Münster, Nordrhein-Westfalen: Die Familie Müller hat endlich ihr Traumhaus gefunden - ein charmantes Einfamilienhaus am ruhigen Stadtrand, ideal für ihre wachsende Familie. Doch hohe Steuern und Nebenkosten bedrohen ihren Traum. Allein die Grunderwerbsteuer in Nordrhein-Westfalen von 6,5-Prozent treibt die Kosten in die Höhe, wodurch die Nebenkosten schnell auf über 10-Prozent des Kaufpreises anwachsen.
Bei einem Kaufpreis von 600.000 Euro bedeutet das für die Müllers zusätzliche 60.000 Euro für Steuern, Notarkosten, Grundbucheintrag und andere Gebühren. Da ihr Erspartes nicht ausreicht, müssten sie den gesamten Kaufpreis finanzieren, was zu höheren Kreditkosten führt. Warum? Die Bank gleicht das erhöhte Risiko mit einem Zinsaufschlag aus. Die Situation der Müllers ist kein Einzelfall – viele Familien stehen vor ähnlichen Herausforderungen und können sich den Kauf eines Eigenheims nicht mehr leisten.
Das Problem: Für die Nebenkosten gibt es keinen Bankkredit - sie müssen aus eigener Tasche bezahlt werden
„Wer hingegen reich ist oder sein Erbe als Eigenkapital einsetzen kann, den hindert die Steuer nicht am Kauf und verteuert auch nicht die Konditionen. Ottonormalos und der Mittelstand werden also durch die Steuer systematisch am Immobilienmarkt gegenüber Reichen und Erben benachteiligt“, betont Maurice Höfgen, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Bundestag.
Außerdem zahlen längst nicht alle. Große Investoren nutzen nach wie vor legale Schlupflöcher, um die Steuer zu umgehen. Mit sogenannten Share-Deals erwerben sie nicht die Immobilien direkt, sondern Anteile an Unternehmen, die die Immobilien halten. Auf diese Weise wird die Steuerlast deutlich reduziert. Dies zeigt: Einmal mehr trifft die Belastung hauptsächlich den Mittelstand.
Finanzminister Lindner: Es ist an der Zeit, dass die Grunderwerbsteuer reformiert wird!
Finanzminister Christian Lindner hat daher neue Pläne angekündigt. „Hohe Baukosten und Zinsen machen es Familien inzwischen fast unmöglich, Eigentum zu erwerben. Erspartes fließt beim Kauf an den Staat. Wir sollten den Ländern deshalb die gesetzliche Möglichkeit eröffnen, bei selbstgenutzten Immobilien auf die Grunderwerbsteuer zu verzichten“, so Lindner.
Lindner weiter: „Wenn es nach mir geht, sollte die Grunderwerbsteuer für selbstgenutzten Wohnraum in den Ländern auf null gesenkt werden.“ Ein entsprechender Gesetzesentwurf, der Freibeträge für Selbstnutzer vorsieht und die Schlupflöcher bei den sogenannten Share-Deals schließen soll, wurde den Ländern bereits 2023 vom Finanzministerium vorgelegt.
Hoffnung für junge Familien? Warum die Grunderwerbsteuer-Reform entscheidend ist
Schon im Koalitionsvertrag hatte die Ampelregierung angekündigt, die Grunderwerbsteuer so zu reformieren, dass vor allem junge Familien beim Erwerb ihrer ersten eigenen vier Wände entlastet werden. Konkret sollen die Bundesländer die Möglichkeit erhalten, Freibeträge einzuführen. Bislang wurde die Reform jedoch noch nicht umgesetzt. Auch die CDU unterstützt diese Idee und hatte bereits Ende 2022 einen ähnlichen Antrag im Bundestag gestellt.
Ziel ist es, den Traum vom Eigenheim für breite Bevölkerungsschichten durch Freibeträge, auf die keine Steuer gezahlt werden muss, attraktiver zu machen, ohne dabei reiche Investoren zu bevorzugen. Während erstere vor allem auf dem Markt für selbstgenutztes Wohneigentum aktiv sind, konzentrieren sich letztere auf renditeorientierte Investments. Diese blieben von den geplanten Freibeträgen unberührt.
Doch wie realistisch sind die Pläne wirklich? Herausforderungen bei der Umsetzung einer Steuersenkung
Das Problem: Auch, wenn die Bundesregierung eine Senkung der Grunderwerbsteuer befürwortet, müssen die Landtage zustimmen. Seit 2006 entscheiden die Bundesländer selbst, wie hoch die Grunderwerbsteuer angesetzt wird. In den meisten Bundesländern wurde die Steuer seitdem erhöht, um zusätzliche Einnahmen zu generieren - aktuell liegt sie zwischen 3,5- und 6,5-Prozent des Kaufpreises.
Hier liegt die Herausforderung: Die finanzielle Abhängigkeit der Bundesländer von diesen Einnahmen ist erheblich. Besonders in Zeiten angespannter Haushalte und hoher Ausgaben für Bildung, Infrastruktur und soziale Leistungen sind die Länder auf diese Mittel angewiesen. Ein Verzicht auf die Grunderwerbsteuer könnte erhebliche Lücken in den Landeshaushalten verursachen, die den Spielraum für öffentliche Investitionen und Dienstleistungen stark einschränken würden.
Zudem besteht die Sorge vor einem ungesunden Steuerwettbewerb zwischen den Bundesländern. Wenn ein Bundesland die Grunderwerbsteuer drastisch senkt oder abschafft, könnte dies andere Länder unter Druck setzen, nachzuziehen, um im Wettbewerb um Einwohner und Investoren nicht zurückzufallen. Ein solcher Wettlauf nach unten könnte letztlich zu einem umfassenden Verlust dieser wichtigen Steuereinnahmen führen, ohne dass ein klarer wirtschaftlicher Vorteil entsteht.
Balanceakt zwischen Eigenheimträumen und Finanzrealitäten
Auf der einen Seite steht der berechtigte Wunsch vieler Familien und Mittelstandshaushalte, sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen, ohne durch hohe Steuern und Nebenkosten übermäßig belastet zu werden. Die Argumente für eine Senkung der Grunderwerbsteuer sind vielversprechend: Sie würde den Zugang zu Wohneigentum erleichtern, den Wohnungsbau fördern und die Eigentumsquote erhöhen. Dies könnte wirtschaftliche Impulse setzen und zugleich soziale Gerechtigkeit stärken.
Doch eine Reform darf nicht dazu führen, dass die ohnehin knappen Haushalte der Länder weiter unter Druck geraten. Der Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner, die Grunderwerbsteuer für selbstgenutzten Wohnraum auf null zu senken und Schlupflöcher für Großinvestoren zu schließen, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings müssen Bund und Länder gemeinsam eine Lösung finden, die mehr Menschen den Erwerb von Eigentum ermöglicht, ohne die Stabilität der öffentlichen Finanzen zu gefährden. Diese Herausforderung bleibt bisher ungelöst.