Vor den anstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen starten mehr als 40 Unternehmen eine Plakataktion gegen Fremdenfeindlichkeit. Was sich in den ostdeutschen Bundesländern abzeichne, sei „hochgefährlich“, sagt der Initiator – auch für den Standort Deutschland.
Kampagne: „Made in Germany – Made by Vielfalt“
Der Zusammenschluss der Familienunternehmer wirbt auf der offiziellen Homepage für mehr Toleranz, Vielfalt und Weltoffenheit. „Wir wollen Menschen sensibilisieren. Denn es ist hochgefährlich, was da gerade passiert – zum einen für unsere Demokratie und zum anderen für unseren Wirtschaftsstandort“, sagte Kampagnen-Initiator Timm Mittelsten Scheid gegenüber WELT AM SONNTAG.
Ziel sei es, angesichts der anstehenden Landtagswahlen in drei Bundesländern ein Zeichen zu setzen und zu zeigen, „wie wichtig Vielfalt für den Wirtschaftsstandort Deutschland und auch der Exportschlager Made in Germany ist“, so schreibt es die Initiative auf ihrer Website.
Deutsche Unternehmen sorgen sich um den „Osten“
Hintergrund zur Aktion sind die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September und die dortigen hohen Zustimmungswerte für die AfD. In Anzeigen und auf Social Media beziehen viele der Unternehmer Stellung gegen Populismus und Fremdenfeindlichkeit. Teil der Kampagne sind Firmen wie Vorwerk, Miele, Oetker und Stihl oder auch Claas, Trigema, Sennheiser und Schüco.
Mittelsten Scheid, der Gesellschafter und Beiratsmitglied von Vorwerk ist, bezieht die Kampagne auch auf die geplanten Chipfabriken an Standorten wie Dresden und Magdeburg. „Wenn die Firmen dahinter keine Mitarbeiter finden, die in den Osten gehen oder überhaupt nach Deutschland, dann wird das nichts mit den Chipfabriken und den lokalen Zulieferern“, sagte er.
Aktion gegen Fachkräftemangel
Aber auch andere Firmen müssten in Zukunft anderswo produzieren, wenn sie hier keine Mitarbeiter mehr fänden. „Die Menschen sollten über die Folgen nachdenken, bevor sie bei den Landtagswahlen leichtfertig ein Kreuz auf dem Wahlzettel machen, das einfach nur ihrer Wut Ausdruck verleihen soll.“ Deutschland brauche Vielfalt und Menschen aus den verschiedensten Regionen der Welt. „Wenn wir keine Vielfalt haben, fehlen Einflüsse und Ideen und daraus folgend in der Zukunft neue Technik und neue Produkte“, so Scheid.
Dass sich Familienunternehmen so offensiv in der Öffentlichkeit positionieren, sei zwar ungewöhnlich. „Manchmal muss es aber sein. Und dieser Moment ist jetzt“, ergänzt er. Bei den Zielen zeigt sich der Vorwerk-Gewerkschafter optimistisch. „Wir können dazu beitragen, einen neuen gesellschaftlichen Diskurs zu starten.“
Marketingkampgange: Wer gehört zur Initiative?
Das „Vielfalt-Projekt“ zeigt klar, die beteiligten Unternehmen stehen wieder hinter der aktuellen Regierung und deren wirtschaftspolitische Arbeit. Trotz Wirtschaftsflaute, Stellenabbau, Abwanderungen ins Ausland und auch öffentlicher Kritik an der Ampelregierung und der nicht stattfindenden „Wirtschaftswende“:
- Nikolas Stihl vom Kettensägen-Hersteller Stihl erklärte, die Produktion in Zukunft wohl ins Ausland verlegen zu wollen: „Es zeigt sich schlicht und einfach, dass sich in den vergangenen Jahren die Rahmenbedingungen in ganz wesentlichen Dingen so verschlechtert haben, dass manche Investition in Deutschland im Vergleich zu anderen Standorten nicht wettbewerbsfähig ist“, sagte Stihl im April der FAZ.
- Im Februar hatte der Waschmaschinen-Hersteller Miele angekündigt, 700 Arbeitsstellen in der Produktion von Deutschland nach Polen zu verlegen. Als Grund nannte das Unternehmen unter anderem die „drastischen Preissteigerungen auf der Kostenseite“.
- Das Fahrzeugbau-Unternehmen Krone schickte im Februar 400 Mitarbeiter in der Produktion für ein halbes Jahr in Kurzarbeit, wegen der wirtschaftliche Unsicherheit und der gestiegenen Kosten für Energie.
- Matthias Lapp vom Kabelspezialisten Lapp beklagte sich im Februar in der FAZ über bürokratische Hürden, überbordende Regulierung und hohe Abgaben sowie Energiepreise für ein geplantes Logistikzentrum in Ludwigsburg: „Wegen der Rahmenbedingungen wird dieses Projekt das vorerst letzte Projekt von uns in Deutschland sein – da sind wir uns in der Familie einig.“
- Stefan Dräger, Vorstandschef des Medizin- und Sicherheitstechnik-Herstellers Dräger, warnte im Januar in der Welt vor geplanten EU-Vorschriften für PFAS-Chemikalien: „Wenn das so kommt, dann können wir zuschließen“, erklärte Dräger.
Optimismus statt Kritik: Woher der Sinneswandel?
In Deutschland, das wird an den Aussagen deutlich, lässt sich immer schwerer profitabel produzieren. Die Gründe liegen auf der Hand: eine unbezahlbare Energie-Politik, die einseitig auf die Förderung von erneuerbaren Energien setzte, während preiswerte und verlässliche Energiequellen wie Atomkraft aufgegeben wurden. Eine Migrationspolitik, die den Sozialstaat belastet, ohne insgesamt einen Mehrwert für den Arbeitsmarkt darzustellen. Ein Verwaltungsapparat, der verhindert, anstatt zu ermöglichen.
Zeitgeist als Qualitätssiegel
Dennoch unterstützen jene Familienunternehmer, die unter der Wirtschaftspolitik der Ampel massiv leiden, mit ihrer Initiative vor den drei ostdeutschen Landtagswahlen den Kampf gegen eine vermeintliche Gefahr von rechts, die klar zu benennen die Unternehmer nicht einmal den Mut aufbringen.
Es ist ein Statement für den linksgrünen Zeitgeist, wofür der Name der Kampagne „Vielfalt“ stehen soll. Doch dafür wirbt die Aktion nicht. Das Gütesiegel „Made by Germany“ scheint nicht mehr gewollt oder „woke“ genug zu sein. Es könnte es auch bald nicht mehr geben.
Übrigens unter dem Abschnitt zum Thema „Informieren“ heißt es auf der „Vielfalt-Homepage“: „Der Zugang zu Fakten und unabhängigen Quellen wird erschwert durch bewusste Desinformation, vermeintliche Expertinnen und Experten, manipulierte Bilder“. Zum Glück gebe es bereits „viele Initiativen, die Falschmeldungen entlarven und über Methoden der Desinformation aufklären. Vielleicht finden Sie sogar eine Aktionsgruppe bei Ihnen vor Ort.“ Als seriöse Quellen werden nur die Tagesschau, heute.de sowie RTL, NTV, die BBC und CNN verlinkt.