Weltwirtschaft

Zukunft des deutschen Modeeinzelhandels - ein Auslaufmodell?

Lesezeit: 3 min
31.08.2024 08:37  Aktualisiert: 31.08.2024 08:47
Der stationäre Modeeinzelhandel steckt in einer flächendeckenden und dauerhaften Krise. Immer mehr Modeketten und auch Warenhäuser schließen ihre Geschäfte. Viele Innenstädte zeigen schon heute Verödungstendenzen. Wie soll das weitergehen?
Zukunft des deutschen Modeeinzelhandels - ein Auslaufmodell?
Esprit schließt bis Jahresende alle Filialen in Deutschland, wodurch rund 1300 Mitarbeiter ihren Job verlieren. (Foto: dpa)
Foto: Julian Stratenschulte

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Es sind nicht nur die neuesten Schlagzeilen über Esprit und die Schließung aller 53 deutschen Filialen bis zum Jahresende. Dies ist nur der neueste Zugang in einer schier nicht enden wollenden Nachrichtenflut von Insolvenzen der Modeeinzelhändler.

Peek & Cloppenburg Düsseldorf, Gerry Weber, Görtz, Reno, Galeria, Hallhuber und viele weitere – die Pleiten reißen einfach nicht ab. Bei Esprit gibt es in Deutschland einen Kahlschlag, bei Galeria eher eine Scheibchentaktik. Von den ehemals 171 Warenhäusern sind heute noch 92 übrig; bis zum Ende des Herbstes sollen es nur noch 83 sein. Die großen Leerstände in den 1a-Lagen der deutschen Fußgängerzonen sind schon heute nicht mehr zu übersehen.

Großer Auslöser der Modeeinzelhandelskrise war die Corona-Pandemie, als viele Geschäfte vorübergehend schließen mussten und der Konsum weitgehend zum Erliegen kam. Davon haben sich viele nicht erholt und auch heute kämpfen die verbliebenen Anbieter gegen die Konsumflaute an. Das aktuelle GfK-Konsumklima steht bei minus 18,4 Punkten. Die galoppierende Inflation und die Verunsicherung durch weltweite Krisen haben ihre Spuren hinterlassen. Zusätzlich kämpfen die Stationären mit hohen Energie- und Personalkosten.

Massiver Nachfrageeinbruch bei Bekleidung

Schon lange kämpfen die Modehändler in einem Marktumfeld eines großen Überangebotes und gegen volle Kleiderschränke. Vertikale Anbieter wie Zara oder H&M, die von Produktion bis zum Vertrieb über die eigenen Filialen alles in einer Hand haben, haben dem traditionellen Modeeinzelhandel mit inhabergeführtem Konzept und einer Multimarkenpolitik schon lange das Wasser abgegraben. Dazu kommt noch der immer beliebter werdende Onlinehandel. Die Deutschen halten sich aber generell beim Kauf von Kleidung zurück. Das ergab auch eine Umfrage des Vergleichsportals Idealo – Bei der Umfrage wurden Rückgänge bei den Umsätzen bei Kleidung und Accessoires um bis zu 52 Prozent festgestellt.

Auch Jörg Funder, Direktor des Instituts für Internationales Handels- und Distributionsmanagement und Professor an der Hochschule Worms, blickte bereits Anfang des Jahres sehr kritisch auf die Entwicklungen im Einzelhandel und dabei besonders auf den Modeeinzelhandel. Er sieht hier eine strukturelle Schwäche, denn bereits im Jahr 2023 haben auch die Anbieter im unteren und mittleren Preissegment Umsatzeinbrüche von 40 bis 60 Prozent zu verkraften gehabt. Das kann ein Unternehmen nicht auf Dauer verkraften. Die Insolvenzen im Modeeinzelhandel lagen 2023 mit einem Plus von 48 Prozent zum Vorjahr weit über dem Einzelhandelsdurchschnitt (+ 30 Prozent) und weit über der Insolvenzentwicklung aller Branchen (+ 25 Prozent).

Klare Positionierung als Strategie

Hansjürgen Heinick vom Institut für Handelsforschung (IFH KÖLN) sieht eine klare Positionierung von Modemarken als erfolgreiche Strategie, sich im bestehenden schwierigen Marktumfeld zu behaupten. Gerade Unternehmen wie Esprit im mittleren Preissegment sind sehr gefährdet nach seiner Meinung. Sie würden sich zwar nach unten gegen echte Markenanbieter abgrenzen, werden jedoch von modischen vertikalen Anbietern wie H&M oder auch Primark deutlich unterboten.

Auch sei bei Esprit eine klare Positionierung nicht mehr feststellbar, da das Unternehmen praktisch als Modeanbieter für alle Altersklassen bekannt ist. Andere Unternehmen, wie beispielsweise New Yorker, die sich ganz klar wie in diesem Fall auf die Alterszielgruppe von 16 bis 20 Jahren konzentrieren, seien wesentlich erfolgreicher.

Onlinehandel muss ein festes Standbein sein

Auch das Onlineangebot sei ein wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Strategie im Modeeinzelhandel, so auch Martin Fassnacht, Professor für Strategie und Marketing an der WHU in Düsseldorf. Mit über 40 Prozent Anteil am gesamten Markt für Kleidung und Accessoires kaufen die Deutschen in keiner anderen Branche so viel über das Internet.

Deshalb sei eine gute Verzahnung des stationären Geschäfts mit dem eigenen Onlinehandel unerlässlich, um dem Kunden die Möglichkeit zu geben, sich in unterschiedlichen Kanälen beraten zu lassen und auch einzukaufen. Die Strukturbereinigung im deutschen Modeeinzelhandel sei jedoch längst fällig gewesen.

Was wird mit unseren Innenstädten?

In vielen deutschen Städten zeigen sich heute schon markante Leerstände, die sich nicht schnell wieder vermieten lassen; die Suche nach geeigneten Mietern ist äußerst schwierig. Ob und wie die Gewerbeimmobilien in Zukunft genutzt werden können, bleibt vielfach noch unklar. In vielen Städten wird deshalb mit Immobilienbesitzern, Händlern und auch der Stadt über neue Konzepte nachgedacht, die die Innenstädte wieder neu beleben können. Hier wird die Zeit zeigen, ob und wie das gelingen kann.


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