Politik

Brandenburg-Wahl: AfD und SPD kämpfen um den Sieg - und das politische Momentum

Die Brandenburger Landtagswahl ist so spannend wie nie. Es könnte eine richtungsweisende Wahl pro oder contra rechts werden. Im Kampf gegen die AfD setzt SPD-Regierungschef Woidke alles auf eine Karte.
16.09.2024 12:14
Aktualisiert: 16.09.2024 12:14
Lesezeit: 3 min

Es könnte knapp werden: Schon seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 stellt die SPD in Brandenburg den Regierungschef. Nun liefern sich AfD und SPD auf den letzten Metern vor der Wahl einen Zweikampf. Drei Wochen nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen geht es am Sonntag darum, ob die AfD stärkste Kraft wird - es wäre das erste Mal in Brandenburg und das zweite Mal bei einer Landtagswahl überhaupt, nach Thüringen. Der Brandenburger Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein.

Die jüngsten Umfragen zeigen ein nicht ganz einheitliches Bild. Im Brandenburg-Trend von Infratest dimap für die ARD schließt die SPD mit 26 Prozent fast zur AfD auf, die bei 27 Prozent liegt. Beim ZDF-Politbarometer Extra der Forschungsgruppe Wahlen ist der Abstand größer: Dort liegt die SPD ebenfalls bei 26 Prozent, aber die AfD bei 29 Prozent. Falls die AfD stärkste Kraft würde, könnte sie voraussichtlich nicht regieren: Keine andere Partei will mit ihr zusammenarbeiten.

Prognosen zur Brandenburg-Wahl: Aufholjagd mit Distanz zur Bundesregierung

Die Wahl ist auch eine Abstimmung über SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke. Der 62-Jährige, der seit elf Jahren regiert, setzt alles auf eine Karte: Er will abtreten, wenn die AfD die Wahl am Sonntag gewinnt und nicht die SPD. „Dann bin ich weg“, sagt er. Woidke will nur Abgeordneter im Landtag bleiben, falls er das Mandat wieder erhält. Doch noch gibt er sich optimistisch mit Blick auf den Wahlausgang: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen werden“, beteuert Woidke. Diesen Optimismus zieht er unter anderem aus dem vergleichsweise hohen Wirtschaftswachstum und der Tesla-Ansiedlung - und daraus, dass es der SPD schon bei der Wahl 2019 gelungen ist, die AfD auf den letzten Metern einzuholen.

Woidke hat eine Aufholjagd gestartet, die völlig konträr zur Lage der SPD insgesamt ist. In den jüngsten Umfragen kam die Partei bundesweit auf 14 Prozent, das ist fast die Hälfte wie in Brandenburg. Kein Wunder, dass Woidke nicht unbedingt mit SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz Wahlkampf machen will, auch wenn der in Potsdam wohnt. Immerhin war Scholz beim SPD-Sommerfest in Potsdam als Gast mit dabei - nicht auf der Bühne, aber im Gespräch und bei Selfie-Aufnahmen mit Genossen.

Sollte die AfD stärkste Kraft werden und die SPD nur den zweiten Platz belegen, hätte die bisherige Finanzministerin Katrin Lange als stellvertretende SPD-Landeschefin vermutlich den ersten Zugriff für eine Nachfolge von Woidke - beziehungsweise erst einmal die schwierige Aufgabe, eine Regierung zu bilden. Aber auch Wissenschaftsministerin Manja Schüle und Fraktionschef Daniel Keller gelten als potenzielle Anwärter.

AfD will Ampel „zertrümmern“

Die AfD will Woidke aus der Staatskanzlei „jagen“, wie es Landeschef René Springer bei einer Wahlkampfveranstaltung in Forst (Lausitz) - der Heimat von Woidke - formulierte. AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt will mit der Wahl auch ein Zeichen gegen die Bundesregierung setzen: „Wir haben es auch in der Hand, mit diesen Schlägen die Ampel zu zertrümmern“, sagte er.

Der Extremismusforscher Gideon Botsch ist der Ansicht, dass die AfD in Brandenburg im Zuge der Migrationsdebatte radikaler geworden ist. „Die Sprache ist deutlich radikalisiert, das Auftreten ist deutlich radikalisiert, und der Tendenz nach findet auch eine Nazifizierung statt“, sagte der Potsdamer Politikforscher.

