Eigentlich ist es eine gute Nachricht für Bundeskanzler Olaf Scholz: Die Union hat ihre K-Frage geklärt und schickt mit CDU-Chef Friedrich Merz seinen Wunschkandidaten ins Rennen ums Kanzleramt. Noch vor der Verkündung der Entscheidung sendete der SPD-Politiker am Dienstag aus dem kasachischen Astana einen freudigen Gruß an den Herausforderer: „Es ist mir recht, wenn Herr Merz der Kanzlerkandidat der Union ist.“
Scholz hat schon in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass er sich gegen Merz die besten Chancen ausrechnet. So richtig gut ist die Nachricht für ihn dann aber doch nicht. Denn die Kandidatenkür in der Union verläuft – zumindest bisher - viel schneller und reibungsloser, als man sich das in der SPD erhofft hat.
Mehr als ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl, die am 28. September 2025 stattfinden soll, hat die Union nun einen Kandidaten – und die Kanzlerpartei SPD noch nicht. Scholz hatte sich zwar kurz vor der Sommerpause quasi selbst ernannt: «Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden.» Eine formelle Entscheidung gibt es aber bisher nicht. Sie soll erst im Juni 2025 auf dem nächsten Parteitag fallen. Allerdings könnte sich der Parteivorstand schon vorher festlegen. Für dessen Klausurtagung am 12. und 13. Oktober, bei der die Bundestagswahl inhaltlich vorbereitet werden soll, ist das bisher aber nicht vorgesehen.
Das K-Problem von Olaf Scholz hat einen Namen
Scholz, der seit Monaten mit seiner zerstrittenen Ampel nicht aus dem Umfragetief kommt, hat nun ein K-Problem und das hat einen Namen: Boris Pistorius. Der in allen Ranglisten der beliebtesten Politiker an Nummer eins stehende Verteidigungsminister wird schon seit langem in der SPD unter der Hand als möglicher Ersatz-Kandidat für den angezählten Kanzler gehandelt.
Ausgerechnet eine Woche vor der Brandenburg-Wahl hat das auch erstmals ein prominenter SPD-Kommunalpolitiker offen ausgesprochen: «Natürlich kommt der beliebteste Politiker Deutschlands als SPD-Kanzlerkandidat infrage», sagte der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter dem «Tagesspiegel». «Wenn jemand wie Boris Pistorius ein solches Ansehen hat, muss die SPD auch darüber nachdenken, ob er die beste Wahl für die Kanzlerkandidatur ist oder ob man mit dem amtierenden Bundeskanzler ins Rennen geht.»
Zuvor hatte bereits Ex-Parteichef Franz Müntefering die K-Frage in einem «Tagesspiegel»-Interview für offen erklärt und Pistorius ausdrücklich gelobt. Die Debatte könnte deutlich an Fahrt aufnehmen, wenn die SPD bei der Brandenburg-Wahl hinter der AfD landet und Ministerpräsident Dietmar Woidke zurücktritt. Pistorius hat inzwischen schon eine Routine im Abblocken von Fragen nach einer möglichen Kanzlerkandidatur entwickelt. «Man kann viele Ideen haben, ich habe die Idee nicht», sagte er nach der Merz-Kür bei einer Wahlkampfveranstaltung in Potsdam auf die Erkundigung eines Bürgers danach.
Bei den Grünen schauen alle auf Habeck
Bei den Grünen ist die Lage klarer. Sie wollen noch in diesem Herbst entscheiden, ob sie einen Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken oder wie früher nur mit einem Spitzenkandidaten antreten. Voraussichtlich fällt die Entscheidung vor dem Bundesparteitag, der Mitte November in Wiesbaden stattfinden soll. Dass es erneut einen grünen Kanzlerkandidaten geben wird, gilt als wahrscheinlich, obgleich die mauen Umfragewerte für die Partei dafür aktuell keinen Anlass bieten.
Nachdem Außenministerin Annalena Baerbock gesagt hat, dass sie diesmal nicht an der Spitze stehen will, läuft alles auf Wirtschaftsminister Robert Habeck hinaus. Baerbock war im Wahlkampf 2021 die erste Kanzlerkandidatin ihrer Partei gewesen. Die Grünen landeten damals mit 14,7 Prozent auf dem dritten Platz.
Endet für die AfD die Zeit des Spitzenduos?
Und was ist mit der AfD? Sie hat noch nie einen Kanzlerkandidaten aufgestellt. Das hat damit zu tun, dass die rechte Partei bei Bundestagswahlen noch nie Ergebnisse erzielt hat, die einen Einzug ins Kanzleramt in den Bereich des Möglichen gerückt hätten. Derzeit liegt sie allerdings mit 16 bis 19,5 Prozent in den Umfragen vor SPD und Grünen.
Ein weiterer Grund gegen eine Kanzlerkandidatur ist aber das innerparteilich integrativ wirkende Konzept des Spitzenduos, mit dem die AfD in den vergangenen Jahren gut gefahren ist. Deshalb ist die Frage, ob die Partei für 2025 wirklich eine einzelne Person ins Scheinwerferlicht stellen will oder am Spitzenduo festhält. Oder wer von Co-Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla als die Nummer eins zur Wahl antritt.
Denn dass dann – Stand jetzt – wohl Weidel vorn stünde, erwarten viele in der AfD. Ob es in der Sache eine Mitgliederbefragung geben wird, ist noch offen. Zumindest über den Prozess dürfte demnächst im Bundesvorstand Einigkeit hergestellt werden. Formal geklärt wird die Kanzlerkandidatur-Frage wohl erst auf einem Bundesparteitag im kommenden März.