Unternehmen

Intel-Subventionen streichen: Warum Sachsen-Anhalt auf den Bau der Chipfabrik verzichten sollte

Lesezeit: 4 min
22.08.2024 20:10
Der US-Chipkonzern Intel scheint in größeren Schwierigkeiten zu stecken. Viele Experten vermuten bereits, dass es deshalb mit dem geplanten Halbleiter-Werk in Magdeburg nichts wird. Sein Versprechen, spätestens Anfang 2024 mit dem Bau zu beginnen, hat Intel-CEO Pat Gelsinger gebrochen. Und jetzt ist bestätigt worden, dass nicht mal der Fördervertrag bei der EU gestellt wurde. Deutschland sollte den Stecker ziehen und die geplanten zehn Milliarden einsparen -Fördergeld einsparen. Robert Habeck (Grüne) hadert indessen mit einer klaren Ansage.

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Der ehemalige Hedgefonds-Manager und jetzige CNBC-Börsenmoderator Jim Cramer („Mad Money“) sagte unlängst recht deutlich, was er von Intel-Chef Pat Gelsinger hält: „He is over his head! (Er scheint völlig überfordert zu sein!)“ Das Gefühl hat man in Magdeburg dieser Tage auch. Während Kanzler Olaf Scholz (SPD) Anfang der Woche in Dresden „Silicon Saxony“ beim Baubeginn der TSMC-Chipfabrik in die Schlagzeilen trug, hängt das voreilig gefeierte Intel-Projekt von Magdeburg in der Warteschleife fest.

Intel-Aktie beim Börsen-Guru Jim Cramer auf Platz 3 der „Insider Monkey“-Liste

Cramer ist unnachahmlich, in der Art und Weise wie er fehlgeleitete Unternehmensentscheidungen offenlegt. Intel setzte er auf Platz drei seiner „Insider Monkey“-Liste. Das Hauptproblem von Intel sei es, so argumentiert er, „dass sie Unsummen für Produktionsanlagen ausgeben, aber gar keine Kunden haben“.

Aus seiner Sicht ist die Schieflage von Intel weit größer als angenommen. Der US-Chiphersteller manövriere seinen Tanker gerade durch „Dire Straits“ – also schwere See.

Was Haseloff und Habeck bei Intel offenkundig übersehen haben

Der Intel-Masterplan sah offenkundig vor, mit weiteren Fabriken weltweit zu wachsen und dabei überall ordentlich Subventionen einzustreichen. In Magdeburg sind ihm Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und dessen Berater womöglich auf den Leim gegangen. Zehn Milliarden Euro Subventionen und Steuergeld stellten sie Intel für die Wirtschaftsansiedlung in der Börde in Aussicht.

Sämtliche Warnungen von Wirtschaftsexperten und aus Oppositionskreisen wurden in den Wind geschlagen. Im übrigen auch aus der Ampel in Berlin, die sich gerne für ihre Wirtschaftspolitik feiern lässt und offenbar davon keinen Schimmer hat. Gelsingers Kommentar auf die Frage, warum ausgerechnet Magdeburg in Deutschland? Wo es doch dort überhaupt keine Kundennachfrage für seine Chips gibt? Sein Zitat spricht Bände: „Magdeburg war einfach hungriger. Sie wollten gewinnen“, so Gelsingers Statement vom Oktober 2023.

Absturz an der Nasdaq - Intel zirkelt seither weiter im freien Fall

Anleger scheinen Gelsingers Strategie jetzt erst durchschaut zu haben und haben den an der Tech-Börse von New York (Nasdaq) gehandelten Future-Wert Anfang August in einem Blutbad abgestraft.

An nur einem einzigen Börsentag hat die Intel-Aktie um 26 Prozent nachgegeben. Analysten argwöhnen, dass der Absturz statt mit einer harten Landung auf den Boden der Tatsachen sich im freien Fall weiterhin fortsetzt. Das Unternehmen aus Santa Clara sei zwar gleichfalls ein international aufgestellter Chip-Hersteller wie die Konkurrenz von TSMC aus Taiwan, dem weltweit fortschrittlichsten Halbleiterhersteller, aber leider von den Abnehmern her nur zweite Wahl.

Von Compaq, Kodak bis Netscape - nicht alle kommen durch

Nicht alles, was sich derzeit unter der Zauberformel „Künstliche Intelligenz“ und „AI“ subsumieren lässt, ist gleichbedeutend mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell. Das Bessere ist im Hi-Tech-Sektor schon immer Todfeind des Schlechteren gewesen - die Liste der Loser von einst Siemens-Nixdorf (Siemens Mobile) über Kodak, Compaq, Netscape, Palm (Blackberry) und Nokia ist lang und schmutzig.

