Frankreich steckt in einer schwierigen Lage. Acht Wochen sind seit der Parlamentswahl vergangen, und trotz zahlreicher Sondierungsgespräche ist eine neue Regierung nicht in Sicht. Obwohl die Parteien ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert haben, fehlt der Mut, über den eigenen Schatten zu springen. Der Druck auf Präsident Emmanuel Macron wächst stetig.
Koalitionen unüblich in Frankreich
Die komplizierte Regierungssuche in Frankreich hängt auch damit zusammen, dass die aktuelle Situation untypisch für das Land ist. In den letzten Jahrzehnten gab es fast immer eine klare Mehrheit für eines der politischen Lager, bedingt durch die einstige Stärke der Volksparteien und das Mehrheitswahlrecht.
Koalitionen gehören daher nicht zur politischen Tradition in Frankreich. Die Parteien, die oft gegeneinander arbeiten, tun sich schwer mit dem Gedanken, trotz unterschiedlicher Positionen zusammenzuarbeiten. Dennoch ist dies nötig, denn bei der Wahl hat kein Lager eine absolute Mehrheit erreicht.
"Illiberales Abdriften"
Besonders problematisch ist die Rolle der populistischen Linkspartei La France Insoumise (LFI). Sie ist Teil des Linksbündnisses Nouveau Front Populaire, das bei der Wahl vorne lag und seitdem auf seinem Anspruch auf Regierungsführung besteht. Doch die anderen Lager drohen, eine solche Regierung durch ein Misstrauensvotum zu stürzen – wegen LFI.
Deshalb hat Macron das Vorhaben der Linken klar abgelehnt. "Eine Schande", "ein illiberales Abdriften" und "eine Verweigerung der Demokratie" warf das Bündnis ihm daraufhin vor. Es fühlt sich um seinen Wahlsieg betrogen und vermutet, dass Macron seine Politik einfach fortsetzen möchte – ungeachtet des Wahlergebnisses.
Schiedsrichter oder Akteur?
Macron sieht sich hingegen als Garant der Stabilität der Institutionen. Eine Regierungschefin zu ernennen, die rasch gestürzt wird, lehnt er ab. Seine Sondierungsgespräche versteht er als Versuch, eine Lösung für die schwierige Situation zu finden, in der kein Lager wie bisher alleine regieren kann. Der Élysée betont immer wieder, Macron sei hier nur der Schiedsrichter.
Die Linke nimmt Macron jedoch eher als Akteur wahr, der versucht, selbst eine Koalition zu schmieden, statt diese Aufgabe einem Premierminister zu überlassen. LFI droht sogar mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten.
Expertenregierung als Option
Wie könnte es in Frankreich weitergehen? Die Konservativen weigern sich weiterhin, Teil einer Regierung zu sein. Macrons Mitte-Lager fehlen etwa 120 Sitze für eine absolute Mehrheit, dem Linksbündnis knapp 100. Marine Le Pens Rechtsnationale kommen für die anderen Lager nicht infrage.
Kommunisten, Sozialisten, Grüne und LFI beharren darauf, gemeinsam zu regieren. Doch bei den Sozialisten wächst der Druck, alleine mit Macron zu verhandeln und sich von LFI zu distanzieren. Macron könnte versuchen, die Grünen für eine Koalition mit der Mitte zu gewinnen oder auf eine Duldung durch die Konservativen zu setzen.
Sollten diese Optionen scheitern, blieben Macron zwei Möglichkeiten: eine Expertenregierung oder doch dem Premierminister die Aufgabe zu überlassen, Mehrheiten zu finden. Dafür bräuchte er allerdings eine äußerst beliebte und neutrale Person – fast genauso schwer zu finden wie eine Koalition in Frankreich.