Immobilien

„Jung kauft Alt“: Förderprogramm der Bundesregierung im Sturm der Kritik

Lesezeit: 3 min
05.09.2024 11:17
Die Baukrise in Deutschland hält an: Der Neubau kommt nur schleppend voran und der allgemeine Wohnungsmarkt ist weiter in der Notlage. Wieso dann nicht die alten, bestehenden Wohngebäude sanieren? Bietet das neue „Jung kauft Alt“-Förderprogramm der Bundesregierung eine Lösung oder sind die Anforderungen unrealistisch? 
„Jung kauft Alt“: Förderprogramm der Bundesregierung im Sturm der Kritik
Lieber ältere, vorhandene Wohnungen sanieren als Neubau? (Foto: iStock.com, Halfpoint)
Foto: Halfpoint

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Das neue Förderprogramm „Jung kauft Alt“ der Bundesregierung steht - kaum gestartet - schon in der Kritik. Die gute Idee, das Familien mit Kindern, die eine alte Immobilie kaufen und sich zu einer Sanierung verpflichten, unterstützt werden, scheint nicht zu Ende gedacht.

Der Reihe nach: Laut dem jüngsten Zensus 2022 stehen fast zwei Millionen alte Wohnhäuser in Deutschland leer –teilweise, weil es bisher oft günstiger war, neu zu bauen, statt groß zu sanieren. Folglich sollte das neue Förderprogramm für Familien doch eigentlich eine gute Sache sein, würde man denken. Wieso dann die Kritik?

Die schnelle Antwort: Die Anforderungen sind zu strikt! Vielen Familien wird schlicht das Geld fehlen für eine umfassende Sanierung. Auch müssen Immobilien mit sehr hohem Energieverbrauch innerhalb von viereinhalb Jahren so weit modernisiert werden, dass sie mindestens Energieeffizienzklasse 70 EE erreichen. Das bedeutet, dass die Immobilie nach der Sanierung 30 Prozent weniger Energie Verbrauchen muss als ein Gebäude mit den gesetzlichen Mindeststandards.

Anforderungen „gehen an Lebensrealität der Zielgruppe komplett vorbei“

Laut Dirk Wohltorf, Präsident des Immobilien-Verband-Deutschland (IVD), wiederholt die Regierung bei dem Förderprogramm „Jung kauft Alt“ den gleichen Fehler wie bei der Neubauförderung „Wohneigentum für Familien“. „Die Einkommensgrenzen und zinsverbilligten Förderdarlehen sind viel zu niedrig, um die sehr hohen Anforderungen an die Energieeffizienz erfüllen zu können“, erklärt Wohltorf.

Der Ansatz, Wohneigentumsförderung mit klimapolitischen Zielen zu verbinden sei ja vernünftig, so Wohltorf. „Aber wenn man die Förderung daran knüpft, dass das erworbene Haus mit der Energieeffizienzklasse F, G oder H innerhalb von viereinhalb Jahren auf EH 70 EE gebracht werden muss, geht das an der Lebensrealität der Zielgruppe, jungen Familien, komplett vorbei.“

Auch andere Experten stimmen überein. Den Landesbausparkassen zufolge wird es vielen Familien auch mit Förderung schwerfallen, das nötige Geld für eine umfangreiche Sanierung aufzubringen. Vertreter meinten, eine Immobilie mit einem so schlechten Energieverbrauch innerhalb von viereinhalb Jahren so weit zu modernisieren, würde entweder am Zeitrahmen oder am Geld scheitern.

Bauministerin Geywitz: „Ressourcen sparen, Dorfkerne beleben“

Laut Bauministerin Klara Geywitz (SPD) stehen in kleinen Städten und Gemeinden viele ältere Häuser zum Verkauf oder leer. Wenn hier junge Leute einziehen, würde das gleichzeitig Ressourcen sparen, Dorfkerne wie die Innenstädte beleben und Familien ermöglichen, sich ein Eigenheim zu kaufen. „Familien können so zum Beispiel in die alte Heimat ziehen, dort ein bestehendes Haus sanieren und gleichzeitig andere Sanierungsförderungen in Anspruch nehmen“, sagte Geywitz. Gerade in ländlichen und dünn besiedelten Regionen vermeide man so, dass die historische Bausubstanz im Dorfkern leer stehe und die Menschen drumherum im Neubau wohnen.

