Unternehmen

Gastronomie in der Krise: Tausende Betriebe vor dem Aus

Lesezeit: 3 min
24.08.2024 13:01
Hohe Energie- und Lebensmittelkosten sowie Personalmangel haben die Gewinne in der Gastronomie um mehr als 20 Prozent einbrechen lassen. Wie Bürgergeld und steigende Ausgaben der Branche das Genick brechen.

Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Umsätze im Gastgewerbe sind im ersten Halbjahr 2024 um elf Prozent zurückgegangen. Das geht aus einer Mitgliederbefragung des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga hervor. „Die aktuellen Umfrageergebnisse verdeutlichen die nach wie vor sehr angespannte Lage im Gastgewerbe“, sagt Dehoga-Präsident Guido Zöllick.

Demnach haben steigende Kosten für Energie, Lebensmittel und Personal die Gewinne der Betriebe um mehr als 20 Prozent schrumpfen lassen. Besonders betroffen sind demnach Gasthöfe, Restaurants sowie Clubs und Diskotheken. „Diese Entwicklung ist kein isoliertes Phänomen, sondern das Ergebnis einer Vielzahl von Herausforderungen, mit denen die Branche seit Jahren konfrontiert ist“, so Zöllick.

Die Ursachen: Kostenexplosion und Preisdruck

Ein wesentlicher Faktor für die Misere der Branche ist die hohe Kostenbelastung. Die Preise für Energie, Lebensmittel und Personal sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen und bringen viele Betriebe an ihre Belastungsgrenze.

Fast 90 Prozent der vom Dehoga befragten Betriebe sahen sich gezwungen, die Preise zu erhöhen, um die gestiegenen Kosten zu kompensieren. In der Folge blieben die Gäste aus, was den Umsatzrückgang weiter verschärfte. Allein im vergangenen Jahr musste laut einer Studie der deutschen Wirtschaftsauskunftei Creditreform jeder zehnte Gastronomiebetrieb aufgeben. „Die Branche ist einer der Hauptverlierer der Krisenfolgen der letzten Jahre“, bestätigt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform.

Steigende Insolvenzzahlen in der Branche befürchtet

Besonders kritisch ist die Situation in Großstädten wie Berlin, wo nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Crif mehr als 16 Prozent der Gastronomiebetriebe als insolvenzgefährdet gelten. „Die Erhöhung der Mehrwertsteuer Anfang 2024 hat die finanzielle Belastung für viele Betriebe weiter verschärft“, so Frank Schlein, Geschäftsführer von Crif Deutschland.

Auch der Dehoga befürchtet, dass die Mehrwertsteuererhöhung in Kombination mit den hohen Betriebskosten zu einer weiteren Schließungswelle führen könnte. Der Verband rechnet mit der Schließung von bis zu 10.000 Restaurants und dem Verlust von zehntausenden Arbeitsplätzen bis Jahresende.

Kleine Unternehmen am stärksten betroffen

Besonders hart treffe die aktuelle Krise kleine und junge Unternehmen, die weniger als fünf Jahre alt sei und oft nur über begrenzte finanzielle Reserven verfügten. Laut der deutschen Wirtschaftsauskunftei Creditreform gingen im Jahr 2023 rund 88 Prozent aller Insolvenzen in der Gastronomie auf Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern zurück. Diese Betriebe haben oft nicht die nötigen Rücklagen, um längere Phasen von Umsatzrückgängen und steigenden Kosten zu überstehen. Diese Kombination aus steigenden Kosten, sinkender Nachfrage und erhöhter Mehrwertsteuer könnte dazu führen, dass noch mehr Betriebe in den kommenden Monaten in die Insolvenz rutschen.

Diese Probleme wurden durch die Corona-Pandemie weiter verschärft. Während der Pandemie mussten viele Betriebe monatelang schließen oder unter strengen Auflagen arbeiten, was zu erheblichen Umsatzeinbußen führte. Laut Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges haben viele Betriebe diese Verluste bis heute nicht kompensieren können.

Bürgergeld und Fachkräftemangel verschärfen die Krise

Zusätzlich zu den finanziellen Herausforderungen sieht sich die Branche mit einem immer größer werdenden Mangel an Fachkräften konfrontiert. Viele Betriebe haben Schwierigkeiten, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, was die Belastung der verbleibenden Mitarbeiter erhöht und die Betriebskosten weiter in die Höhe treibt. „Steigende Personalkosten und der Fachkräftemangel machen es den Betrieben immer schwerer, wirtschaftlich zu arbeiten“, erklärt Ingrid Hartges vom Dehoga. Diese Situation verschärft die ohnehin prekäre Lage vieler gastronomischer Betriebe und erhöht das Insolvenzrisiko weiter.

Wie dramatisch die Situation für kleine Unternehmen ist, zeigt der Hilferuf einer Gastronomin aus Nordrhein-Westfalen. Im Oktober 2023 veröffentlichte Katja Voigt, Geschäftsführerin eines Feinkostladens in Unna, einen Facebook-Post, in dem sie von ihrer verzweifelten Suche nach Arbeitskräften berichtete. Es gebe zwar Interessenten, so Voigt, „aber es bewerben sich nur Leute, die schwarz arbeiten wollen, um ihre staatliche Unterstützung nicht zu verlieren“. Die Erhöhung des Bürgergeldes sei ein Schlag ins Gesicht für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", so Katja Voigt abschließend. Ihr Beitrag wurde bisher über 4 Millionen Mal aufgerufen und über 3.000 Mal kommentiert.

McDonald’s & Co. ebenfalls betroffen

Dass die Krise nicht nur die klassische Gastronomie betrifft, zeigt der Jahresbericht des Bundesverbands der Systemgastronomie (BdS). Demnach verzeichnete die Systemgastronomie 2023 ein Umsatzplus von 14 Prozent, was einem Gesamtumsatz von 31 Milliarden Euro entspricht. Der durchschnittliche Kassenbon betrug 6,57 Euro, das sind 22 Prozent mehr als 2019. Dieses Umsatzplus ist jedoch hauptsächlich auf Preissteigerungen aufgrund der Inflation zurückzuführen. Gleichzeitig stiegen die Besucherzahlen im Vergleich zu 2022 um 8 Prozent und erreichten erstmals wieder Vor-Corona-Niveau. Trotz dieser positiven Entwicklungen bleibt die langfristige Stabilität in diesem Segment aufgrund der anhaltenden Kostenbelastungen gefährdet.

Generelle Aussichten für 2025 bleiben düster

Die aktuelle Lage in der Gastronomie ist ernst, und die Prognosen für die kommenden Monate sind wenig ermutigend. Die Dehoga-Umfrage zeigt, dass fast ein Drittel der befragten Betriebe die wirtschaftlichen Aussichten für das dritte Quartal als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ einschätzt.

Auch wenn einige Betriebe es schaffen, sich den aktuellen Herausforderungen anzupassen, bleibt die Zukunft für viele ungewiss. Denn die Aussichten für 2025 sind nicht besser, so Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges: „Ohne spürbare Unterstützung durch die Politik und deutliche Entlastungen für die Betriebe werden wir eine Fortsetzung des Negativtrends erleben, der bereits viele Unternehmen in die Knie gezwungen hat.” Andernfalls werde die Zahl der Insolvenzen in der Branche weiter zunehmen.

 



Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

 

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
22.12.2024

Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...

DWN
Panorama
Panorama Vollgas in die Hölle: Arzt gab sich als Islamkritiker und Musk-Fan - wirr, widersprüchlich!
21.12.2024

Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....