Der mutmaßlich islamistische Anschlag in Solingen Ende August mit drei Toten und acht Verletzten hat die Debatte über Migration und Asyl noch einmal verschärft. Woidke fordert, die Migrationspolitik der vergangenen zehn Jahre auf den Prüfstand zu stellen. CDU-Landeschef Jan Redmann spricht vom „doppelten Woidke“, der die SPD auf Bundesebene kritisiert und bei bestimmten Themen das politische Ufer wechselt.

Redmann fordert seit Monaten mehr Anstrengungen, um irreguläre Migration einzuschränken. Er will Woidke als Ministerpräsident beerben. Die Wahl sieht er auch als Chance, die Ampel im Bund „auszuschalten“. Redmanns Fahrt mit einem Elektroroller im Juli mit 1,3 Promille Alkohol im Blut scheint abgehakt, er muss 8.000 Euro Strafe zahlen.

Brandenburg: Schwierige Regierungsbildung bahnt sich an

In den jüngsten Umfragen steht die CDU in Brandenburg aber nur bei 15 bis 16 Prozent - knapp vor dem neuen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – einer Partei, die auf Landesebene bislang kaum Inhalte hat und deshalb schwer einzuschätzen ist. Bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen überraschte das BSW mit jeweils zweistelligen Ergebnissen.

In Brandenburg kommt das BSW in jüngsten Befragungen auf 13 bis 14 Prozent. Bislang regiert dort die SPD in einer Koalition mit CDU und Grünen. Die Grünen, aber auch die Linke und die Freien Wähler müssen nun um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Allerdings reicht ein Direktmandat aus, um wieder im Parlament vertreten zu sein. Die FDP ist in den jüngsten Umfragen nicht einzeln ausgewiesen - sie liegt deutlich unter 5 Prozent.

Welche Koalitionsmöglichkeiten sich nach der Wahl ergeben, ist offen: Möglicherweise reicht es nicht für die Fortsetzung der bisherigen Regierungskoalition. Woidke äußerte sich bislang aber auch nicht zum Thema „Wunschkoalitionen“, er setzt erst einmal auf eine starke SPD. Möglicherweise könnte das BSW bei der Regierungsbildung ins Spiel kommen. Aber BSW-Landeschef und Spitzenkandidat Robert Crumbach will gar nicht um jeden Preis mitregieren. „Man kann auch als Opposition sehr wirkmächtig sein“, betont er.

Als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung sieht Crumbach ein deutliches Signal, dass Deutschland diplomatische Beziehungen ergreift, damit der Ukraine-Krieg beendet wird. Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnt Crumbach ab, die Unterstützung für einzelne Anträge der AfD schließt er aber nicht aus.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertvoller Schmuck im Fokus: So sichern Sie Ihre teuren Schmuckstücke ab
18.04.2025

Die Absicherung wertvoller Schmuckstücke wird immer wichtiger – Hausrat reicht oft nicht aus. Experten raten zu gezieltem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen in Dänemark: Wie Sie mit etwas Hygge ein Haus günstig kaufen können
18.04.2025

Nachdem es 2023 und 2024 in Deutschland zum ersten Mal seit 2013 spürbare Wertverluste auf dem Immobilienmarkt gab, kündigten Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA: Staatsverschuldung erreicht 36,6 Billionen Dollar – wer sind die Gläubiger?
18.04.2025

Die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten hat mit 36,6 Billionen Dollar einen neuen Höchststand erreicht und wächst in den letzten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Online-Handel unter Druck: Steigende Erwartungen, weniger Spielraum für Fehler
18.04.2025

Der digitale Handel erlebt 2025 einen Wendepunkt: Kunden erwarten Perfektion, während lokale Anbieter ums Überleben im globalen...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona: Aufwärtstrend bei Amateurmusik - Deutsche musizieren wieder
18.04.2025

Den Flohwalzer klimpern, ein Liebeslied singen, auf der Gitarre schrammeln – Hobbymusik hat viele Facetten. Doch wie viele Menschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Blick aus China: Die USA haben an Bedeutung verloren, Zölle beeinträchtigen die Lieferketten nicht
18.04.2025

Die Bedeutung des US-Marktes für China habe in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen und mache heute nur noch 14 Prozent der...