Was sind die Details des Programms?

Wer darf die Förderungen beantragen?

Zielgruppe sind Familien mit minderjährigen Kindern und niedrigen bis mittleren Einkommen. Wer ein Kind hat, darf maximal ein zu versteuerndes Haushaltseinkommen von 90.000 Euro haben. Mit jedem weiteren Kind erhöht sich diese Schwelle um 10.000 Euro. Wer schon Baukindergeld bezieht oder bereits Eigentum hat, kann nicht gefördert werden.

Weitere Einzelheiten

Die Familie muss ein Haus oder eine Wohnung kaufen und dann auch selbst bewohnen. Es gibt keine Förderung, wenn man ein altes Haus zu einer Ferienwohnung umbaut oder vermietet. Die Zweckbindung gilt für fünf Jahre. Auch muss das Haus in einem vergleichsweisen schlechten energetischen Zustand sein. Im Energieausweis muss es in die schlechtesten Gruppen F, G oder H eingeordnet sein. In Deutschland trifft das laut Ministerium auf rund 45 Prozent aller Wohngebäude zu.

Innerhalb von 54 Monaten muss man das Haus dann so sanieren, dass es mindestens Energieeffizienzklasse 70 EE erreicht. Das bedeutet, dass es 30 Prozent weniger Energie verbraucht als ein Gebäude mit den gesetzlichen Mindeststandards. Außerdem muss die Wärmeerzeugung zu mindestens 65 Prozent auf regenerative Energien umgestellt werden - was in der Regel auch einen Heizungstausch bedeutet.

Gegenvorschläge der Kritiker: Bessere Energieeffizienzklassen in die Förderung aufnehmen und Einkommensgrenzen müssen weg

Schon jetzt plädieren die Landesbausparkassen dafür, bei mangelnder Nachfrage die zeitlichen Vorgaben zu strecken. Auch könnten bessere Energieeffizienzklassen in die Förderung aufgenommen werden, damit der Sprung zum angestrebten Niveau kleiner und günstiger wird. Für den Klimaschutz sei jede Sanierung besser als keine Sanierung, so die Bausparkassen, und auch im Kampf gegen den Wohnungsmangel wäre mehr gewonnen, wenn möglichst viele ältere Immobilien einen Käufer fänden.

Laut dem IVD werden Familien von dem zinsverbilligten „Jung-kauft-Alt“-Darlehen in Höhe von 100.000 Euro ein Großteil für die vorgeschriebene energetische Sanierung gebrauchen. Für den Hauskauf selbst bleibe von der Förderung dann nicht mehr viel übrig. Verband Präsident Wohltorf hält auch die Einkommensgrenzen für zu niedrig angesetzt. „Eine Familie mit einem Kind darf nach den Förderrichtlinien höchstens 90.000 Euro Jahreseinkommen verdienen, um einen zinsvergünstigten Kredit zu erhalten. Die Einkommensgrenzen müssen weg“, fordert er. „Hauptsache, alte Häuser werden energetisch ertüchtigt und Eigentum gebildet.“

Der IVD-Präsident schlägt außerdem vor, die Grunderwerbsteuer zu reformieren, so dass klimafreundliche Investitionen gegen die Steuerschuld gerechnet werden können. „Das würde allen Hauskäufern helfen und die so wichtigen Investitionen in den Altbaubestand sicherstellen.“

Das Wohneigentumsprogramm „Jung kauft Alt“ wurde bei dem Wohnbaugipfel im Kanzleramt Ende September 2023 angekündigt, wie auch verbesserte Familienförderkonditionen für Neubau.

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Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.



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