher. Die Hamas forderte jedoch die Vermittler auf, einen Plan zur Umsetzung des bereits bestehenden Vorschlags für ein Abkommen über eine Waffenruhe auszuarbeiten, "statt weitere Verhandlungsrunden abzuhalten" oder zusätzliche Entwürfe vorzulegen.

Eine mögliche Interpretation dieser Botschaft könnte sein, dass Hamas-Chef Jihia al-Sinwar den Angriff des Irans und der Hisbollah-Miliz gegen Israel abwarten möchte, in der Hoffnung, danach bessere Bedingungen für einen Deal auszuhandeln, sagte der israelische Journalist Barak Ravid in einem Interview mit dem US-Sender CNN. Sinwar wird im weit verzweigten Tunnelnetzwerk der Hamas unter dem Gazastreifen vermutet.

Bereitet sich der Iran auf einen Gegenschlag vor?

Mehr als eine Woche nach der Tötung eines Militärkommandeurs der Hisbollah im Libanon sowie eines Hamas-Anführers in Teheran ist weiterhin unklar, ob und wann der Iran und seine Verbündeten ihren angekündigten Gegenschlag gegen Israel ausführen werden.

Israel kann fest mit der Unterstützung der USA und anderer Verbündeter rechnen, wenn es darum geht, Raketen, Marschflugkörper und Drohnen abzufangen. Bereits im April, beim ersten direkten Angriff Irans auf Israel, konnten die meisten der mehr als 300 Geschosse von Israel und seinen Verbündeten abgefangen werden. Laut dem US-Portal "Axios", das sich auf israelische und US-Beamte beruft, hat der Iran nun ähnliche Vorbereitungen für seine Raketen- und Drohneneinheiten getroffen wie vor dem Angriff im April.

"Es ist schwer vorherzusagen, wie ein Angriff des Irans und seiner Verbündeten aussehen könnte", sagte Kirby. "Aber wir müssen auf eine mögliche Reihe von Angriffen vorbereitet sein, die erheblich sein könnten." US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte bereits die Verlegung des atomar betriebenen U-Boots "USS Georgia" befohlen, zudem sollen der Flugzeugträger "USS Abraham Lincoln" und seine Begleitschiffe ihre Fahrt in die Region beschleunigen, teilte das Pentagon am Montag mit. Der Flugzeugträger mit modernen F-35-Kampfjets ergänzt den bereits vor Ort stationierten Flugzeugträger "USS Theodore Roosevelt".

Israel und die USA rüsten sich für die Eskalation in Nahost

Israels Streitkräfte sind seit Tagen in höchster Alarmbereitschaft. Generalstabschef Herzi Halevi betonte nach einem Treffen mit ranghohen Militärs, die Armee bereite sich intensiv auf Offensiv- und Defensivmaßnahmen vor. "Wir befinden uns in den Tagen der Wachsamkeit und Bereitschaft, die Bedrohungen aus Teheran und Beirut könnten Realität werden, und es ist wichtig, allen klarzumachen, dass Bereitschaft, Vorbereitung und Wachsamkeit keine Synonyme für Angst und Panik sind", sagte Verteidigungsminister Joav Galant der "Times of Israel" zufolge.

Ein Sprecher der Hamas erklärte unterdessen, dass zwei Mitglieder ihres militärischen Flügels eine israelische Geisel getötet hätten. Zwei weitere Geiseln seien verletzt worden, teilte Abu Obaida mit, der den Al-Kassam-Brigaden angehört. Die Taten seien "eine Reaktion auf die israelischen Verbrechen gegen das palästinensische Volk im Gazastreifen". Das israelische Militär teilte mit, die Angaben derzeit weder bestätigen noch widerlegen zu können. Die Mitteilung Obaidas werde geprüft.

Die Hamas und andere Terroristen aus dem Gazastreifen hatten am 7. Oktober letzten Jahres den Süden Israels angegriffen, mehr als 1.200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Dieses beispiellose Massaker führte zum Gaza-Krieg. Während einer kurzen Waffenruhe wurden mehr als 100 Geiseln freigelassen, darunter vor allem Frauen und ältere Menschen. Die Freigelassenen berichteten von unmenschlichen Bedingungen, Entbehrungen, Gewalttaten und psychologischem Terror.

Nach israelischer Zählung hält die Hamas noch 115 Geiseln fest, von denen Israel 41 für tot erklärt hat. Überdies könnte es weitere Geiseln geben, deren Schicksal unbekannt ist und die möglicherweise nicht mehr leben.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Politik
Politik Donald Trump hofft: Elon Musk übernimmt (noch) nicht die US-Präsidentschaft
22.12.2024

Kritiker nennen den Tech-Milliardär süffisant «Präsident Musk». Donald Trump stellt klar, wer das Sagen hat - bestreitet aber auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Politik
Politik Steuern und Abgaben: Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 noch mehr – mit oder ohne Ampel!
22.12.2024

Das „Entlastungspaket“ der Ampel ist eine Mogelpackung, denn Steuersenkungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ab dem 1. Januar 2025...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Politik
Politik Migrationskrise: Asyl-Rekordhoch in Deutschland und die illegale Migration an den Grenzen geht ungebremst weiter
22.12.2024

In Deutschland leben fast 3,5 Millionen Geflüchtete, von Asylsuchenden über anerkannte Flüchtlinge bis zu Geduldeten. Das ist ein neuer...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...