In den Nachrichten sind auch bei uns die traurigen Konsequenzen vermeldet worden. Enorme Schulden! Die Rede ist von 52 Milliarden Dollar langfristigen Verbindlichkeiten - Stellenabbau! Bis zu 15.000 Mitarbeiter sollen gehen. Dividende gestrichen! Produkte im Wert von elf Milliarden schlummern in Lagern, für die es offensichtlich nicht wirklich Abnehmer gibt. Warum sollte man da also in Deutschland noch eine Fabrik bauen? Weil das mal ein Plan war? Weil man beim Kanzler oder Ministerpräsidenten in Magdeburg im Wort steht?

Warum die Politik in Santa Clara Tacheles reden muss - statt zu träumen

Die Wettbewerbsfähigkeit von Intel steht auf dem Spiel, wenn man sich Zeit nimmt, die Analysten-Stimmen zu studieren. Unter diesen Umständen muss die deutsche Politik in Santa Clara nachfassen und den Verantwortlichen beim Chip-Hersteller auf den Zahn fühlen. Weiter blauäugig vor den animierten Bildern einer de facto unbebauten Wiese zu sitzen und zu träumen wie die Grünen im Magdeburger Landtag, ist sicher nicht die Lösung. Die Politik dort diskutiert bereits eifrig, ob die zehn Milliarden nicht umgeleitet werden sollten - oder sogar gestrichen.

Vielleicht bedeutet eine aktuelle Anfrage in Brüssel den Todesstoß. Von dort erfuhren Journalisten des MDR jetzt ganz aktuell, dass nicht einmal der erforderliche Förderantrag für das mit Steuergroschen gespeiste Subventionspaket gestellt wurde bei der EU-Kommission. Die EU muss den Eingriff in die Marktwirtschaft bekanntlich erst einmal förmlich abnicken. Ein Schelm, wer das für ein Versehen hält.

In Magdeburg rotierten die Politiker derweil im Kreis und erzählten jedem, der besorgt nachfragte, dass man lediglich auf grünes Licht aus Brüssel wartet. Schon stellt die Opposition in Frage, ob es außer unverbindlichen Willensbekundungen überhaupt handfeste Verträge mit Pat Gelsinger und Intel gibt.

Provinznummer: Förderantrag in Brüssel nie gestellt

„Ich bin unsicher darüber, ob es an Unwissen, Unvermögen oder bewusster Intransparenz liegt. Man muss von Letzterem ausgehen“, sagte auch Eva von Angern, Fraktionsvorsitzende der Linken. „Das ist höchst verantwortungslos.“

Ein Regierungssprecher aus Magdeburg gab zu Protokoll, dass schon bald EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der CDU kommt, um nach dem Rechten zu sehen. Wirkt insgesamt wie eine Provinznummer!

Globalfoundries könnte Steuergeld in „Silicon Saxony“ besser verwerten

Intel galt lange Jahre als Branchenführer. Die Zeiten sind vorbei. Investitionen von 30 Milliarden Euro in Magdeburg hat Intel 2023 versprochen, dafür wurden zehn Milliarden Euro Förderung zugesagt. Der Deal ist perdu! Selbst wenn Bundeskanzler Olaf Scholz diese Woche noch einmal betont hat, wie wichtig ihm ist, dass in Zukunft mehr Chips in Deutschland hergestellt werden. Ein Blick auf die Konkurrenz sollte ihm die Augen öffnen. Wie wäre es zum Beispiel mir Globalfoundries? Nicht so bekannt der Name, aber eher besser, denn schlechter als die so hofierte Intel.

Bei dem Unternehmen handelt es sich de facto um die frühere Halbleiter-Fertigung von AMD. Anno 2009 wurden sie als „Foundry“, also Auftragsfertigung, ausgegliedert. Vorstandschef Thomas Caulfield hat jüngst angekündigt, acht Milliarden in seinen bereits bestehenden Standort in Dresden investieren zu wollen – wenn er gleichfalls staatliche Unterstützung bekomme. Globalfoundries hat in Sachsen in der Vergangenheit verlässlich geliefert und ist damit vertrauenswürdig! Während Intel, wie es scheint, derzeit als aufgeblasene Luftnummer daherkommt.

 

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.



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